Aktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann

Allgemeines

FirmennameAktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann
OrtssitzDresden
OrtsteilAltstadt
StraßeHamburger Str. 19
Art des UnternehmensMaschinenfabrik
AnmerkungenVor 1900: "Nähmaschinenfabrik und Eisengießerei vorm. Seidel & Naumann" (s.d.). Auf einer Tafel mit Ehrenmedaillen "Aktiengesellschaft für Feinmechanik Seidel & Naumann" [40 Jahre, S. 74]. 1939/40: Vorstand: Dir. Franz Bergmann (kaufm. Vorstand), Dipl.-Ing. Dir. Werner Bastänier (techn. Vorstnad); Prokuristen: Verkaufsdirektor K. Freund, Dipl.-Ing. W. Linsen, Walter Erler, Max Wilde, Hans-Harald Rothe, Gerhard Werth und Wilhelm Baumgarten. Ab 1940 unter der Firma "Seidel & Naumann Aktiengesellschaft". Nach 1945: "Mechanik vormals Seidel & Naumann",ab 1951 Teil "VEB Mechanik Schreibmaschinen-Werke Dresden" (zusammen mit Clemens Müller); ab 1954: "VEB Schreib- und Nähmaschinenwerke Dresden", ab 1960: "Schreibmaschinenwerk Dresden" (s.d.), ab 1984 Teil des "VEB Kombinat Robotron"; 1990-1992: "robotron Erika GmbH Dresden".
Quellenangaben[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908)] [Maschinenindustrie (1939/40 288] [Reichs-Adreßbuch (1900) 3302+3317]
HinweiseVertreterkatalog von 1896 (Werksabbildung) eBay (2012); http://robotron.foerderverein-tsd.de




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
05.08.1868 Gründung des Ursprungsunternehmens durch Bruno Naumann als kleine Werkstatt in der Ammonstraße
1900 Errichtung eines fünfstöckigen Neubaus auf fiskalischem Gelände (dieses wird 1904 erworben), der ca. 3600 qm neuen Raum für den Betrieb schafft. Das feuersicher, nach modernsten Anforderungen errichtete Gebäude hat 50 m Frontlänge und 15 m Tiefe und enthält fünf Säle.
1900 Die Dividende je Aktie beträgt 16 %, je Genußschein 80 Mark
1900 Goldene Medaille auf der Weltausstellung Paris 1900
26.04.1900 Änderung der Firma aus "Nähmaschinenfabrik und Eisengießerei vorm. Seidel & Naumann" in "Aktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann"
Mitte 1900 Die Massenfabrikation der Schreibmaschine "Ideal" beginnt. - Die Hoffnungen, die der Leiter der Fabrik, Herr Geh. Kommerzienrat Naumann, auf die neue Maschine setzt, erfüllen sich bereits in wenigen Jahren: Die "Ideal" wird die beliebteste deutsche Schreibmaschine, die sich immer mehr das Feld, auch im Auslande, erobert, und die Mühe und Arbeit, die an ihre Einführung gesetzt werden muß, ist keine vergebene.
1901 Die Dividende je Aktie beträgt 15 %, je Genußschein 75 Mark
1902 Die Dividende je Aktie beträgt 15 %, je Genußschein 75 Mark
1902 Goldene Medaille auf der Industrieausstellung Basel 1902
1902 Goldene Medaille auf der Oberlausitzer Gewerbe- und Industrieausstellung Zittau
1902 Goldene Medaillen auf der Oberlausitzer Gewerbe- und Industrieausstellung Zittau und auf der Exposition industrielle et agricole in Porrentruy
Ende 1902 Der 1900 begonnene fünfstöckige Neubau ist bereits völlig mit den nötigen Maschinen besetzt und wird dem Betriebe übergeben.
1903 Die Dividende je Aktie beträgt 18 %, je Genußschein 90 Mark
1903 Goldene Medaille auf der Deutschen Städteausstellung Dresden 1903
1903 Goldene Medaille und staatliche Anerkennung auf der Gewerbe- und Industrieausstellung in Durlach
22.01.1903 Geheimer Kommerzienrat Bruno Naumann stirbt in Loschwitz in der Villa Albrechtsberg. - Er wird zunächst auf dem Johannisfriedhof in Dresden beigesetzt und später in das Mausoleum der Familie in Königsbrück überführt.
1903 Nach dem Tode vom Bruno Naumann geht die Leitung der Fabrik auf die seit 1878 im Betriebe tätigen Herren Ferd. Engel und Johannes Foerster über.
1903 Das Jahr bringt eine bedeutsame Steigerung des Umsatzes. Nicht allein, daß die Fahrräder- und Nähmaschinenproduktion erhebliche Zunahmen erfährt, findet auch die Schreibmaschine "Ideal" willige Aufnahme bei Behörden wie in Geschäfts- und Privatkreisen, so daß daraus eine nennenswerte Mehrbeschäftigung der Fabrik resultiert. Die unmittelbare Folge ist eine abermalige Erweiterung der Werkstätten, um den erhöhten Lieferungsverpflichtungen genügen zu können.
1904 Die Fabrik erwirbt ein an den bisherigen Besitz grenzendes fiskalisches Terrain, welches bisher nur pachtweise überlassen und worauf schon 1900 ein fünfstöckiger Neubau aufgeführt war.
1904 Die Dividende je Aktie beträgt 18 %, je Genußschein 90 Mark
01.10.1904 Ferd. Engel tritt aus der Leitung der Fabrik zurück.
1905 Eine neue Löthalle für den Fahrradbau mit 450 qm Fläche wird bezogen.
1905 Aufstellung einer 1200 PS Dampfturbine, System Zoelly, aus der Augsburg-Nürnberger Maschinenfabrik, in Verbindung mit einem Siemens-Schuckert-Generator, die einheitliche Versorgung der gesamten Betriebsräume mit Kraft und Licht ermöglicht.
1905 Die Dividende je Aktie beträgt 18 %, je Genußschein 90 Mark
1906 Die Lieferung gerät zeitweise ins Stocken, so daß durch Neuanschaffung von Hilfsmaschinen für eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit gesorgt werden muß.
1906 Besuch Sr. Majestät des Königs Friedrich August von Sachsen, der den ausgedehnten interessanten Betrieb mit reger Anteilnahme besichtigt.
1906 Die Dividende je Aktie beträgt 18 %, je Genußschein 90 Mark
1906 Goldene Medaillen auf der Rumänischen Jubiläumsausstellung Bukarest und auf der Hygieneausstellung Wien 1906
1906 Fortschrittsmedaille auf der Allgemeinen Hygiene-Ausstellung Wien
1907 Nachdem die Zeit nach 1906 eine Erhöhung der Umsätze mit sich bringt, tritt durch den Metallarbeiterstreik eine vorübergehende Störung der Produktion ein. Die Fabrik nimmt gleichwohl den ihr aufgezwungenen Kampf auf und führt ihn, durch das wohlwollende Entgegenkommen der Kundschaft unterstützt, erfolgreich durch, so daß schließlich, trotz der erheblichen Kosten, die der über zwölf Wochen währende Ausstand verursacht, das Endergebnis des Jahres nur eine unbedeutende Einbuße erleidet. Allerdings wird durch vermehrte Tätigkeit nach Beendigung des Streiks ein annähernder Ausgleich geschaffen. Die gute Fundierung des Unternehmens hält auch diesem Ansturm stand.
1907 Die Dividende je Aktie beträgt 16 %, je Genußschein 80 Mark
1907 Bezug eines Neubaus für die Fahrradproduktion mit fünf Stockwerken; zu dieser Abteilung gehört ferner eine besondere Löthalle.
10.1909 Die "Ideal 4"-Schreibmaschine kommt im Oktober auf den Markt
1911 Es ersteht in Heidenau bei Dresden auf neuerworbenem Gelände eine moderne Gießereianlage von "Seidel & Naumann", wohin die bis dahin im Hauptwerk betriebene Gießerei übersiedelt. Die Leistungsfähigkeit des Werkes erfährt auch hierdurch eine bedeutende Steigerung.
1913 Die "Neue Ideal"-Schreibmaschine wird herausgebracht
1914 Übernahme der Firma "Biesolt & Locke, Nähmaschinenfabrik G.m.b.H.", Meißen.
1. Weltkrieg Der Erste Weltkrieg bedingt vollständige Umstellung des Betriebes auf die Fabrikation von Kriegsmaterial.
1919 Die "Neue Ideal C"-Schreibmaschine wird herausgebracht
1919 Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges werden die alten Verbindungen mit der Kundschaft im In- und Auslande wieder aufgenommen. Durch die bald wieder einsetzende große Nachfrage machen sich erneute Erweiterungen der Fabrikgebäude und Anlagen notwendig, die in ca. den 1930er Jahren durchgeführt werden.
1923 Die "Neue Ideal D"-Schreibmaschine wird herausgebracht
1925 Der Markenname "Afrana" der 1914 abgebrannten Meißner Nähmaschinenfabrik "Biesolt & Locke" wurde bisher genutzt
1926 Die "Neue Ideal"-Schreibmaschine wird mit Vorsteckeinrichtung für Buchungszwecke geliefert
1927 Die "Neue Ideal"-Schreibmaschine kann mit Zählwerken geliefert werden
1929 Die "Neue Ideal"-Schreibmaschine wird auf Wunsch mit Setztabulator geliefert
1930 Zwecks Schaffung einer Kraftreserve Erstellung eines vollständigen Dampfturbinensatzes.
1931 Von dem unbebauten Geländebesitz an der Hamburger Straße verkauft die Gesellschaft ein Teilstück von 9950 qm.
1933 Die Farbbandeinstellung "rot-schwarz-Matrize" der "Neue Ideal"-Schreibmaschine wird geändert
21.12.1933 Zum Ausgleich von Verlusten und zur Vornahme von Wertminderungen am Vermögen der Gesellschaft beschließt die Hauptversammlung vom 21. Dezember 1933 eine Herabsetzung des Stammaktienkapitals in erleichterter Form von RM 6.000.000,00 auf RM 1.176.000,00 durch Einziehung von nom. RM 120.000,00 Vorratsaktien und Zusammenlegung des hiernach verbleibenden Stammaktienkapitals von Reichsmark 5.880.000,00 im Verhältnis 5:1. Die gleiche Hauptversammlung beschließt ferner die Wiedererhöhung des herabgesetzten Stammaktienkapitals um RM 2.652.000,00 durch Umwandlung eines gleich hohen Betrages von Verbindlichkeiten, sowie Umwandlung der RM 72.000,00 Vorzugsaktien in Stammaktien. Das Grundkapital beträgt alsdann RM 3.900.000,00 Stammaktien.
1934 Verkauf eines Geschäfts- und Wohnhauses.
1937 Rückkauf des 1931 verkauften Teilgrundstückes Hamburger Straße.
1938 Aufgabe der Fahrradfabrikation mit Ende des Geschäftsjahres 1938.
26.04.1940 Laut Beschluß der Hauptversammlung vom 26. April 1940 wird die Firma aus "Aktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann" in "Seidel & Naumann Aktiengesellschaft" geändert.
15.04.1942 Laut Aufsichtsratsbeschluß vom 15. April 1942 Kapitalberichtigung gemäß DAV vom 12. Juni 1941 um 66,67 % = RM 2.600.000,00 auf RM 6.500.000,00 durch Entnahme von RM 1.300.000,00 aus anderen Rücklagen. RM 366.972,65 aus Gewinnvortrag, durch Zuschreibung von RM 1.193.027,35 zum Umlaufvermögen. Der verbleibende Betrag von Reichsmark 260.000,00 wird gemäß § 2, Abs. 3 DAV für Pauschsteuer zurückgestellt.
25.06.1943 Letzte ordentliche Hauptversammlung bis 1943/44
Ende Mai 1945 Die Produktion der Büroschreibmaschine Ideal und der Kleinschreibmaschine Erika läuft wieder an, da diese aus vorhandenen Einzelteilen und Baugruppen gefertigt werden, die in ca. 40 Ausweichlagern außerhalb des Stadtgebietes ausgelagert sind.
1946 Obermeister Grobe wird zum kommissarischen Treuhänder bestellt. Ihm zur Seite stehen als Technischer Direktor Ing. Schack, als Kaufm. Direktor Kaufmann Werth und als Betriebsratsvorsitzender Willi Damm.
21.03.1946 Beginn der Demontage
30.05.1946 Abschluß der Demontage. Die Maschinen und Betriebsmittel werden als Teil der von den vier Siegermächten verfügten Reparationsleistungen verlagert.
30.06.1946 Durch Volksentscheid vom 30. Juni 1946 wird der Betrieb zu Gunsten des Landes Sachsen enteignet.
Aug. 1946 Es werden auch wieder Nähmaschinen produziert
1948 Die Büroschreibmaschine "Ideal" läuft aus.
01.07.1948 Das ehemals als "Seidel & Naumann" firmierende Unternehmen wird offiziell in Volkseigentum unter der Bezeichnung "Mechanik vorm. Seidel & Naumann" übernommen und zentral geleitet.
1951 Die Produktion der Kleinschreibmaschine "Erika" wird bis 1951 auf ca. 22.000 Stück gesteigert.
1951 Die Nähmaschinenproduktion (Kl. 24, Kl. 65, Kl. 225) wird auf ca. 16.000 im Jahre 1951 gesteigert.
1951 Die Gießerei Heidenau (ex "Seidel & Naumann") wird zur Stahlgießerei Copitz ausgegliedert
27.12.1951 Der Betrieb wird im Handelsregister gelöscht.
1953 Die Schreibmaschinenproduktion wird auf 23.331 Stück gesteigert
1954 Die Schreibmaschinenproduktion wird auf 35.700 Stück gesteigert
25.09.1954 Änderung der Betriebsbezeichnung in "VEB Schreib- und Nähmaschinenwerke Dresden"
1960 Dauerhafte Ausgliederung der restlichen Nähmaschinenproduktion nach Wittenberge
1965 Die Schreibmaschinenproduktion wird auf 37.700 Stück gesteigert
29.06.1992 Der Betrieb "robotron Erika GmbH" wird aufgelöst und geht in Liquidation. Als Liquidator wird Dirk Oelbermann, Rechtsanwalt in Bremen, bestellt.
21.08.1997 Die Liquidation des "robotron Erika GmbH" ist beendet, die Gesellschaft ist erloschen.




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Buchungsmaschinen 1939   1940    
Fahrräder 1900 Umfirmierung 1938 Ende  
Nähmaschinen 1900 Umfirmierung 1940 Umfirmierung  
rechnende Schreibmaschinen 1939   1940    
Rechenmaschinen 1906 Beginn 1925 [Martin: Rechenmaschinen (1925) I, 257] "X x X" (Staffelwalzenmaschine, bis 1919, dann durch Presto), "S & N" (ab 1910), "Naumann" (ab 1922)
Schreibmaschinen 1900 Beginn 1960 bekannt "Ideal" seit 1900, "Erika" seit 1910
Spezialwerkzeugmaschinen 1939   1940    




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine um 1896 unbekannt




Maschinelle Ausstattung

Zeit Objekt Anz. Betriebsteil Hersteller Kennwert Wert [...] Beschreibung Verwendung
1908 Dampfkessel 4   unbekannt Heizfläche ges. 800 qm Zweiflammrohr-Etagenkessel  
1908 Dampfturbine 1   Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, Werk Nürnberg Leistung 750 PS Zoelly-Turbine mit 550-kW-Drehstrom-Generator Sommerbetrieb
ab 1905 Dampfturbine 1   Vereinigte Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg Leistung 1200 PS Zoelly-Turbine mit 750-kW-Drehstrom- und 120-kW-Gleichstrom-Generator (SSW) Winterbetrieb




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1900 2000 2000      
1902 2000        
1922 5000        
1934 3330        
1935 3470        
1936 4900        
1937 5300        
1938 5800        
1945 1446        




Produktionszahlen

von bis Produkt im Jahr am Tag Einheit
1900   Nähmaschinen 80000    




Firmen-Änderungen, Zusammenschüsse, Teilungen, Beteiligungen


Zeit = 1: Zeitpunkt unbekannt

Zeit Bezug Abfolge andere Firma Kommentar
1940 Umbenennung danach Seidel & Naumann Rückbenennung
1945 Umbenennung danach Schreibmaschinenwerke Dresden AG, vrm. Seidel & Naumamm --> VEB Schreibm.
1 Umbenennung danach Schreibmaschinenwerk Dresden "A.G. vorm. Seidel & Naumann" --> Schreibmaschinenwerk
1900 Umbenennung zuvor Nähmaschinenfabrik und Eisengießerei vorm. Seidel & Naumann  




Allgemeines

ZEIT1943
THEMAOrgane und Kapital der Gesellschaft
TEXTVorstand: Dipl.-Ing. Werner Bastänier, Franz Bergmann. Aufsichtsrat: Direktor Konstantin Brückner, Bielefeld, Vorsitzer; Dr. jur. Georg Kanz, Dresden, stellv. Vorsitzer; Generaldirektor Erwin Dircks, Hamburg; Rechtsanwalt Curt Eberlein, Bielefeld; Günther Naumann, Königsbrück; Generaldirektor Paul Stahl, Hamburg. Abschlußprüfer für das Geschäftsjahr 1943: Treuhand-Vereinigung A.-G., Dresden. Geschäftsjahr: 1. Januar bis 31. Dezember. Hauptversammlung (Stimmrecht): Je nom. RM 100,00 Stammaktien l Stimme. Reingewinn-Verwendung: Der sich aus dem Jahresabschluß ergebende Reingewinn wird wie folgt verteilt: 1. Der Rücklage werden 5 % des Reingewinnes zugewiesen, bis sie die Höhe von 10 % des Grundkapitals erreicht oder wieder erreicht hat. 2. Die Aktionäre erhalten einen Gewinnanteil von 4 % des eingezahlten Grundkapitals, wenn nicht die Hauptversammlung die Verwendung des Reingewinnes zu weiteren Rückstellungen oder außerordentlichen Abschreibungen beschließt. 3. Der Aufsichtsrat erhält einen Gewinnanteil von 10 % des nach § 98 Abs. 3 des AG berechneten Reingewinnes. 4. Der verbleibende Reingewinn wird als weiterer Gewinnanteil für die Aktionäre verwendet, wenn die Hauptversammlung nicht anderes beschließt. Grundkapital: nom. RM 6.500.000,00 Stammaktien in 6000 Stücken zu je RM 1.000,00 (Nr. 1-6000), 5000 Stücken zu je RM 100,00 (Nr. 6001-11 000).
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 3333]


ZEIT1943
THEMAZweck und Gegenstand des Unternehmens
TEXTGegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Büromaschirien, Nähmaschinen und Werkzeugmaschinen. Die Gesellschaft darf mit Genehmigung des Aufsichtsrates die Herstellung und den Vertrieb anderer Erzeugnisse aufnehmen und sich bei anderen Unternehmungen beteiligen.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 3333]


ZEIT1943
THEMABesitzverhältnisse
TEXTBesitz- und Betriebsbeschreibung: 1. Werk Dresden. Fabrikanlagen: Schreibmaschinen-, Nähmaschinen-, Spezialwerkzeugmaschinenfabrik. Betriebsabteilungen: Automaten-Dreherei, Stanzerei, Härterei, Glüherei, Schweißerei. Löterei, Fräserei, Schleiferei, Poliererei, galvanische Werkstätten, Lackiererei, Tischlerei, Holz-Trockenkammern, Versuchswerkstätt, Werkzeugbau, Betriebswerkstätten und Lageraien. Maschinelle Einrichtung: Werkzeugmaschinen und Elektromotoren. Kraftanlagen: 2 Dampfkessel; 2 Dampfturbinen zur Erzeugung des elektrischen Stromes. 2. Werk Heidenau. Fabrikanlagen: Gießerei, Putzerei, Bohrerei. Betriebswerkstatt.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 3333]


ZEIT1943
THEMABeteiligung an folgenden Unternehmen
TEXTBuchwert der Beteiligungen: RM 25.013,00. Die Beteiligungen betreffen meist G. m. b. H.-Anteile und Kommanditeinlagen bei inländischen und ausländischen Gesellschaften die überwiegend dem Vertrieb der von der Firm hergestellten Fabrikate dienen. Des weiteren befinden sich Anteile von Siedlungsgesellschaften, letztere bis auf Reichsmark 1. abgeschrieben, unter ihnen. Seidel & Naumann Aktiengesellschaft, Dresden Schaftsgruppe Maschinenbau, Gießerei-Industrie.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 3333]


ZEIT1908
THEMAVorrede
TEXTMan hat unser Jahrhundert das Zeitalter des Verkehrs genannt. Vielleicht wäre es berechtigter, es die Zeit der Wirtschaftlichkeit zu nennen, von welcher der Verkehr nur ein Teil, zu welcher er ein Hilfsmittel ist. Denn schließlich dienen alle Bestrebungen im Handel und Gewerbe, in der Industrie wie im Verkehr nur dazu, die Bedingungen unsres wirtschaftlichen Lebens zu verbessern und überhaupt eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit herbeizuführen. In diesem Bestreben spielen nun drei Faktoren eine nicht unbedeutende Rolle, und zwar drei Instrumente, die man noch vor wenigen Jahrzehnten mit Nichtachtung behandelt hat, heute aber nicht mehr missen möchte: Nähmaschine, Fahrrad und Schreibmaschine. In ihrer Entstehung und Entwicklung grundverschieden, in der Konstruktion entfernt verwandt und daher vielfach unter einer industriellen Hand vereinigt, haben sie vor allem das gemeinsam, daß sie im hohen Grade Bedürfnisse des wirtschaftlichen
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 5]


ZEIT1908
THEMANähmaschine
TEXTDie Geschichte der Nähmaschine dürfte bekannt sein; es soll hier nicht auf sie eingegangen werden. Wohl aber erfordert es diese Skizze, die sich mit einer auf dem Gebiete des Nähmaschinenbaues in Deutschland bahnbrechend gewesenen Firma beschäftigen soll, den ungeheuren Einfluß zu beachten, den die Einführung der Nähmaschine im täglichen Leben wie im Gewerbe und der Industrie ausgeübt hat und noch ausübt. Wenige Jahrzehnte haben genügt, um aus der als Kuriosum angestaunten, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Brauchbarkeit stark angezweifelten Nähmaschine ein Requisit zu machen, welches für jeden Haushalt und für fast jedes Gewerbe unentbehrlich geworden ist. Wie wäre die rationelle Herstellung von Bekleidungsstücken, von Wäscheartikeln, Stiefeln und Schuhen ohne die Nähmaschine möglich? Wie könnten Sattler, Tapeziere, Segelmacher, Handschuharbeiter, Mützen- und Hutmacher den Anforderungen der modernen Zeit ohne die Maschine entsprechen, wie die vielen Spezialbetriebe, die hier nicht aufgezählt werden können? Hat nicht erst die Nähmaschine den gewaltigen Aufschwung unsrer Bekleidungsindustrie hervorgerufen, Tausenden von Heimarbeitern Gelegenheit zum Verdienst geschaffen und die Verbilligung gewöhnlicher Gebrauchsartikel bei besserer Ausstattung ermöglicht? Aber es ist nicht nötig, hier ein Loblied der Nähmaschine zu singen; wir sind glücklicherweise über die Zeiten hinaus, da man die Maschine mit Mißtrauen und Zweifel ansah, und man betrachtet sie vielmehr heute als unbedingt notwendig, als segensreiches Werkzeug im Hause und im Gewerbe. Welcher enorme wirtschaftliche Umschwung und Aufschwung liegt in diesem Wandel der Ansichten, in dieser Entwicklung der Nähmaschine!
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 5]


ZEIT1908
THEMAFahrrad
TEXTHaben wir hier eine unmittelbare Beihilfe, den Lebensunterhalt zu verbessern, einesteils durch Verbilligung wichtiger Lebensbedürfnisse, andernteils durch Schaffung neuer Arbeitsquellen, so finden wir im Fahrrad, dessen Geschichte ungleich wechselvoller ist, eine Maschine, die mittelbar zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit beiträgt. Das Fahrrad ist recht eigentlich das Verkehrsmittel geworden, das jedem erreichbar und von jedem ohne besondere Vorkenntnisse und Bedingungen zu benutzen ist. Seinen besonderen Wert hat es aber erhalten, seitdem auf die Beschaffung besserer Wohngelegenheiten wieder größerer Wert gelegt wird und seitdem man immer mehr einsieht, daß für jeden arbeitenden Menschen dem Aufenthalt an der Arbeitsstätte eine angemessene Erholung in gesunden, luftigen Wohnungen folgen muß, die man allerdings heute nicht mehr innerhalb der Bauzone der großen Industriestätten suchen darf. Und da bietet eben das Fahrrad die Möglichkeit, die Wohnung in größerer Entfernung von der Arbeitsstätte zu suchen, ohne Rücksicht auf die Verbindung mit der Stadt durch Bahnen oder andre Verkehrsmittel, weil das Fahrrad selbst die geeignetste, schnellste und beste Verbindung vermittelt. Bleiben wir, um nur ein Beispiel anzuführen, bei der Fabrik Seidel & Naumann. Wir werden weiter unten sehen, wie weit entfernt von der Arbeitsstätte die meisten Arbeiter der Fabrik wohnen; daß sie das können, daß sie nicht gezwungen sind, teure und ungesunde Wohnungen in den Mietskasernen der Großstadt zu beziehen, sondern die Vorteile des Landaufenthalts sich und ihren Familien zugute kommen lassen können, verdanken sie lediglich dem Fahrrad, mit dessen Hilfe sie den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in kurzer Zeit und ohne besondere Anstrengung zurücklegen. Denn auch das ist ein wesentlicher Vorteil des Stahlrades, daß seine Benutzung — von Parforce-Touren abgesehen — den Körper fast gar nicht angreift, vielmehr eine gesunde Übung für den arbeitenden Menschen bildet. Wir sehen also auch hier den hohen Wert des Fahrrades in der Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Was für den Arbeiter gilt, gilt auch für den Kaufmann, den Beamten, kurz für jeden, der durch seine Tätigkeit an einen Ort gebunden ist. Es gilt aber auch für den, der sich bei der Ausübung seines Berufs eines Verkehrsmittels bedienen muß, um längere Touren oder häufige Wege zurückzulegen. Auch für diesen ist das Fahrrad das beste Verkehrsmittel und damit eine Beihilfe, die Leistungsfähigkeit im Berufe zu erhöhen. Man beachte beispielsweise, wieviel der Arzt leisten kann, der sich zum Besuche seiner Landpraxis des Fahrrades bedient. Einmal sind die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten weit geringer als für ein Fuhrwerk, dann ist das Fahrrad jederzeit gebrauchsfertig, was besonders bei eiligen Wegen wichtig ist, und drittens bietet sich dem Radfahrer in der Beschaffenheit der Wege weit seltener ein Hindernis als dem Wagen. Selbst auf dem durchgeweichten oder sandigen Boden, in welchem ein vierrädriger Wagen versinken würde - schon weil sein Eigengewicht ihn tiefer einsinken läßt - wird es immer noch eine schmale, trockene Stelle, eine Grasnarbe oder dergl. geben, die breit genug ist, um dem Rade Halt zu bieten, das übrigens viel leichter über den Boden dahineilt und weniger einschneidet.
Die hervorragenden Erfolge, die im Heeresdienst, seitens der städtischen Feuerwehren, Unfallstationen, im geschäftlichen Botendienst usw. mit dem Zweirad und dem der Gepäckbeförderung dienenden Dreirad gemacht worden sind, sind bekannt genug, um die steigende Beliebtheit des Fahrrades zu erklären und zu recht-fertigen. Alle diese Erfolge liegen auf wirtschaftlichem Gebiete. Hand in Hand mit der Weiterentwicklung der Fabrikation ging aber eine starke Zunahme der Fahrradproduktion. Auf der einen Seite waren der Fabrik erhebliche Aufträge der preußischen und sächsischen Armeen auf Lieferung von Militärrädern zuteil geworden, auf der andern Seite nötigte der um 1892 beginnende Preisrückgang der gewöhnlichen Gebrauchsräder zu einer rationelleren Einrichtung der Fabrikation, um den alten Ruf zu erhalten und bei billigerer Herstellung doch ein gutes Fabrikat zu liefern. Hand in Hand mit der Weiterentwicklung der Fabrikation ging aber eine starke Zunahme der Fahrradproduktion. Auf der einen Seite waren der Fabrik erhebliche Aufträge der preußischen und sächsischen Armeen auf Lieferung von Militärrädern zuteil geworden, auf der andern Seite nötigte der in dieser Zeit beginnende Preisrückgang der gewöhnlichen Gebrauchsräder zu einer rationelleren Einrichtung der Fabrikation, um den alten Ruf zu erhalten und bei billigerer Herstellung doch ein gutes Fabrikat zu liefern.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 5]


ZEIT1908
THEMASchreibmaschine
TEXTAuch das dritte Instrument in unserer Reihe, die Schreibmaschine, muß an dieser Stelle ihrer Bedeutung für das Wirtschaftsleben nach eingeschätzt werden. Wir sehen von dem Nutzen ab, den die Maschine im geschäftlichen Leben geschaffen hat, indem sie zur schnelleren Erledigung der Arbeiten beitrug, die Deutlichkeit vermehrte und die Schreib- und Denkarbeit erleichterte. Auch diese Vorzüge sind bekannt genug. Aber wir dürfen ferner nicht vergessen, daß die Schreibmaschine, analog wie die Nähmaschine, einer ganzen großen Reihe von Menschen eine Existenz geschaffen, sie in den Stand gesetzt hat, noch da einen Unterhalt zu finden, wo andre Mittel oder Berufskenntnisse nicht erreichbar sind. Wir werden, je mehr sich die Maschine das öffentliche Leben bei uns erobert, in absehbarer Zeit die gleichen Verhältnisse wie in Amerika bekommen, wo schon jetzt in jedem Hotel, in den Wartesälen der Bahnhöfe, in den Zügen selbst und an vielen andern öffentlichen Orten Schreibmaschinen und Schreiber oder Schreiberinnen zur Verfügung stehen. Noch mehr wie bisher werden wir dazu gelangen, die schriftlichen Arbeiten auf die Maschinenschreiber abzuwälzen und noch mehr wird dann die Schreibmaschine diesen Mittel zum Zweck der wirtschaftlichen Entwicklung sein. Das Sprichwort "Zeit ist Geld" findet seine vorzüglichste Auslegung in dem sich mehrenden Gebrauch der Schreibmaschine; indem wir die Arbeitszeit für die schriftlichen Arbeiten durch den Maschinengebrauch verkürzen, also die Gesamtleistung erhöhen, sparen wir Zeit und Geld. Bedarf es noch eines weiteren Beweises für die eminent wichtige Rolle der drei von uns genannten Gegenstände, der Nähmaschine, des Fahrrades und der Schreibmaschine, im wirtschaftlichen Leben, so dürfen wir nur an die Entwicklung der sie fabrizierenden Industrien erinnern. Tausende und Abertausende von Arbeitern und Angestellten sind heute in der Herstellung dieser Maschinen beschäftigt und die Mannigfaltigkeit der Einzelarbeiten, welche diese Industrien in sich schließen, sichert nicht nur dem gelernten Mechaniker, Schlosser, Holzarbeiter, Klempner usw. dauernden, reichlichen Verdienst, sondern auch einer großen Anzahl ungelernter Kräfte, die auf diese Weise der Straße entzogen, der Arbeitslosigkeit entrissen werden. Auch darin liegt ein nicht zu unterschätzender Vorteil und ein Grund mehr, die gedeihliche Fortentwicklung der genannten Industriezweige als wünschenswertes Ziel anzusehen. Im Gegensatz zu andern Betrieben handelt es sich hier nicht um Saisonartikel, um vorübergehende, schwankende Fabrikationen, sondern um ständige Beschäftigung, die mit der Zukunft noch weiter steigen wird, weil sich der Bedarf immer mehr vergrößern muß.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 7]


ZEIT1908
THEMAGeschwindigkeitsmesser
TEXTWährend sich der Absatz in Fahrrädern dergestalt immer weiter erhöhte, der Nähmaschinenexport aber infolge der ungünstigen Zollverhältnisse zurückging und nur durch vermehrten Absatz im Inlande wettgemacht werden konnte, wandte sich die Fabrik einem neuen Herstellungszweige zu, der ebenfalls in der Folge zu einem sehr lohnenden wurde. Sie erwarb das Patent für einen Lokomotiven-Geschwindigkeitsmesser von dessen Erfinder Haußhälter für die meisten europäischen Staaten. Der Fabrik Seidel & Naumann gelang es, den Messer in solcher Genauigkeit und mit derartiger Sorgfalt herzustellen, daß er bereits im ersten halben Jahre der Fabrikation die Aufmerksamkeit der preußischen und österreichischen Eisenbahnverwaltungen erregte und zunächst zwar nur kleine, aber doch erfreulich zahlreiche Bestellungen darauf eingingen. Innerhalb der ersten vier Jahre hatten bereits mehr als 2000 solcher Geschwindigkeitsmesser die Fabrik verlassen; der Apparat, der sich in der Praxis als außerordentlich wertvoll und dauerhaft erwies und seinen Zweck, die Kontrolle über den Lokomotivführer auszuüben, in vollkommenster Weise erfüllte, war bei den österreichischen, rumänischen und russischen Eisenbahnen eingeführt worden und zahlreiche Nachbestellungen liefen bei der Firma ein. Auch die deutschen Bahnen, die bisher noch gezögert hatten, wandten sich endlich der Erfindung zu, und es gibt heute kaum eine Bahn, deren Lokomotiven nicht mit den unübertroffenen Messern aus gerüstet wären.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 12]


ZEIT1908
THEMAbauliche Anlagen
TEXTDie an der Hamburger Straße in der Nähe des einverleibten Stadtteiles Cotta belegene Fabrik umfaßt gegenwärtig eine Grundstücksfläche von ca. 22.500 qm, wovon etwa drei Viertel bebaut sind. In den Werkstätten stehen ca. 90.000 qm Arbeitsfläche zur Verfügung. Der erste Block enthält außer den kaufmännischen Bureaus die Packerei, das Nähmaschinenlager und die Holzbearbeitungswerkstätten. Bedeckte Gänge fuhren von hier zu dem zweiten Gebäudekomplex, in welchem um das Maschinen- und Kesselhaus gruppiert die Gießerei, die Nähmaschinenfabrikation und das Rohlager untergebracht sind. Der dritte Block, ebenfalls durch gedeckte Gänge mit dem vorigen verbunden, enthält die Schreibmaschinen-und Fahrradfabrikation, Holzlager, die Löthalle sowie die Werkstätten für die Herstellung der Geschwindigkeitsmesser. Sämtliche Räume sind hell und luftig erbaut; nach Möglichkeit ist auch die architektonische Schönheit gewahrt, so daß der gewaltige Gebäudekomplex auch rein äußerlich betrachtet einen bemerkenswerten Eindruck macht. Eine gemeinsame Kraftzentrale liefert für den gesamten Betrieb Kraft und Licht. Vier Kessel mit zusammen 800 qm Heizfläche bedienen die Maschinenzentrale, welche u. a. enthält:
Eine Zoelly-Turbine 1200 PS mit Generator 750 KW für Drehstrom von 500 Volt und einem 120 KW Gleichstrom-Generator (für den Winterbetrieb).
Eine Zoelly-Turbine 750 PS mit Generator 550 KW für Drehstrom von 500 Volt (für den Sommer).
Einen Umformer von 500 Volt Drehstrom in 120 Volt Gleichstrom. Einen Umformer von 500 Volt Gleichstrom in 120 Volt Gleichstrom.
Eine Transformatorenstation 3000 Volt Drehstrom in 500 Volt Drehstrom.
Die letztere dient zur Umwandlung des zeitweise von der Staatsbahnzentrale bezogenen, hochgespannten Stromes in für die Fabrik brauchbaren Arbeitsstrom.
Zur Reserve dient eine Akkumulatorenbatterie von 1200 Ampèrestunden und 120 Volt. Für Nickelei eine weitere von 2500 Amperestunden.
Etwa 100 Motoren in den Werkstätten, 4000 Glühlampen und 350 Bogenlampen werden außer den ca. 2800 Werkzeugmaschinen von dieser Zentrale aus gespeist.
Betreten wir das Werk, an dem ersten Pförtnerhaus vorüber — ein zweites beherrscht den zweiten Ausgang der Fabrik -, so befinden wir uns rechts dem Verwaltungsgebäude gegenüber. Es enthält die ausgedehnten Räume des Kontors, der Kasse, das Anmeldezimmer
und das Arbeitszimmer des Direktors in der ersten Etage und darüber die Registratur. Gesondert liegt das Schreibmaschinenzimmer, in welchem 20 Damen mit der Erledigung der kaufmännischen Korrespondenz beschäftigt sind, während von einem eigenen "Ideal" Kontor aus der Versand und die Korrespondenz der Schreibmaschinenabteilung erfolgt. Das Lager der Schreibmaschinen, das jedoch meistens leer ist, weil die Fabrikation die jeweilige Nachfrage kaum deckt und nur wenige Maschinen auf Vorrat gehalten werden können; eine besondere Abteilung für den Versand von Einzelteilen und der Sitzungssaal nehmen den Rest des Stockwerks ein. Wir erfahren übrigens bei der Besichtigung dieser Räume die interessante Tatsache, daß noch jetzt Germaniaräder vom Jahre 1893 in Privatkreisen in Benutzung sind, für die zeitweise Ersatzteile wie Pedale usw. nachverlangt werden, ein Beweis für die Dauerhaftigkeit der Fabrikate und die Anhänglichkeit der Kunden, die einmal einen Versuch mit Seidel & Naumanns Fahrrädern gemacht haben.
Einen besonderen Platz verdient an dieser Stelle die Reklame-Abteilung der Firma, deren Leistungen wohl schon mancher der Leser kennen gelernt hat. Hier werden nicht nur die geschmackvoll ausgestatteten Kataloge, die in allen Weltsprachen erscheinen, zusammengestellt, sondern auch die Inserat- und Plakatentwürfe, die in geschickter Weise Zweckmäßigkeit mit Schönheit und kunstvoller Ausführung vereinen. Namentlich die Plakate bilden ein wertvolles Aquisitionsmittel und eine Zierde jedes Lokals und Schaufensters, in dem sie ausgehängt sind.
Das obere Stockwerk des Verwaltungsgebäudes beherbergt das Nähmaschinenlager. Auch hier sind die Lagervorräte nicht sehr bedeutend; was fertig wird, gehört meistens zu Kommissionen, die sofort zur Ablieferung kommen, und wie auf dem Schreibmaschinenlager befinden sich hier meistens nur Posten, die des Abrufs der Kunden harren. Bei der Verschiedenheit der Ausstattungen ist es überdies nicht möglich, allzugroßes Lager zu halten, da auf die Wünsche der Besteller Rücksicht genommen werden muß.
Die unteren Räume des Gebäudes gehören der Packerei. In ihr kommen alle fertigen Fabrikate zusammen, um für den Post- und Bahnversand bearbeitet zu werden. Wir haben hier Gelegenheit, die Ausdehnung der Absatzgebiete kennen zu lernen, in welche die Seidel & Naumannschen Fabrikate wandern.
Eben wird eine umfassende Kistensendung für Sibirien fertiggestellt, während die Signaturen andrer, zur Abholung bereitstellender Posten Ägypten, Ostasien, Südamerika und andre Länder als Bestimmungsgebiet erkennen lassen. Vier Gespanne und ein Lastautomobil sind ständig mit der Abrollung der Güter zur Post und Bahn und der Anfuhr von Materialien beschäftigt.
Hinter dem Verwaltungsgebäude ziehen sich die Werkstätten der Tischlerei hin, für die ein umfangreiches Holzlager in besonderen Schuppen untergebracht ist. An Nuß-, Pappel- und andern Holzarten, Furnieren usw. lagert hier ständig ein Vorrat von mehr als 250.000 Mark Wert. Die Tischlerwerkstätten selbst, die sich durch zwei vierstöckige Gebäude ziehen und durch bedeckte Lagerschuppen ergänzt werden, sind mit allen modernen Einrichtungen und etwa 120 Werkzeugmaschinen versehen. Abricht- und Dicktenhobelmaschinen der mannigfachsten Größen geben den auf Kreis- und Bandsägen zugeschnittenen Brettern die erforderliche Stärke und Glätte, ehe sie für Nähmaschinen- und Schreibmaschinentische, Kästen, Gehäuse usw. weiterverarbeitet werden. Nutenstoßmaschinen schneiden die Rinnen zur Aufnahme andrer Teile ein, während Fräsmaschinen verschiedenster Konstruktion die Randformen hersteilen, die Einlaßöffnungen für die Nähmaschinenfundamente oder an den Schreibmaschinenböden ausfräsen. Alles geht hier maschinell vor sich, selbst das Leimen der Bretter. Nur die Kontrolle der Maschine und das Anpassen an die Modellform ist Aufgabe des Arbeiters. Interessant ist die Herstellung der gebogenen und geschweiften Gehäuse für Schreib- und Nähmaschinen.
Sie erfolgt mittels Blechformen, in welche die vorher geleimten Holzplatten durch einen Formkern unter starkem Druck eingepreßt werden und in welchen sie bis zur Trocknung verbleiben. Auf diese Weise lassen sich alle Arten von Gehäusefassons herstellen, die wegen ihrer zierlichen Forrn beliebter sind als die einfachen viereckigen Kästen. Die oberen Stockwerke der Tischlerei enthalten die Furnier- und Poliersäle. Hier werden die Holzteile, die bereits durch die andern Tischlerwerkstätten gegangen und im Rohbau fertiggestellt sind, mit dem nötigen "Schliff" versehen. Nachdem auf besonderen Maschinen jede Unebenbeit von den Flächen entfernt worden ist, werden die Gegenstände von kundigen Arbeitern mit einem dauerhaften Politurüberzug versehen, der je nach Wunsch matt oder glänzend gehalten ist. Teilweise erhalten hier auch die Nähmaschinengehäuse und Tischplatten Verzierungen in Gestalt von Bordüren und Arabesken, die aus Span- oder Papiergeflecht oder durch Einlegearbeit, oft in überreicher Weise, hergestellt werden. Die fertigen Stücke wandern dann in den Packraum, wo die Arbeit des Zusammensetzens der Nähmaschinen, durch Aufschrauben des Oberteils, vor sich geht oder in die Schreibmaschinenjustage, wo den Maschinen die Bodenbretter eingefügt werden.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 20]


ZEIT1908
THEMAGießerei
TEXTVom Hof der Fabrik, den wir nunmehr betreten, besuchen wir, am Kessel- und Maschinenhaus vorüberschreitend, zuerst die Gießerei, die sich durch vier Hallen erstreckt. Zwei große Kupolöfen, mit Gußsammler liefern das flüssige Metall zur Erzeugung von täglich etwa 350 Zentner Grauguß, der lediglich im eigenen Betriebe verbraucht wird. Mehr als 100 Formmaschinen und eine große Zahl von Handformen fertigen nach den in der Modellschreinerei und Modellschlosserei hergestellten Normalmodellen die Gußformen für Nähmaschinen-und Schreibmaschinenteile, für die Zeitmesser-Fabrikation usw. Zur Aufbereitung des Formsandes dienen zwei Sandmisch- und Siebmaschinen, während eine eigene Kernmacherei der Gießerei angegliedert ist. Die rohen Gußteile kommen zunächst in die Gußputzerei, wo ein Sandstrahlgebläse mit rotierendem Tisch und vier Gußputzmaschinen ihnen die Schlacken und Angüsse nehmen. Die kleineren Teile, die noch einer besonderen Bearbeitung zugeführt werden, wandern dann noch teils in Putztrommeln, teils in die Temperöfen, in denen sie durch nochmaliges Glühen die zur Weiterbehandlung erforderliche Weiche erhalten. Alle Gußteile gehen schließlich durch die Gußprüfabteilung, in welcher sie einer besonders scharfen Kontrolle auf Risse, Blasen usw. unterworfen werden, um zu verhüten, daß Teile in die Werkstätten kommen, die bei der weiteren Bearbeitung oder im Gebrauch springen würden. Wir sehen bereits an dieser Stelle, mit welcher außerordentlichen Sorgfalt in diesem Betriebe alle, auch die kleinsten Einzelteilchen behandelt werden und wie streng die Betriebskontrolle ist, die denn allerdings auch eine unbedingte Gewähr für tadelloses Material und einwandsfreie Zusammenstellung der Maschinen bietet. Der gute Ruf der Seidel & Naumann'schen Fabrikate beruht nicht zuletzt auf der rühmenswerten Betriebsaufsicht, die jedes Stück durch die gesamte Fabrikation bis zur Ablieferung begleitet. Wie weitgehend diese Kontrolle ist, dafür mag an dieser Stelle ein weiterer Beleg angeführt werden. Jedes Stück, welches in Arbeit geht, ist von einem Zettel begleitet, auf welchem die Gesamtzahl, der Name des Arbeiters, der Tag der Aufgabe und Ablieferung, die Nummer des betreffenden Teils — denn alle Einzelteile haben eine bestimmte Numerierung — und die Bezeichnung genannt ist. Mit diesem Zettel muß der betreffende Arbeiter die Stücke wieder zurückliefern, wofür ihm Quittung erteilt wird. Ohne diese Quittung kann er seine Arbeit bei der Lohnzahlung nicht verrechnen, ohne den Zettel aber wird auch kein Stück am Teillager oder in der Montage angenommen, so daß also der Zettel genau den Weg der Fabrikation mitmacht und Minderablieferungen unmöglich sind. Daß die Lagerbücher, die über die Einzelteile geführt werden, mit der gleichen Sorgfalt eingerichtet und in Ordnung gehalten .sind, bedarf hiernach kaum der Erwähnung.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 26]


ZEIT1908
THEMALackiererei, Galvanik, Poliererei
TEXTWir betreten im Kellerstock des Hauptbaues die Lackiererei, die für Näh- und Schreibmaschinen sowie Fahrräder getrennt arbeitet. Die mit Emailüberzug zu versehenden Teile der Maschinen werden in große, mit Lack gefüllte Wannen getaucht oder mittels Pinselanstrich bearbeitet, nachdem sie vorher abgeschliffen worden sind. Nach erfolgter Trocknung, wofür zwölf Öfen zur Verfügung stehen, wiederholt sich die Prozedur des Abschleifens und Lackierens noch mehrere Male, so daß im ganzen acht Operationen zur Fertigstellung der Teile nötig sind, worauf sie dann den bekannten Spiegelglanz aufweisen, der nicht nur schön aussehen soll, sondern auch besonders dauerhaft ist. Mittels Vergoldung und Abziehbildern werden dann die Verzierungen und Aufschriften auf den Teilen angebracht und die Gegenstände einer letzten Politur unterworfen. In einem Neubau ist die Nickelei und Verkupferung untergebracht, die mit etwa 80 galvanischen Bädern von ca. 60.000 Liter Gesamtinhalt arbeitet. Die Behandlung der Teile erfolgt hier in der allgemein üblichen Weise. Außerdem geht im anschließenden Saal das Schwärzen — Anlassen — bestimmter Einzelteile, die nicht vernickelt oder lackiert werden, vor sich. Um die Räume ständig ventiliert zu halten und die unangenehmen Dünste, die bei der galvanischen Arbeit unvermeidlich sind, zu entfernen, sind mehrere Exhaustoren vorgesehen. Eine riesige Entstäubungsanlage zieht sich durch die beiden Schleifereisäle und Nickelpoliererei, in welchen sämtliche Maschinen an diese von der Firma "Danneberg & Quandt" ausgeführte Absaugeanlagen angeschlossen sind. In gewaltigen Rohren wird der Arbeitsstaub von den Maschinen abgesaugt und mehreren außen befindlichen Separatoren zugeführt, von wo er zur Verbrennung weitergeleitet wird. Etwa 300 Schleifmaschinen sind in den beiden, durch zwei Stockwerke verteilten Schleifereisälen tätig. Auf ihnen geht die Bearbeitung der gepreßten und gestanzten Teile, die demnächst in die Nickelei wandern, vor sich. Nach der Vernickelung bzw. Verkupferung kommen die Teile in die Schwabbelei, in welcher sie auf ca. 100 Schwabbeln poliert werden, unter Benutzung einer Putzmischung, aus Talg und Wiener Kalk bestehend. Die vorher ziemlich unansehnlichen Arbeitsstücke verlassen die Schwabbelstände, deren Scheiben bis zu 3000 Touren in der Minute machen, als glänzende Teile, die ohne weiteres in Gebrauch genommen werden könnten. Kleinere Stücke, die nicht an den Schwabbeln behandelt werden können, werden in Scheuertrommeln durch Rotieren mit Leder poliert. Eine kleine, elektrisch betriebene Seilbahn, die sich an den Endstationen automatisch ausrückt, befördert die Teile vom Fenster der Schwabbelei unmittelbar in das Teillager, über die Fabrikdächer hinweg.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 27]


ZEIT1908
THEMANähmaschinenbau
TEXTDen weitaus größeren Teil des Hauptgebäudes nimmt die Nähmaschinenfabrikation ein. Zuunterst gelangen wir in die Hobelei- und Bohrwerkstätten, in welchen die Guß- und Stahlteile für den Nähmaschinenbau auf mehr als 100 Spezialmaschinen die erste Bearbeitung, erfahren. Ihnen schließt sich in zwei großen Sälen die Fräserei an, mit über 400 Maschinen ausgestattet, der interessanteste Teil des Nähmaschinenbaues, wenn man die Arbeitsleistungen der einzelnen Maschinen beachtet. Vier Elektromotoren treiben mittels Transmissionen die in je einem Saale aufgestellten Werkzeugmaschinen, unter denen sich eine große
Anzahl sehenswerter Konstruktionen finden. Wir sehen hier z.B. eine Doppelfräsmaschine, welche gleichzeitig die Außen- und Innenseite eines Schwungrades bearbeitet; andere schneiden schrägliegende Zähne in zum Handantrieb dienende Räder, wieder andere fräsen mit drei verschiedenen Instrumenten Einzelteile in bestimmten Fassons aus. Die Fabrik verfügt über eine riesige Anzahl solcher Fräsinstrumente, die im eigenen Werkzeugbau hergestellt werden und einen ganz gewaltigen Wert darstellen; kostet doch eine einzige dieser Fräsen 40—150 Mark!
Die Werkzeugbauerei, die an zwei verschiedenen Stellen des Gesamtbetriebes eingerichtet ist und über ca. 100 leistungsfähige Drehbänke, Fräs- und Shapingmaschinen verfügt, ist daher sehr stark beschäftigt und auf einen besonders präzisen Betrieb eingerichtet. Die Herstellung der mannigfachen, in der Fabrikation nötigen Hilfsgeräte, Leeren, wie der hier teilweise ausgeführte Bau von ganzen Hilfsmaschinen eigener Konstruktion, erfordert größte Akkuratesse und die Verwendung nur bestgeschulter Arbeiter.
An die Nähmaschinenfräserei schließt sich die Dreherei und die Teilarbeit, die mit etwa 300 Drehbänken, Fräs- und Bohrmaschinen ausgerüstet und über mehrere Säle verteilt ist. In ihnen erhalten die Einzelteile die letzte Bearbeitung, bevor sie in das Teillager wandern. Mit peinlichster Genauigkeit wird hier wiederum jedes kleinste Rädchen und Schräubchen behandelt, an Hand der verschiedenen Lehr- und Meßgeräte nachgeprüft und kontrolliert. Ein Fehler in der Bearbeitung würde unbedingt an irgendeiner Stelle bemerkt werden, und da der betreffende Arbeiter für die Genauigkeit seiner Leistungen verantwortlich ist, dergestalt, daß er für fehlerhafte Arbeit keinen Lohn erhält und die etwa nachher vorgenommenen Arbeiten an dem betreffenden Stück mitbezahlen muß, so achtet selbstredend jeder darauf, nur tadellose Stücke angeliefert zu erhalten und sie ebenso weiterzugeben.
Die fertigen Einzelteile kommen zunächst mit dem Arbeitszettel auf das Teillager, wo sie dem Arbeiter quittiert, in das Lagerbuch eingetragen und dann in die auf hohen Regalen stehenden Kästen und Gestelle verteilt werden. Jedes Fach trägt hier neben der Nummer des darin untergebrachten Teils auf einem Zettel den Bestand bzw. den Zu- und Abgang, der mit den Notizen im Lagerbuch genau übereinstimmen muß. Es ist also jederzeit der Gesamtbestand und die Vorratsmenge einzelner Teile nachweisbar und damit eine wirksame Arbeitskontrolle wie auch eine große Erleichterung bei der jährlichen Inventuraufnahme geschaffen. Vom Teillager aus bezieht die Montageabteilung die benötigten Stücke wiederum gegen Quittung, die für das Lagerbuch als Beleg und Kontrolle dient. Die Nähmaschinenmontage teilt sich in drei große Unterbezirke, den Bau der Ringschiffchen-, den der Schwingschiffchen- und den der Langschiffchenmaschine. Systematisch werden hier die einzelnen Teile zunächst zu kleineren Systemteilen zusammengesetzt, die von Hand zu Hand weiterwandern, bis aus ihnen allmählich die fertige Maschine entsteht. Mehr als 50 verschiedene Werkzeugmaschinen unterstützen die Monteure bei der Zusammenfügung der Teile, der Beseitigung etwaiger Ungleichheiten, Grate usw. Täglich werden hier 400 Nähmaschinen fertiggestellt, zu deren jeder 260 Einzelteile gehören, so daß also täglich 104.000 Einzelteile die verschiedenen Abteilungen des Nähmaschinenbaues durchlaufen. Welche Arbeitsleistung dazu gehört, um alle diese Teile herzustellen, zu bearbeiten und zusammenzufügen, läßt sich hiernach leicht berechnen. Es befinden sich darunter Teile, die allein 30—35 verschiedene Arbeitsoperationen erfordern, und 115 Arbeiter sind ständig mit der Instandhaltung der Arbeitsvorrichtungen und der Werkzeugmaschinen und Leergerätschaften beschäftigt. Wir werfen im Vorübergehen einen Blick in die Federmacherei, die aus feinen Drähten die im Nähmaschinen- und Schreibmaschinenbau gebrauchten winzigen Federn herstellt, und betreten dann die ausgedehnten Räume, in welchen die Justierung der Nähmaschinen vor sich geht. Es ist klar, daß ein Präzisionswerkzeug wie die Nähmaschine vor der endlichen Ablieferung in peinlichster Weise auf seine Brauchbarkeit geprüft werden muß, damit es auch im Gebrauch den gespanntesten Anforderungen genügen kann. Der Montage folgt daher eine genaue Durchprobung der Maschine im Justageraum, um etwaige .Störungen im Gange zu beseitigen, hier eine Schraube anzuziehen, da den Sitz einer Feder zu berichtigen und dergl. Erst wenn diese Station passiert ist und die Maschine nicht zur Vornahme größerer Reparaturen in die Montage zurückgegeben werden muß, wird sie von eigens dazu Angestellten eingenäht. Erweist sie sich auch hier als gangbar und tadellos, so kommt sie, mit dem erforderlichen Zubehör an Schraubenschlüsseln, Spulen usw., einer Rolle Garn und der Nähprobe zur Fertigstellung für den Versand. Aus der Nähprobe kann der Käufer ohne weiteres die Leistung der Maschine ersehen und sich davon überzeugen, daß sie bei.der Ablieferung zur Zufriedenheit gearbeitet hat.
Die Herstellung der Gestelle geht im Erdgeschoß des Hauptbaues vor sich, ebenfalls mit Hilfe von Spezialmaschinen, von denen. 25 im Betriebe sind. Schließlich wandern die gußeisernen Untergestelle der Maschine mit dem Tisch und dem Oberteil in einen besonderen Raum der Packerei, wo die rein mechanische Tätigkeit des Zusammenschraubens der Teile durch teilweise ungelernte Arbeiter erfolgt. Die Kistenbauerei stellt dann die Schutzverschläge und Kisten für den Transport her und nun werden die Sendungen ablieferungsfertig gemacht.
In der ganzen Welt sind heute die Seidel & Naumann'schen Nähmaschinen bekannt. Sie verdanken diese weite Verbreitung vor allem ihrer unerreichten Haltbarkeit, die wiederum durch die ausgezeichnete Justierung und die Wahl des Materials bedingt ist, ihrer vorzüglichen Ausstattung und dem leichten Gang, also Vorzügen, die bei der Auswahl einer Maschine neben der Verwendbarkeit wesentlich ins Gewicht fallen. Wie vielseitig überdies die Nähmaschine dieser Fabrik ist, sehen wir in der Kunstnähereiabteilung, die eine Spezialgruppe des Betriebes bildet. Unter der Hand einer geschickten Näherin stellt die Nähmaschine, ohne besondere Vorrichtungen, Stickereien her, die hinsichtlich Farbenpracht und Ausführung sich recht wohl sehen lassen können. Ein einfaches Auswechseln der Stichplatte ist nur nötig, um die gewöhnliche Nähmaschine für die Stickarbeit herzurichten, also eine Arbeit, die kaum eine Minute Zeit beansprucht. Das übrige muß allerdings die Fertigkeit der Arbeiterin tun, denn der Ausfall der Stickerei hängt wesentlich von der Geschicklichkeit der Nadelführung, dem Farbensinn und Geschmack der die Maschine Bedienenden ab. Die Kataloge der Fabrik lassen erkennen, welche hervorragenden Arbeiten in Stickereitechnik, im Kräuseln, Stopfen, Bandeinfassen, Soutachieren, Wattieren, in Hohlsaum- und Spachtelarbeit mit der Seidel & Naumann-Nähmaschine ausgeführt werden können. Es ist daher erklärlich, daß die Maschinen sich in heraus schneller Zeit eingeführt haben, obwohl sie, der präzisen Fabrikation und des vorzüglichen Materials wegen, den Preisrückgang anderer Fabrikate nicht mitmachen konnten. Die Käufer wissen sehr wohl, daß eine scheinbar teuere Maschine im Gebrauch schließlich die billigste ist und daß der etwas höhere Preis für diese Marke wohl berechtigt ist.
Die Seidel & Naumann'schen Nähmaschinen zeichnen sich überdies noch durch eine Reihe von Verbesserungen aus, die wertvoll für den Gebrauch sind. Eine solide Patent-Schwungradauslösung sichert den leichten Gang, während die Konstruktion der Spannungsscheibenauslösung das Nachziehen des Fadens erleichtert und das Brechen oder Biegen der Nadel dadurch verhindert. Der Patentspuler füllt die Spule in unübertroffener Gleichmäßigkeit, ohne Hilfe der Hand; der gleichfalls durch Patent geschützte Schiffchenauswerfer hebt das Schiffchen beim Zurückziehen des Schiebers selbsttätig aus dem Lager und vermeidet Reparaturen des Schiffchens. Der Faden wird in die obere Einfädelung und das Schiffchen nur einfach eingelegt, die Nadel kann durch den Patent-Nadeleinsatz leicht ersetzt werden, bleibt auch stets in der richtigen Stellung und kann nie verstellt werden. Auf besonderen Wunsch werden Vorrichtungen zum Versenken und Heben des Transporteurs sowie zum Vor- und Rückwärtsnähen angebracht. Im übrigen stellen sich die Maschinen in allen Teilen nicht nur als gut aussehend, sondern
auch als besonders haltbar dar, bedingt durch die Wahl des Rohmaterials, die Vermeidung der Abnutzung durch Härten der der Reibung unterworfenen Teile
und durch die praktischen, bewährten Konstruktionen der Einzelteile. Es wird keine Maschine geben, auf der ein so schöner, geperlter Stich, wie er für Fein- und Weißsteppereien erforderlich ist, oder eine gleich feine, elastische Naht erreicht wird.
Eine willkommene Beigabe bildet die patentierte Fußbank, die sich infolge ihrer hervorragenden Bequemlichkeit und ihrer Wichtigkeit für den Gesundheitsschutz außerordentlich gut eingeführt hat. Für ihre Vorzüge spricht nicht allein die weite Verbreitung in allen Teilen des Publikums, sondern auch die Tatsache, daß der Gedanke, eine derartige Fußstütze zu bieten, von andern Fabriken nachgeahmt worden ist. Die Vorteile der Seidel & Naumann'schen Fußbank werden allerdings damit nicht erreicht, denn keine andere Konstruktion ist so leicht in und außer Betrieb zu setzen und gestattet so vielfache Verwendung. Die Fußbank dient nicht allein als Stütze beim Nähen, indem sie ein Übereinanderlegen der Füße unnötig macht und den Fuß vor Ermüdung schützt, sondern sie ermöglicht auch, Vorarbeiten, wie Heften, Vernähen u. dgl., bequem vor der Maschine zu verrichten.
Das neueste Modellverzeichnis der Fabrik weist. mehr als 35 verschiedene Konstruktionen und Ausführungen von Nähmaschinen auf. Von der einfachen, jedermann zugänglichen Maschine bis zur luxuriös ausgestatteten Familienmaschine und den für den Handwerksgebrauch bestimmten Modellen sind alle Sorten vertreten. Spezielle Ausführungen für Kleider- und Weißnäherei, Wäschefabriken, Korsett- und Trikotwarenfabriken, Schäftefabriken usw. reihen sich solchen für schwere Schneider-, Konfektions- und Lederarbeiten, Militärwerkstätten, für Kürschner, Schuhmacher usw. an. Als besonders praktisch für den Haushalt haben sich die Schwingschiffchennähmaschinen E und die hocharmige Familiennähmaschine B bewährt. Sie zeichnen sich durch leichten, geräuschlosen Gang aus, haben leicht einfädelbare, dauerhafte Schiffchen, sind ilfolge ihrer einfachen Konstruktion überaus handlich und größter Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit. Für die Hausindustrie empfhiehlt sich die Grinschiffchennähmashcine D, die infolge besonders raschen Ganges und elastischen Stiches eine einträgliche Arbeitet ganrantiert, während für Herrenschneider die gröé Ringschiffmaschine C, die auch für beine Leder- und Portefeuillearbeiten bewährt ist, für Damenkonfektion, Schürzenindustrie usw. die Ringschiffchenmaschine H 4 und für schwerere Handwerkszweige die Maschinen Medium B und Titania B in Frage kommen.
Für die Fabrik hat das Mißverhältnis in den Zöllen die Folge gehabt, daß ein großer Teil des Exports eingeschränkt werden mußte. Dafür hat sich indessen das Inlandsgeschägt in erfreulichem Maße gehoben; die Nähmaschine dieser Fabrik ist ebenso beliebt geworden wie die anderen Produkte, das Fahrrad, die Schreibmaschine und der Geschwindigkeitsmesser.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 28]


ZEIT1908
THEMAFahrradproduktion
TEXTVor allem ist es das Germaniafahrrad, welches den Namen der Firma in neuerer Zeit über die Welt getragen hat. Nicht nur als reines Sportrad, sondern auch in dem täglichen Gebrauch als Verkehrsmittel, zur Gepäckbeförderung, im Heeresdienst u. a. hat sich diese Marke bewährt, so daß die Fabrikation, wie wir oben gesehen haben, ständig vergrößert werden mußte, um nur den Lieferungsverpflichtungen genügen zu können. Gegenwärtig ist die Herstellung der Fahrräder in einem im vorigen Jahre bezogenen Neubau untergebracht, dessen fünf Stockwerke sie einnimmt; zu dieser Abteilung gehört ferner eine besondere Löthalle.
In der letzteren, die wir zuerst betreten, werden die Rahmen, die im rohen Zustande aus dem Rahmenbau kommen, durch Tauchen gelötet und in Kästen mit Holzkohlenstaubfüllung langsam abgekühlt. Das Tauchbad hat sich als praktischer erwiesen als die vorherige Lötweise unter dem Gebläsebrenner, die daher nur noch in Spezialfällen angewandt wird. Nach dem Kühlen werden die gelöteten Stellen unter Sandstrahlgebläsen von dem Zunder gereinigt und sind dann zur weiteren Bearbeitung fertig.
Einen Teil der Löthalle nimmt die Härterei ein, die mit 14 Öfen arbeitet. Das Härten der starker Abnutzung oder Reibung ausgesetzten Teile kleiner und kleinster Dimensionen ist eine äußerst wichtige Teilarbeit im Fahrradbau; ihre genaue und sachgemäße Ausführung erfordert daher große Erfahrung und Gewandtheit.
Der Neubau der Fahrradfabrikation, den wir nun betreten, enthält im Kellergeschoß einen großen Saal, die Stanzerei und Zieherei, deren Maschinen wohl zu dem Vollkommensten gehören, was auf dem Gebiete des Werkzeugmaschinenbaues geleistet worden ist. Etwa 250 Maschinen sind hier für die Zwecke des Nähmaschinen- und Fahrradbaues, teilweise auch für die Schreibmaschinenfabrikation, im Betriebe, darunter 18 große Pressen, 7 Ziehbänke, 24 Automaten, n Balanciers, verschiedene kleinere Pressen, Drehbänke, Blechscheren u.a. Wir sehen hier, wie 4—5 cm starke Stahlstäbe auf Ziehbänken durch Matrizen gehen, welche sie für die weitere Bearbeitung glätten und genau rund ziehen. Auf andern Maschinen werden Stäbe und Stahldrähte durch ein System von drei, sich im spitzen Winkel kreuzenden Walzen geführt und durch die sich hieraus ergebende rotierende Bewegung gerichtet und geglättet. Diese Vorarbeit ist erforderlich, einesteils um die aus den Stäben usw. zu fertigenden Teile genau hersteilen zu können, andernteils auch weil die Automatenmaschinen haarscharf arbeiten und die Einführung fehlerhaften, ungleichstarken Materials nicht vertragen. Die Herstellung kleinerer Werkteile aus den Stahlstäben und Drähten, die wir soeben haben bearbeiten sehen,
geht auf den Automaten vor sich, die eine Sehenswürdigkeit des Etablissements bilden. Ein Teil der Maschinen bearbeitet gleichzeitig vier Stangen, ein anderer Teil eine Stange mit vier verschiedenen Werkzeugen. Die Bedienung Besteht lediglich in der Aufgabe von Rohmaterial und einer gewissen Arbeitskontrolle, ist aber derart einfach, daß der Arbeiter fünfzehn solcher Maschinen überwachen können. Die vierspindligen Automaten, die in verschiedenen Stärken vorhanden sind, tragen vier Materialhalter und acht verschiedene Werkzeuge, die gleichzeitig diese vier Stangen bearbeiten. Selbsttätig rückt dann die Maschine so aus, daß sich die vier Stäbe um eine Mittelachse drehen, worauf die Werkzeuge abermals, nunmehr aber die ihnen neu vorgeschobene Stange Stahl bearbeiten. In dieser Weise, indem die verschiedenen Arbeitsmethoden ineinandergreifen, entstehen unter der Arbeit des Automaten Lagerschalen für Fahrräder, Schrauben, Gewindeteile u.a. völlig ohne menschliches Zutun. Analog arbeiten die einspindligen Automaten, nur daß hier vier Werkzeuge Sich drehen und eins nach dem andern dieselbe Stahlstange bearbeiten. Die Arbeit geht in Wirklichkeit viel schneller und überraschender vor sich, als sie sich hier beschreiben läßt; ein einziger Automat stellt z. B. pro Tag 3—4000 Schrauben fix und fertig, mit Gewinde und Kopfschlitz, aus Stahl- oder Messingstäben her, und es ist interessant, zu beobachten, wie peinlich genau die einzelnen Werkzeuge ein- und ausrücken, wie nacheinander die verschiedenen Bearbeitungen vor sich gehen und in wenigen Sekunden die fertige Schraube zum Vorschein kommt. Dabei sind sämtliche Schneidewerkzeuge fortgesetzt unter Ölzufluß gehalten; das Öl sammelt sich in einem Behälter unterhalb der Maschine und wird von da, nach Reinigung durch ein Sieb, mittels Pumpe dem arbeitenden Werkzeug wieder zugeführt.
Hydraulische Pressen von 400 kg/qcm Druck stellen mit einem Hub aus einer Stange Kurbelwellen, Gabelköpfe usw. her. Ferner arbeiten in diesem Saal große Kaltsägen, Bohr- und Senkböcke, Schleifmaschinen u. a. an der Herstellung von Einzelteilen für den Fahrradbau.
Das Erdgeschoß dieses Gebäudes enthält die Fahrradfräserei, in welcher 280 verschiedene Werkzeugmaschinen in Tätigkeit sind, darunter etwa 90 Fräsmaschinen, 21 Automaten, 15 Bohrmaschinen mit bis zu 6 Spindeln, ca. 50 Drehbänke usw. Die Führungsbüchsen für Fahrräder, Naben und Achsen, Schrauben usw. werden hier gleichfalls auf Automaten hergestellt, die eine Leistungsfähigkeit bis 4000 Stück pro Tag haben und in ähnlicher Weise arbeiten wie die eben beschriebenen.
Eine äußerst vielseitige und interessante Tätigkeit zeigen die verschiedenen Fräsmaschinen, die Kettenräder, Schraubenschlüssel u. a. für den Fahrradbau hersteilen. Ein Kettenrad entsteht fast ausschließlich in der Fräsarbeit, und es sind teilweise recht kostspielige, eigenartige Werkzeuge, die hier zur Verwendung gelangen. 17 Räder und mehr werden gleichzeitig von einer Fräsmaschine mit Zähnen versehen; nacheinander schneidet das Fräswerkzeug die Zähne in die übereinander gelagerten Räder und automatisch rückt die ganze Lage um die bestimmte Breite weiter, während gleichzeitig der Fräser die neu dargebotenen Kranzflächen angreift. Wir sehen Fassonfräsen, die mit drei verschiedenen Instrumenten einen Fahrradteil gleichzeitig bearbeiten und ihm eine geschwungene Form geben, andere, die runde Teile vor- oder fertigfräsen, die Seiten der Kettenräder gleichzeitig bearbeiten und andres mehr. Das rasselt, bohrt und summt durcheinander, während die einzelnen Teile von Maschine zu Maschine wandern, bis sie diese Abteilung nach abermaliger scharfer Arbeitskontrolle verlassen und in den Rohbau kommen.
Dieser Teil des Betriebes, im ersten Stockwerk eingerichtet, weist ungefähr 80 der vollkommensten Maschinen auf, darunter noch mehrere Automaten, Fräsen, Drehbänke, Bohr- und Gewindeschneidemaschinen sowie Spezialvorrichtungen zum Montieren, der Hintergabeln und Nacken, zum Richten der Gestelle, Naben-und Achsenschneiden usw. Es werden hier die einzelnen Fahrradteile bis auf die Räder, die in der Radspannerei fertiggestellt werden, im Rohbau hergerichtet. 575 Teile gehören zu einem Fahrrad, so daß bei einer Tagesproduktion von 165 Fahrrädern, wie sie die Fabrik leistet, 94.875 verschiedene Einzelteile, zum Teil in Dutzenden von Operationen, durch den Betrieb laufen müssen. Darunter befinden sich neben den großen Stücken auch eine ganze Menge winziger Teilchen, die gleichwohl eine beachtenswerte Präzisionsarbeit erfordern und wichtige Rollen im Gesamtmechanismus spielen. Es ist daher erklärlich, daß nicht nur bei der Einzelarbeit, sondern auch im Rohbau und noch mehr später in der Montage jenes Maß von Genauigkeit und Kontrolle angewandt wird, das wir in allen Zweigen dieses ausgedehnten Betriebes bewundern und das allein die Herstellung eines einwandfreien, bewährten Fabrikats verbürgt.
Mit dem Fahrradrohbau verbunden ist eine eigene Schraubendreherei, die mit 85 Spezialmaschinen, darunter mehrere Automaten, große Revolver- und Schraubenbänke, Schleifmaschinen, Pedalhülsenböcke u. a. arbeitet und die unzählige Schrauben verschiedenster Größe und Form für den Fahrradbau herstellt.
Bevor wir die im Rohen fertiggestellten Teile des Fahrrades in die Montage- verfolgen, wenden wir uns nochmals nach dem Hauptbau, in dessen zweitem Obergeschoß die Radspannerei untergebracht ist. Sie ist mit etwa 40 Maschinen, Felgenbohrmaschinen Pressen, Räderzentriermaschinen, Bohrmaschinen, Schneid- und Senkapparaten ausgestattet, entsprechend der wichtigen Stelle, die sie im Fahrradbau einnimmt. Das Spannen des Rades, das richtige Zentrieren, damit das Rad nicht "schlägt" und die Speichen sich nicht verziehen, erfordert ein hohes Maß von Arbeitsgeschicklichkeit und Genauigkeit. Die Kontrolle ist deshalb hier besonders peinlich und es ist dadurch die Garantie geboten, daß kein Rad in die Montage gelangt, das nicht haarscharf genau läuft und aufs korrekteste ausgerichtet ist.
Die fertigen Räder gelangen nun wie die rohen Teile und die aus der schon vorher erwähnten Lackiererei gelieferten Stücke in die Montage, die den zweiten Oberstock des Fahrradgebäudes einnimmt. Hier wird das Fahrrad endgültig zusammengestellt, kleine Abweichungen im Gange oder in den einzelnen Teilen mit Hilfe der aufgestellten Spezialmaschinen beseitigt und schließlich eine genaue Endkontrolle vorgenommen, die erweisen muß, ob das Rad in allen Teilen richtig und leicht funktioniert und somit in Gebrauch gegeben werden kann. Die Fabrik darf es sich als Ruhm anrechnen, daß ihre Fahrräder in bezug auf Dauerhaftigkeit und Gang von keiner andern Marke übertroffen werden. Schon die regelmäßige Zuweisung größerer Aufträge von den deutschen Armeeverwaltungen beweist, welches Vertrauen man überall den Germaniarädern entgegenbringt, denn gerade die Militärräder werden einer sehr scharfen Probe unterzogen. Die Rahmen, Gabeln, Lenkstangenröhre und andre Teile müssen Belastungen bis zu 200 kg aushalten können, ohne sich zu verbiegen oder gar zu brechen; derartigen Anforderungen kann also nur ein Rad gewachsen sein, das in allen Teilen aus dem besten Material besteht und mit höchster Präzision gearbeitet ist. Die Aufnahme, welche das Germaniarad in allen Kreisen gefunden hat, und die weite Verbreitung, die es als Militärrad, für Sport-, Verkehrs- und Privatzwecke genießt, beweisen zur Genüge, daß nur bewährtes zuverlässiges Material von dieser Fabrik benutzt und nur beste Arbeit geliefert wird. Dabei war es der Firma infolge der hervorragenden maschinellen Einrichtung, die wir auf unserem Rundgang bewundert haben, und der vorgeschrittenen Technik möglich, trotz der erheblichen Steigerungen des Rohmaterials, der Löhne und Verbrauchsstoffe, Räder auf den Markt zu bringen, die bei billigerer Preisstellung das Höchste an Haltbarkeit, Gang und Ausstattung bieten, was der Kauflustige verlangen kann.
Das Fahrradlager, welches die dritte Etage des Fahrradgebäudes einnimmt, weist mehrere Spezialitäten auf, die es jedem ermöglichen, eine Auswahl nach seinen Verhältnissen zu treffen, ohne dabei Gefahr zu laufen, eine minderwertige Marke zu erhalten. So finden wir z, B. in dem Germaniarad 25 und 28 je ein Modell für Herren und Damen, wie es in dieser Ausstattung und Vortrefflichkeit zu ähnlichem Preise kaum anderweit geboten werden kann. Von der Konstruktion des Rahmens und der Gabel angefangen bis zum Pneumatik und den beigegebenen Werkgeräten ist das Rad ein Meisterstück der Technik und des Geschmacks, in der Solidität dem feinsten Luxusrad nicht nachstehend. In Tourenrädern, Rennern und Halbrennern bietet das Lager eine hübsche Auswahl von der einfachsten bis zur elegantesten Ausführung, die überdies nach den besonderen Wünschen der Besteller geändert werden kann. Die Erfolge, die auf Seidel & Naumanns Rennrad erzielt worden sind, gehen in die Hunderte; fast jeder Renntag bringt der Germaniamarke neue Siege und damit neue Beweise der vorzüglichen Konstruktion, die in diesen Rädern geboten wird. Die Ausstattung der Räder wird, soweit nicht spezielle Forderungen berücksichtigt werden müssen, in den üblichen Formen gehalten. Neun verschiedene Lenkstangenformen geben dem Besteller die Möglichkeit, ein für seine Zwecke passendes Modell auszuwählen; desgleichen steht in der Wahl der Übersetzung zwischen 124 und 240 cm (49—96 engl. Zoll) dem Käufer jede Freiheit zu. Sämtliche Räder können gegen eine geringe Mehrvergütung mit der bewährten Torpedo-Freilaufnabe mit Rücktritt-Innenbremse oder mit der Doppel-Torpedonabe in Verbindung mit Freilauf und Innenbremse, die zwei Geschwindigkeiten zuläßt, versehen werden. Die Räder sind mit den bewährtesten Pneumatiks, Continental, Excelsior, Union usw. bereift und werden ab Fabrik mit praktischer Werkzeugtasche, den nötigen Hilfsinstrumenten, aber ohne Glocke und Laterne geliefert. Für die gelieferten Räder übernimmt die Fabrik die gesetzliche Garantie dergestalt, daß nachweisliche Material- oder Arbeitsfehler innerhalb der Garantiezeit kostenlos durch die eigene Reparaturwerkstatt beseitigt werden. Selbstredend fällen Schäden, die durch Sturz, Abnutzung oder mißbräuchliche Behandlung des Rades entstehen, nicht unter diese Garantie.
Reparaturen, die in jedem Falle am zweckmäßigsten durch die Fabrik ausgeführt werden, auch wenn es sich nicht um Garantieschäden handelt, werden in einer Reparaturwerkstatt vorgenommen, die für ihre Zwecke mit 12 verschiedenen Spezialmaschinen ausgerüstet ist. Die Besitzer von Rädern dürfen auch hier überzeugt sein, daß das Möglichste geschieht, um ihr Interesse zu wahren, und daß es daher empfehlenswerter ist, die Kosten für den Hin- und Rücktransport in die Fabrik zu tragen, als das Rad irgendeinem ungeübten Manne anzuvertrauen, der vielleicht den Schaden vergrößert anstatt ihn zu bessern. Leider wird auf die Instandhaltung der Fahrräder, die doch recht penible Uhrwerke darstellen, nicht immer die genügende Sorgfalt seitens der Besitzer verwandt; könnten sie sehen, welche Unsumme von Arbeit und Präzision dazu gehört, um eine einzige Maschine zusammenzustellen, so würden sie wahrscheinlich besser verstehen lernen, daß ein Fahrrad um so dauerhafter ist, je besser es instandgehalten wird. Den besten Beweis dafür liefern die alten Kunden der Fabrik, die ihre Räder bei sachgemäßer Behandlung 20 Jahre benutzen, ohne größere Reparaturen daran vornehmen zu müssen
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 44]


ZEIT1908
THEMAStanzerei und Presserei
TEXTDie Stanzerei arbeitet mit einer Anzahl neuartiger Pressen, die ebenfalls eine hohe Leistungsfähigkeit aufweisen. Indessen werden hier außer Fahrradteilen auch Einzelteile für Näh- und Schreibmaschinen hergestellt. In einer Minute entstehen hier z. B. auf einer Stanze 90 Typenhebel für die Schreibmaschine, auf einer andern Stichplatten für Nähmaschinen u. a. Auch diese Stanzen arbeiten automatisch; das Rohmaterial — starkes Stahlblech — wickelt sich von einer Trommel selbsttätig ab, während das ausgeschnittene Blech sich nach Verlassen der Presse auf. einer andern Trommel wieder aufrollt. Der Abfall ist hier naturgemäß sehr reichlich und beträgt bei manchen Teilen bis zu 30 %.
Die gestanzten Teile, die unter der Wirkung der Stanzen etwas konvex erscheinen und erhabene Schnittflächen zeigen, kommen unter die Pressen, in welchen sie glattgedrückt werden. Alsdann erfolgt ihre weitere, teilweise recht komplizierte Bearbeitung. Ein Schreibmaschinentypenhebel z. B. geht durch eine Reihe von mindestens 30 bis 35 Maschinen und Arbeiterhänden, bis er zum Einbau in die Maschine fertig ist. Hier werden die gestanzten und gepreßten Scheiben zusammengebogen, vernietet, dort fertig gefräst, gebohrt, geglättet, von Graten befreit und noch einer weiteren Reihe von Operationen unterzogen, die sich nicht einzeln aufzählen lassen. Dazwischen geht jedes Stück noch mehrmals durch Kontrollen mittelst Leer- und Meßgeräten, denn der Typenhebel ist in der Schreibmaschine derjenige Teil, der am meisten in Anspruch genommen wird und der deshalb auch besonders genau und dauerhaft herausgearbeitet werden muß. Wenn man allerdings beachtet, mit welcher Sorgfalt hier jeder noch so kleine Teil wieder und wieder bearbeitet und geprüft wird, nimmt man die Überzeugung mit, daß die "Ideal"-Schreibmaschine, das "Germania"-Fahrrad und die Seidel & Naumann-Nähmaschine im Gebrauch solide und haltbar sein müssen.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 46]


ZEIT1908
THEMAGeschwindigkeitsmesser-Bau
TEXTAuch bei dieser kleinen Präzisionsmaschine, die aus 435 Teilen besteht, so daß bei einer Tagesproduktion von 12 Stück 5220 Einzelteile die Werkstätten passieren, handelt es sich um die Leistung einer Arbeit, die sowohl ihrem Aufbau nach, wie in jeder ihrer Phasen Bewunderung verdient. Die geistreiche Kombination eines Zeit- und Wegemessers, wie sie sich in dem nach System Haußhälter gebauten Geschwindigkeitsmesser mit zwangläufiger Bewegung zum Anzeigen und Aufzeichnen der Lokomotivengeschwindigkeit darbietet, hat denn auch seit ihrem ersten Auftauchen die allgemeine Anerkennung gefunden. Weit über 30.000 Stück sind seit der Aufnahme der Fabrikation für den regelmäßigen Dienst der deutschen, österreichischen, russischen, französischen, italienischen, Schweizer, bulgarischen, serbischen, türkischen, skandinavischen, spanischen, portugiesischen, neuerdings selbst der englischen und amerikanischen Eisenbahnen geliefert worden. Allein während des russisch-japanischen Krieges wurden 150 Messer für die sibirische Bahn bezogen, deren vorzügliches Funktionieren seitdem regelmäßig Nachbeorderungen im Gefolge hatte.
Die in ihrer Art einzig darstehenden Erfolge dieses Instruments sind in erster Reihe der einfachen und dabei kräftigen Bauart, der äußerst peinlichen mechanischen Ausführung und der handlichen Bedienui zuzuschreiben. Die der Konstruktion innewohnenden Vorzüge: unbedingte Zuverlässigkeit der Angaben bei großen und kleinen Fahrtgeschwindigkeiten, bei leichter Unterhaltung und der Möglichkeit, die Prüfung der Angaben nachträglich vorzunehmen, kommen erst durch die hier geleistete Feinarbeit zur richtigen Geltung.
Die Werkstätten für den Messerbau sind in der vierten Etage des Hauptgebäudes untergebracht. Sie bestehen aus der Vormontage der Einzelteile, die in den Werkstätten der andern Abteilungen im rohen mitbearbeitet werden, der Fertigmontage und dem Abnahmeprüfraum. Etwa 35 Werkzeugmaschinen, darunter 2 Schnellbohrmaschinen, 2 Gewindeschneidmaschinen, 14 Drehbänke, Metallsägen usw. dienen der Fertigstellung der handlichen Apparate, die eine ganze Reihe von genau arbeitenden Uhr- und Zeigerwerken in sich schließen. Die Prüfung erfolgt auf einer besonderen Prüfbank bei den verschiedensten Geschwindigkeiten, und es ist erstaunlich, wie der kleine Apparat auf die geringste Änderung der Umdrehschnelligkeit reagien und die Aufzeichnungen, die auf einer automatisch vorrückenden Tabelle durch Registriernadel erfolgen, jederzeit die Kontrolle ermöglichen, ebenso wie das die Kilometerzahl anzeigende Gangwerk. Haarscharf greift Rädchen in Rädchen, Zahn in Zahn, und augenblicklich weist das Zeigerwerk die veränderte Fahrtgeschwindigkeit nach, so daß der Lokomotivführer sowohl jederzeit die Schnelligkeit nachprüfen, wie der Revisionsbeamte sich nachträglich von der Zeit und Schnelligkeit, in welcher eine Strecke durchfahren worden ist, überzeugen kann.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 54]


ZEIT1908
THEMASchreibmaschinenbau
TEXTDie Schreibmaschine "Ideal", die schon bei ihrem ersten Auftreten am Markte allgemeines und berechtigtes Aufsehen erregte, weil sie in ihrer ganzen Konstruktion bisher unbekannte technische Vollkommenheiten bot, ist in der Tat eine Maschine, die ihrem Namen Ehre macht und sich als das Ideal der Schreibmaschinen darstellt. Seit ihrer Einführung, also in kaum acht Jahren, sind über 50.000 dieser Maschinen in den Handel gekommen, so daß es heute kaum eine größere deutsche Stadt gibt, in welcher sich nicht Behörden, Rechtsanwälte, kaufmännische und technische Bureaus mit Vorliebe der Ideal-Maschine bedienen, ungerechnet die vielen Abnehmer im Auslande, für welche die Maschine mit entsprechender Tastatur regelmäßig geliefert wird.
Ihre überraschend schnelle Einführung als Maschine deutscher Fabrikation verdankt die "Ideal" vor allem den vielen Vorzügen, die sie aufweist und die sie trotz der bekannten Vorurteile gegen heimische Fabrikate sofort über alle gleichzeitig auftauchenden Systeme erhob. Die Ideal hat bei der allen Seidel & Naumann'schen Fabrikaten eigenen Solidität im Bau und größter Haltbarkeit eine Vielseitigkeit in der Verwendung aufzuweisen, die sie für jeden Beruf unentbehrlich gemacht hat. Dauernd sichtbare Schrift, größte Bequemlichkeit in der Handhabung, höchste Schreibschnelligkeit und außerordentliche Durchschlagskraft sind einige von diesen Vorzügen. Die Maschine erfüllt alle die Anforderungen, die man an eine für den stärksten Gebrauch bestimmte Schreibmaschine nur stellen kann, und es unterliegt daher keinem Zweifel, daß sie in der Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird, je mehr man sich in Deutschland von der Vorliebe für amerikanische Maschinen, die sich auch in der. Tastatur der deutschen Sprache so wenig anpassen, befreien wird. Die Buchstabenanordnung der Ideal ist derart, daß sie nicht allein für die deutsche, sondern auch fremdsprachliche Korrespondenz am leichtesten brauchbar ist, so daß die Idealtastatur bereits auch für andre Systeme vorbildlich geworden ist und fremde Schreibmaschinen ausdrücklich mit dieser Tastenanordnung verlangt werden.
Im übrigen bindet sich die Maschine nicht einzig an diese Universaltastatur, sondern kommt durch Vorhaltung verschiedener Polyglottanordnungen und Berücksichtigung aller Wünsche der Kundschaft dem Bedarf weitmöglichst entgegen. So finden sich hier allein über 150 verschiedene deutsche Tastaturen, solche für ungarisch, polnisch, böhmisch, französisch, englisch, russisch usw., selbst für Esperanto. Eine einzig dastehende Konstruktion dürfte dabei die Idealpolyglott Nr. 2 bilden, die bei nur zwei Umschalttasten über 126 Zeichen verfügt, mit denen 205 Buchstaben- und Zififernkombinationen dargestellt werden können, so daß es möglich ist, auf dieser Maschine, ohne Auswechslung irgendwelcher Teile, deutsch, russisch, polnisch, lettisch, französisch, englisch und Esperanto zu schreiben. Der Typensatz enthält außerdem die arabischen und römischen Ziffern, die Interpunktionszeichen und die verschiedenen Auszeichnungen, wie %§/£&.. u. a., er gestattet also eine unerreichte Mannigfaltigkeit im Schreiben, und die Polyglottmaschine dürfte sich für Bureaus mit bedeutender fremdsprachlicher Korrespondenz, Banken usw. als außerordentlich wertvoll erweisen. Es sind hierfür verschiedene Tastaturen in Romanschrift vorrätig: Eine Ausführungsform, mit welcher deutsch, russisch, lettisch, französisch und englisch geschrieben werden kann, zeigt folgende Klaviatur.
Weitere Klaviaturen beliebiger Kombination, darunter eine in russisch-hebräischer Schrift, sind vorhanden. Die erstgenannte bietet 135 Zeichen, und zwar das vollständige russische Alphabet in kleinen und großen Buchstaben, die römischen und arabischen Ziffern, Brüche Interpunktions-, kommerzielle, arithmetische und metrische Zeichen, sowie Auszeichnungen, also ebenfalls eine Kombination, die von keinem andern System erreicht wird.
Fünf verschiedene Schriften in je zwei Stellungen, eng und weit, sind für die deutschen und romanischen Sprachen vorgesehen, nämlich Perlschrift, Pica, Kursiv, Medium, Roman; dazu kommen die verschiedenen Ausführungen der russischen Typen, in denen allerdings eine sehr große Mannigfaltigkeit vorherrscht, so daß die Fabrik genötigt ist, speziell für russisch eine große Auswahl in Typen zu halten. Was die Ideal ferner so wertvoll macht, ist die sehr große Arbeitsbreite, welche die Maschine aufweist. Die gewöhnlichen Modelle gestatten bereits die Verwendung von Papierformaten bis zu 26 1/2 cm Breite bei 20 1/2 cm Schreibbreite. Es werden jedoch Maschinen mit folgenden anderen Breiten gebaut:
Wagen von 30 cm Länge für Papierbreiten bis 30 cm, Schreiblinie 24 1/2 cm.
Wagen von 37 cm Länge mit 33 cm Schreiblinie. Derartige Maschinen sind mehrfach an verschiedene Ministerien, an die Kanzlei des Kaisers von Österreich, an die Kgl. Eisenbahndirektion Altona und andere Behörden, Firmen usw. geliefert worden und eignen sich besonders zum Beschreiben großer Formulare, Policen usw.
Wagen von 45 cm Länge, bei 41 cm Schreiblinie, der einen Bogen Reichsformat aufgeschlagen aufnimmt. Diese Maschinen werden besonders von Zivil- und Militärbehörden, statistischen Bureaus usw. benutzt. Wagen von 60 cm Länge, bei 56 cm Schreibbreite, speziell für Kontokorrente der Banken u. a.
Den Maschinen wird auf Wunsch ein Ideal-Dezimalstellentabulator beigegeben, mit welchem sich alle Arten von Arbeiten in Kolonnen- und Listenform ebenso schnell ausführen lassen, als in gewöhnlicher Schreibweise. Mit der Einführung dieses Tabulators ist die Fabrik einem tiefgefühlten Bedürfnis entgegengekommen. Je mehr man dazu überging, die Schreibmaschine auch für die Ausfüllung von Rechnungen, Tabellen, Kostenanschlägen, Kontokorrenten, statistischen Aufstellungen usw. zu benutzen, desto stärker wurde die Nachfrage nach einem Tabulator, der die sichere und schnelle Aufarbeitung des Zahlenmaterials gestattet. Ähnliche Zwecke sollen bereits die vielfach üblichen Kolonnensteller erfüllen, die aber dem Wagen nur gestatten, von einem festen Punkte zum andern zu springen. Der Idealtabulator stellt dagegen durch einen einfachen Fingerdruck automatisch die Zahlen in Kolonnenform genau untereinander, Einer unter Einer, Zehner unter Zehner usw., so daß er eine viel reichhaltigere Anwendung gestattet, wie sie bisher bei andern Maschinen noch nicht erreicht worden ist.
Fassen wir die vielen Vorzüge, durch die sich die Idealschreibmaschine auszeichnet, zusammen:
Sichtbare Schrift, die vom Schreiber jederzeit beobachtet werden kann, wie auch seine Stellung zur Maschine ist.
Gleichmäßiger, elastischer und daher nicht ermüdender Tastenanschlag.
Einfach ersetzbares und handliches, dabei sehr ausdauerndes Farbband, sicheres Funktionieren der Färbung und leichte Ausführbarkeit mehrfarbiger Schrift.
Leichte, aber widerstandsfähige Typenhebel aus bestem U-Stahl, die in separaten Lagern liegen, daher leicht eingesetzt oder herausgenommen werden können, vorzügliche Funktion der Hebel, die sich weder verbiegen noch brechen können und infolge ihrer sinnreichen Anordnung einen viel kräftigeren Anschlag, eine stärkere Durchschlagskraft ergeben als bei andern Systemen. Dreifache Zeilenschaltung durch automatisches, bequemes Einstellen eines einfachen Hebels.
Unbedingte Zeilengeradheit, die durch die normale Richtung und spezielle Führung der Tasten und Typenhebel gesichert und durch den Typenführer am Anschlagspunkt verbürgt ist, auch durch stärkere Papierauflagen nicht beeinträchtigt werden kann. Leichte Reinigung der Typen, die für den Schreiber frei und bequem erreichbar liegen. Leichte Beweglichkeit des Wagens, der teilweise auf Kugeln läuft, bequem abnehmbar ist und die höchste Schreibschnelligkeit gestattet, ohne die Schrift zu beeinträchtigen. Sinnreiche Absperrung der Tastenhebel, um das Weiterschreiben über den Rand hinaus zu verhüten.
Praktischer Randteller, links und rechts, der bequemes Anbringen von Randbemerkungen gestattet. Erprobtes Tastenbrett mit 84—90 Zeichen bei nur 42 Tasten. Automatischer Rücktransport des Wagens für Korrekturen und Additionen, und nicht am wenigsten die solideste, mit äußerster Sorgfalt durchgeführte Konstruktion der Maschine in allen ihren Teilen, die Wahl nur bester Rohmaterialien, die einfachen, nur geringe Reibung verursachenden Bewegungen, die bequeme Handhabung und die durch diese Vorteile bedingte unbegrenzte Haltbarkeit. Betrachten wir also alle diese Vorzüge, so müssen wir zu dem Ergebnis kommen, daß die Idealmaschine die zweckentsprechendste, beste und praktischste Maschine sowohl für den Kaufmann, Industriellen, Buchhalter, Architekten, Schriftsteller, wie für den Beamten, für die Behörden, die Justiztätigkeit, kurzum für jeden Beruf ist, der die schnelle und korrekte Bewältigung schriftlicher Arbeiten verlangt. Daß diese Vorzüge bereits in der kurzen Zeit seit Einführung der Maschine in den deutschen Markt anerkannt worden sind, beweist die Verbreitung in den verschiedensten Wirkungskreisen. Wir finden u.a. im Gebrauch:
über 400 Maschinen "Ideal" bei der deutschen Heeres- und Marineverwaltung,
über 100 bei der A.-G. Friedrich Krupp,
über 100 bei den preußischen Staatseisenbahnen,
über 75 bei deutschen Gerichten,
über 60 bei städtischen Behörden Dresdens,
über 60 in der Kaiserlichen Offiziersmesse Moskau
über 55 beim Chemischen Laboratorium Lingner, Dresden,
ferner mehr als 20 Maschinen beim Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat Essen, bei den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Elberfeld, bei der Deutschen Bank Dresden, beim Ackerbauministerium Budapest, bei den Badischen Staatseisenbahnen, den Berliner Städtischen Fortbildungsschulen usw., und eine weitere große Anzahl bei den bedeutendsten Firmen des In- und Auslandes, beim Kriegsministerium in Wien, im Herrenhaus in Berlin, beim Magistrat Königsberg i. Pr., auf der Hochschule in Danzig, der Kaiserlichen Gouvernementswerkstätte in Tsingtau usw. usw.
Die tägliche Produktion der Fabrik in Schreibmaschinen beträgt 40 Stück. Da zu jeder 2116 Einzelteile gehören, so machen täglich 84.640 Teile den langen Weg durch die Fabrikation, die von Anfang an Klein- und Präzisionsarbeit ist. Das geheimnisvolle Triebwerk einer Schreibmaschine, deren Teile bei kleinsten Ausmaßen eine tägliche Kraftleistung zurücklegen, die, in Zahlen ausgedrückt, Staunen erregen muß, bedarf eines besonders kunstvollen und dabei dauerhaften Aufbaues. Man kann annehmen, daß in einer Stunde Schreibarbeit auf der "Ideal" etwa 300.000 Bewegungen einzelner Teile ausgelöst werden; daraus folgt allein schon, welchen Anforderungen die kleinen Teilmechanismen einer für lange Jahre berechneten Schreibmaschine genügen müssen. Für den Schreibmaschinenbau ist im Werk Seidel & Naumann ein besonderer Gebäudeblock reserviert. Das Kellergeschoß dieses Gebäudes wird von der Lackiererei, deren Arbeiten wir schon oben gesehen haben, und der Fräserei eingenommen. Die letztere arbeitet mit über 300 verschiedenen Werkzeugmaschinen, hauptsächlich Fräsen, Bohrmaschinen, Drehbänken, Spindelbänken, Gewindeschneidmaschinen u. a., deren einzelne Leistungen wiederum unsre Beachtung verdienen. Mit der Präzision, die für die Herstellung der Schreibmaschinenteile erforderlich ist, bringen die verschiedenen, teilweise automatischen Fräsen die rohen Werkstücke in die vorgeschriebene Form, und während wir dem Betriebe zusehen, entstehen die Rahmen für die Maschine, die Wagenführungen u. a. unter den scharfen Instrumenten der Maschinen, die den zähen Stahl hobeln und fräsen, als wäre er weiches Holz. Ebenso sicher und schnell arbeitet die Drehbank und die Bohrmaschine, die wir hier in zahlreichen, teilweise recht umfangreichen Exemplaren vertreten finden und die in ihren Leistungen sich ergänzen, so daß die Teile hier vor-, dort fertiggearbeitet werden.
Die endliche Fertigstellung der Einzelteile erfolgt dann in der Schreibmaschinen-Teilarbeit, in den im ersten und einem Teil des zweiten Oberstocks dieses Gebäudes gelegenen Sälen. Wiederum sehen wir hier etwa 30 Maschinen in Tätigkeit, darunter solche, die mehrere Arbeiten gleichzeitig ausführen. Das Ausrichten der Rahmen wird z. B. auf einer Bohrbank besorgt, die gleichzeitig an genau vorgeschriebenen Stellen Löcher in den Rahmen bohrt und Gewinde einschneidet. Die Bedienung der Maschine ist dabei, da die Rohteile in den Bohrrahmen genau hineinpassen, sehr einfach, und der Arbeiter hat lediglich auf die Beschaffenheit des Materials zu achten, da Stücke mit irgend einem, wenn auch kleinen Fehler, nicht weitergegeben werden dürfen. Wir finden in dem Abfallager auf den Höfen bearbeitete Teile, die uns wohl brauchbar dünken, die aber wegen eines Fehlers sofort aus der Weiterbearbeitung entfernt worden sind und daher nur noch den Wert alten Metalls haben.
Um die Genauigkeit der Arbeit gewährleisten zu können, findet auch hier eine fortgesetzte Betriebskontrolle statt. Die aus der Bearbeitung hierher gelangenden Teile werden zunächst auf rotierenden Kupferscheiben gerichtet, eine Arbeit, die zwar keine besonderen Vorkenntnisse, aber Gewandtheit erfordert. Auch die Typenhebel, deren schwierige, exakte Bearbeitung wir bereits in der Stanzerei beobachtet haben, gehen hier nochmals durch verschiedene Hände, damit das kleine und doch so wichtige Teilchen der Maschine nirgends eine Unebenheit zeigt, die im Einbau oder bei der Bewegung stören könnte. In diesem Saal wird auch ein Teil der Typenfabrikation erledigt; der Hauptteil dieser umfangreichen Arbeit liegt dagegen einer speziellen Werkstatt ob. Jede Maschine, die wir hier laufen sehen, hat eine besondere, interessante Arbeit zu verrichten. Die Zahl der Werkzeuge, die als Fräsen, Drehspindeln usw. Verwendung finden, ist daher eine sehr große und es befinden sich darunter wiederum Teile, die einen hohen Wert darstellen, nicht allein ihrer kostspieligen Herstellung wegen, sondern auch wegen der Genauigkeit, mit der sie arbeiten müssen. Die geringste Abnutzung, die kleinste Veränderung eines Fräsrades z. B. würde es für den Gebrauch untauglich machen, denn die von ihm bearbeiteten Teile können niemals genau werden und es kommt beim Schreibmaschinenbau auf Bruchteile von Millimetern an. Ebenso groß wie das Lager von Werkzeugen ist aber auch der Vorrat an Lehren, mittelst deren die fortschreitende Bearbeitung der Einzelteile jederzeit kontrolliert werden kann. Ihre Instandhaltung erfordert besondere Sorgfalt, ihre Herstellung das beste, Veränderungen am wenigsten unterworfene Material. Aus der Teilarbeit, die in höchstem Maße eine Präzisionsarbeit ist, gelangen die Teile in die Nickelei und Schwabbelei und von dort in das Teillager, soweit sie nicht andre Wege, z. B. die Rahmen den über die Lackiererei, zu passieren haben. Im Teillager kommen jedenfalls alle Teile der Maschine zusammen. Von den winzigsten Federn und Schrauben angefangen bis zum Rahmen und den Walzengestellen liegt hier der gesamte Vorrat an Einzelteilen in Kästen und Fächern aufgestapelt, jederzeit kontrollierbar, jederzeit erreichbar und wiederum mit gewissenhaftester Ordnung im Lagerbuch und auf Tafeln an jedem Fache aufgezeichnet, so daß kein Stück ungesehen herein- oder herausgeht. Von hier aus empfängt die Montageabteilung die Zubehörteile, um die Maschine zusammenzustellen. Von hier aus werden auch die Holzgestelle der Walzen zunächst zur Herstellung der Kautschukauflage fortgegeben und dann wieder auf Lager genommen. Die Gummiwalzen werden dann mit den Köpfen versehen und in die Montage weitergegeben. In dieser Abteilung, die den zweiten Oberstock des Schreibmaschinengebäudes einnimmt, wandern nunmehr die Teile von Hand zu Hand, derart, daß an dem einen Ende des Saales die Montage der Einzelmechanismen beginnt und die Arbeit schrittweise fortgesetzt wird, bis am andern Ende die Maschine, bis auf das Bodenbrett fertig, dasteht.
Sind die Maschinen Schritt für Schritt durch die Arbeitsgruppen gegangen bzw. in ihnen entstanden, so kommen sie in die darüber gelegene Justage. Hier wird eine ergiebige Kontrolle der Einzelmechanismen, eventuell die Berichtigung vorkommender Fehler, vorgenommen und die Maschine von besonders geschulten Monteuren eingeschrieben. Sie wäre nunmehr bis auf die Zubehörteile fertig, indessen genügt der Fabrik auch diese scharfe Kontrolle noch nicht. Die Maschinen kommen vielmehr erst in einen besonderen Prüfraum, wo mehrere geübte Maschinenschreiberinnen sie in einer dem praktischen Arbeitsgebrauch entsprechenden Weise benutzen, wobei sie auf jede Unregelmäßigkeit im Gange der Maschine oder einzelner Teile zu achten haben. Mit einem Zettel, auf dem die beobachteten Fehler, eine schiefstehende Type oder dergleichen notiert sind, geht die Maschine darauf an Monteure, die aus den besten und erfahrensten Justierern herangebildet sind. Diese nehmen die notwendigen Nachstellungen vor, sofern nicht die Maschine größere Fehler aufweist, die ihre Rückgabe an die Montageabteilung erforderlich machen. Es besteht also eine unbedingte Gewähr dafür, daß keine Maschine die Fabrikation verläßt, die nicht auf das allergenaueste durchprobiert und in allen Teilen für tadellos befunden worden ist. Erst wenn sich unzweifelhaft herausgestellt hat, daß die Maschine nach Vorschrift funktioniert und für den praktischen Gebrauch ausreichend ist, wird sie durch Aufbringen der Schutzbleche und Anschrauben des Bodenbretts fertigmontiert, nochmals von einem Monteur revidiert und, mit einer ledernen Schutzkappe versehen, auf Wagen in die Packerei abgeliefert. Einen besonderen Teil des Schreibmaschinenbaues bildet die Typenfabrikation, die in einer besonderen Abteilung des Fabrikgebäudes ihren Sitz hat. Die Auswahl der Typen wie die Möglichkeit der Kombination ist eine außerordentlich ausgedehnte. Wir erwähnten schon, daß allein in der deutschen Tastatur mehr als 150 verschiedene Anordnungen existieren; noch größer ist die Auswahl russischer Alphabete. Die vielfachen Kombinationen entstehen dadurch, daß von den üblichen Handels- und Auszeichnungszeichen nur einzelne dem Typensatz einverleibt werden können; dem Besteller ist es aber für seinen besonderen Gebrauchszweck erwünscht, daß das Zeichen M und Pf fehlen bleibt und dafür £, $ u a. eingefügt werden. Andere wünschen arithmetische Zeichen, Akzente, besondere Ligaturen o. dgl. Alle diese Sonderwünsche bedingen eine andre Anordnung der Typen, von von denen je zwei auf einen Fuß angeordnet sind, da die "Ideal"-Maschine mit einer Umschaltung arbeitet. Hinzu kommt, daß auch in den Schriftgattungen mitunter Änderungen verlangt werden, namentlich für Rußland, wo Zierschriften beliebt sind, so daß die Typenfabrikation, außer mit der Herstellung der regulären Schriften, tagtäglich mit der Anfertigung neuer Sätze und Einzeltypen beschäftigt ist. Die gravierten Typenplättchen werden sorgfältig geprüft, von etwaigen Unebenheiten und Graten befreit und ihnen eine den "Ideal"-Typen eigentümliche Schrägfläche auf besonderen Maschinen, die sechs bis acht solcher Plättchen gleichzeitig aufnehmen, angefräst. Dann kommen sie in die Härterei und Typenmontage, wo sie den Typenhaltern aufgelötet, vernietet und glatt geschliffen werden. Die so fertiggestellten Teile gelangen dann in die Schreibmaschinenmontage zum Einbau in das System. Ein ähnliches Lager bilden die verschiedenen Systeme von Tastenaufschriften, die auf Kartonpapier in Steindruck hergestellt werden und ebenso mannigfaltig sortiert sind wie die Typen. In der Schreibmaschinenteilarbeit werden diese Aufschriften ausgestanzt, mit einer Pappunterlage, die ebenfalls auf Stanzen hergestellt wird, auf die Drucktasten montiert und mit einer kleinen Glasscheibe in Metallfassung bedeckt. Die so hergestellte Taste gewährt nicht nur einen besonders weichen, elastischen Anschlag, sondern ist auch gegen Abnutzung der Schrift, Stoß und Beschädigung am besten geschützt. Außerdem lassen sich die Tasten leichter sauber halten, als die in andern Systemen üblichen Holz- oder Gummitasten mit aufgemalter Schrift.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 59]


ZEIT1908
THEMAFabrik allgemein
TEXTDie Fabrikationsräume werden ergänzt durch die an verschiedenen Stellen eingerichteten Magazine und Lagerräume für Rohmaterialien, Holz und Kohlen, Halbfabrikate und Fertigteile, Kisten, Packmaterial usw. Diese Vorräte umfassen ebenfalls einen beträchtlichen Wert. Neben jeder Betriebsabteilung ist eine Meisterstube eingerichtet, außerdem eine Werkzeugausgabe, die mit der Werkzeugmacherei in unmittelbarer Verbindung steht, so daß auch hierin eine bestimmte Kontrolle herrscht. Die Fabrikgebäude sind durchweg mit Berücksichtigung der neuesten Anforderungen hinsichtlich Feuersicherheit, Hygiene, Luft und Licht errichtet. Die Beleuchtung erfolgt durchweg durch elektrisches Licht, die Heizung durch Dampf. Mehrere elektrisch betriebene Fahrstühle vermitteln den Lastenverkehr zwischen den einzelnen Stockwerken; eine Gleisanlage von etwa 1 km Länge mit Weichen und Drehscheibe stellt den direkten Anschluß der Fabrik an die Staatsbahn zwecks Heranbeförderung der Rohmaterialien und Abfuhr der Güter her. Elektrisches Licht bedient auch die vorzüglichen Lichtpauseinrichtungen, mit denen das technische Bureau arbeitet, und die angegliederte photographische Anstalt, in denen Modellaufnahmen für Offerten und Kataloge, Werkzeichnungen usw. hergestellt werden. Ein Fabriktelephon mit 65 Stationen, die von einer eigenen Zentrale bedient werden, besteht für den Verkehr zwischen den Bureaus und den verschiedenen Werkstätten, dem Direktionszimmer usw., während drei Amtsleitungen die Verbindung mit dem Postnetz herstellen. Schließlich ist eine eigene Feuerwehr, 15 Mann stark, vorhanden, die, bestens uniformiert und ausgerüstet, durch wöchentliche Übungen schlagfertig erhalten wird und ständige Wachen für die Werkstätten stellt. Durch diese Maßnahme sind bereits wiederholt Brände — u. a. erst vor kurzem eine Entzündung von Staub — rechtzeitig bemerkt und im Keime erstickt worden, ehe sie Schaden anrichten konnte. Außerdem ist auf jedem Treppenflur ein Hydrant mit ausreichendem Schlauchmaterial untergebracht.
Die gegenwärtige Ausdehnung der Fabrik und ihrer Tätigkeit wird sich in anschaulicher Weise durch einige statistische Daten und Aufzeichnungen belegen lassen. Zahlen pflegen im allgemeinen eine deutliche Sprache zu sprechen; die Angabe, daß heute 150 kaufmännische und technische Beamte neben rund 2700 Arbeitern in der Fabrik beschäftigt sind, bietet daher bereits einen Beweis für die Größe des Unternehmens.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 17]


ZEIT1908
THEMAPersonal, Sozialwesen
TEXTEs fällt angenehm auf, daß in den ganzen vierzig Jahren des Bestehens größere Schwankungen in der Arbeiterzahl nicht vorkommen, woraus hervorgeht, daß das Werk bisher lediglich eine konstante Aufwärtsbewegung durchgemacht hat. Selbst die für die Fahrradindustrie ungünstigen Jahre kommen hier, im Gegensatz zu andern Fabriken, nicht in einer Verminderung der Arbeiterzahl zum Ausdruck, da gleichzeitig durch den Ausbau der andern Fabrikationszweige, Aufnahme des Schreibmaschinenbaues usw. ein Ausgleich geschaffen wurde. Auch in dieser Zeit weist also der Arbeiterstand ein allmähliches Steigen auf. Im übrigen bedarf die Aufstellung keiner weiteren Erläuterung.
Wie jedes Industriezentrum bietet auch Dresden das Bild einer vollkommenen Dezentralisation der Arbeiterwohnungen. Den meisten Arbeitern ist es unmöglich, in der Nähe des Beschäftigungsortes zu wohnen; teilweise empfiehlt sich auch die Verlegung des Wohnsitzes nach Außenorten aus gesundheitlichen und ökonomischen Rücksichten, sofern geeignete Verbindungen oder Verkehrsmittel bestehen. Wie die Karte zeigt, erstreckt sich nun aber der Umkreis, in welchem Arbeiter der Fabrik Seidel & Naumann wohnen, über eine verhältnismäßig weite Entfernung von der Arbeitsstätte. Mehr als 60 Ortschaften um Dresden sind Heimstätten der hier beschäftigten Arbeiter, die selbst aus Pirna, Tharandt, Klotzsche, Wilsdruff und Meißen täglich zur Fabrik kommen. Wie wesentlich dieser Verkehr ist, geht u. a. daraus heraus, daß die Verwaltung der unterhalb der Fabrik über die Elbe führenden Fähre die Direktion regelmäßig benachrichtigt, wenn Eisgang usw. den Fährbetrieb hindert, damit die Arbeiter, die jenseits der Elbe wohnen — und ihrer sind recht viele — sich darauf einrichten können, eventuell über Mittag in der Fabrik bleiben zu müssen. Zum Teil ist den Arbeitern die Wahl eines weiter gelegenen Wohnortes nur möglich, weil sie im Besitz von Fahrrädern sind; etwa 900, also der dritte Teil des Personals, ist mit Rädern ausgestattet. Auch darin liegt ein vollgültiger Beweis, welchen Wert das Fahrrad heute bereits in allen Bevölkerungsschichten hat. Straßenbahn und Eisenbahn vermitteln weiterhin die Verbindung zwischen Fabrik und Wohnort; ein großer Teil der Arbeiter gelangt auch, aus den nächstliegenden Vororten Dresdens, zu Fuß an die Arbeitsstätte. Die Karte zeigt, wie weit demnach der Einfluß reicht, den das Werk mittelbar ausübt.
Für die so zahlreiche Arbeiterschaft ist seitens der Fabrik von jeher in großzügigster Weise gesorgt worden; auch darin stellt sich das Werk als ein Musterunternehmen dar. In allen Werkstätten sind ausreichende Garderoben-, Toiletten- und Waschräume, letztere mit praktischen Kippwaschgefäßen, vorhanden, auf jedem Treppenflur außerdem ein Essenwärmer für diejenigen Arbeiter, die während der Mittagspause die Fabrik nicht verlassen. Eine Kantine, die mehrere Zweigstellen an verschiedenen Teilen des Betriebes unterhält, liefert gegen mäßiges Entgelt gute Speisen und Getränke; der Nutzen davon kommt den Arbeitern wiederum zugute, indem er einer noch zu erwähnenden Beihilfskasse zugeführt wird. Speisesäle zur Einnahme der Mahlzeiten sind gleichfalls vorhanden, desgleichen ausgedehnte Fahrradstände an beiden Eingängen des Werkes.
Baderäume mit Vollbädern, kalten und warmen Duschen, die an mehreren Stellen der Fabrik eingerichtet sind, werden von den Arbeitern ausgiebig benutzt.
Besonders reichhaltig sind die Wohlfahrtseinrichtungen ausgestaltet, die sich weit über den gesetzlichen oder sonst üblichen Rahmen hinaus erstrecken. Eine eigene Fabrikkrankenkasse für die Arbeiter und deren Familienangehörigen, mit einem Vermögen von über 55.000 Mark, gewährt Geldunterstützungen in Krankheitsfällen, ärztliche Behandlung, Medizin usw. In denjenigen Fällen, wo diese Krankenkasse satzungsgemäß mit ihren Leistungen aussetzen muß, greift eine besondere Beihilfskasse ein, die sich namentlich bei längerer Krankheit und in Sterbefällen bestens bewährt hat. Die Kasse, die ebenfalls ein eigenes Vermögen von über 25.000 Mark besitzt, gewährt den Mitgliedern außergewöhnliche Unterstützungen; sie wird u. a. aus den Überschüssen der Kantine dotiert.
Bereits von dem Gründer der Fabrik, Herrn Geh. Kommerzienrat Bruno Naumann, ist vor Jahren eine Invaliditätskasse für die Beamten und Arbeiter der Fabrik ins Leben gerufen worden, die seinerzeit durch eine größere Zuwendung festgelegt wurde und durch jährliche Zuweisungen aus dem Reingewinn aufgefüllt wird. Diese Kasse, deren Vermögen gegenwärtig 356.000 Mark beträgt, gewährt an notleidende Arbeiter oder deren Witwen in besonderen Fallen Extraunterstützungen, ferner Beihilfen an erkrankte Arbeiter, sobald die Krankenkasse mit ihren Leistungen aufhören muß, und Alters- und Invaliditätsrenten. Zur Zeit beziehen bereits 30 Arbeiter derartige Renten im Einzelbetrage bis zu 900 Mark pro Jahr. Schließlich besteht noch eine Beamtenunterstützungskasse, die vom Aufsichtsrat und Vorstand alljährlich aus den Tantiemen bedacht wird und die bereits über ein Vermögen von 171.000 Mark verfügt.
Durch derartige Einrichtungen hat es die Fabrik erreicht, daß sie sich ein treues, wohlgeschultes Beamten- und Arbeiterpersonal herangezogen hat und daß, von kleinen unvermeidlichen Differenzen abgesehen, das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das denkbar beste geblieben ist.
Die getroffenen Wohlfahrtseinrichtungen sprechen in überaus reichem Maße für die Bedeutung des Werkes, die wir noch durch einige weitere Zahlen belegen möchten.
Die Fabrik hat mehr als 100 Patente und Musterschutze in den verschiedenen Ländern der Erde inne. Der Eingang an Briefsendungen beträgt pro Tag etwa 1200, der Ausgang rund 1500 Stück. Täglich werden ungefähr 20.000 kg Kohle, im Winter fast 30000 kg im Betriebe und für die Heizung verbraucht, jährlich für etwa 150000 Mark Eisen in der Gießerei zu Arbeitsteilen eingeschmolzen. Der Verbrauch an andern Materialien, Öl usw., sowie der Abfall an Holz- und Sägespänen, Eisen und Stahl ist riesenhaft und in Zahlen hier nicht wiederzugeben. 329.770 Einzelteile passieren täglich die Werkstätten für die verschiedenen Fabrikate in einer Arbeitsleistung von mehr als 5 Millionen einzelner Operationen. Ungefähr 3,5 Millionen Mark aber werden jährlich an die Arbeiter als Lohn ausbezahlt.
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 71]


ZEIT1908
THEMASchlußwort
TEXTDie Fabrikate der Firma erfreuen sich in allen Weltteilen besten Rufes. In England liegt der Vertrieb in den Händen einer Filiale, in Berlin und den andern Hauptplätzen des In- und Auslandes bestehen selbständige Vertretungen, deren Wirkungskreis ein sehr ausgedehnter ist; außerdem gehen Reisende der Firma unmittelbar nach den Ländern und Städten, wo Fahrräder, Nähmaschinen oder Schreibmaschinen gebraucht werden können, und tragen den Namen Seidel & Naumann über den gesamten Erdball.
Daß die mit solcher Präzision und in technisch vollkommenster Form hergestellten Fabrikate sich auch der allgemeinen öffentlichen Anerkennung erfreuen, geht aus den zahlreichen Auszeichnungen hervor, die der Fabrik zuteil geworden sind. Die Maschinen und Räder wurden im ganzen mit 39 ersten Preisen auf den von der Fabrik beschickten Ausstellungen bedacht. U. a. erhielten sie [bei Ausstellungen, die nicht datierbar sind]:
Goldene Medaille auf der Ausstellung der Frauenvereine Berlin
Goldene Medaille auf der Exposition industrielle et agricole in Porrentruy
Goldene Medaille auf der Gewerblichen Ausstellung in Ried
Goldene Medaille auf der Exposition de Ia femme in Paris
K. K. Staatsmedaille auf der Internationalen Ausstellung in Wien
Bei dem öffentlichen Wettschreiben um die Meisterschaft von Österreich 1907 errang die Ideal-Schreibmaschine den ersten Preis. Unter zehn verschiedenen Systemen ging sie als beste, dauerhafteste und schnellste Maschine hervor. Ähnliche Siege hat die Maschine schon vorher in verschiedenen Staaten erfochten.
In einem der vielen, wirkungsvollen Plakate der Fabrik sind die drei Fabrikate, Nähmaschine, Schreibmaschine und Fahrrad, als Leuchttürme dargestellt, die ihr Licht weit über die Lande hinaus erstrahlen lassen. Die Bedeutung der drei Artikel, denen sich allerdings noch der Geschwindigkeitsmesser zugesellt, ließ sich vielleicht nicht besser wiedergeben, als durch dieses Bild; es sind in der Tat Leuchttürme, die sich aus dem großen Gebiet der deutschen Industrie achtunggebietend und bewundernswert turmhoch hervorheben. Aber leuchtturmartig ragt auch das Unternehmen aus der Menge heraus, das diese Gegenstände herstellt und das in vierzigjähriger Arbeit Stein um Stein zu seiner gegenwärtigen Höhe aufgerichtet worden ist. Turmartig, nicht nur seiner Bedeutung wegen, sondern auch wegen seiner festen Fundamente und Mauern, die es gegen die Stürme der Zeit schützen und eine Gewähr dafür bieten, daß dieses Bauwerk zur Ehre der deutschen Industrie fort und fort bestehen wird. Möge dem stolzen Bau jede Erschütterung auch in Zukunft erspart bleiben: das ist der beste und einzige Wunsch, den man dem Werke und seinen Leitern und Mitarbeitern auf den ferner zu beschreitenden Pfad mitgeben kann!
QUELLE[40 Jahre Fabrikationsgeschichte der Firma Seidel u. Naumann (1908) 73]