Zeit |
Ereignis |
26.12.1858 |
Die Söhne des Ackerbautheoretikers Carl Andreas Samuel Freiherr v. Richthofen (1762 - 1836), Prof. Dr. Karl Freiherr v. Richthofen auf Damsdorf, Ulrich Freiherr v. Richthofen auf Barzdorf, Bolko Freiherr v. Richthofen auf Groß Rosen und Ernst Freiherr v. Richthofen Brechelshof fassen den Entschluß, eine Zuckersiederei in Gutschdorf zum Zwecke der Runkelrüben-Zuckerfabrikation zu errichten. Die Gründer errichten durch einen außergerichtlichen Vertrag eine offene Handelsgesellschaft unter der Firma "Zuckersiederei Gutschdorf". - Die Fabrik bleibt fortan im Besitz der Familie von Richthofen. |
1859 |
Erbaut durch C. Heckmann als Weißzuckerfabrik. Ulrich von Richthofen stellt ein zu seinem Gut Gutschdorf gehörendes Grundstück, an der Eisenbahnlinie gelegen, zur Verfügung, auf dem die Fabrik errichtet wird. |
24.11.1859 |
Gründung durch einen Vertrag vom 24.11.1859 (bei den Grundakten von Mittel-Gutschdorf, Blatt Nr. 29 und beurkundet vom Notoar Melzer in Striegau): Ulrich Freiherr von Richthofen auf Barzdorf verkauft ein Grundstück des Ritterguts Barzdorf an seine drei Brüder, so daß diese und der Verkäufer das Grundstück gemeinsam besitzen. Auf diesem Grundstück sowie auf dem Gelände der Steinke-Stelle wird die Fabrik errichtet. Das Stammkapital ist für jeden Gründer auf 360.000 Mark, also zusammen 1.440.000 Mark, festgesetzt. |
1860 |
Inbetriebnahme der Fabrik |
1860 |
Herr Mehne wird der erste Direktor der Fabrik (bis 1864) |
1860/61 |
Das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres ist zufriedenstellend, und es kann ein ansehnlicher Gewinn verbucht werden. An Durchschnittspreisen je Zentner werden erzielt: für Rohzucker 33,70 M; Weißzucker 44,80 M; Melasse 4,40 M. Die Rüben werden mit 90,4 Pf/Zentner bezahlt. Verarbeitet werden 172.874 Ztr. Rüben. Zur Herstellung von einem Zentner Verbrauchszucker sind 14,6 Zentner Rüben erforderlich (um 1935 sind des 6,2 Zentner). |
1865 |
J. Fuchs wird der zweite Direktor der Fabrik (bis 1883). Unter seiner Leitung hebt sich die Verarbeitung von etwa 400.000 Ztr. Rüben auf 986.600 Ztr. im Jahre 1882/83. Erwähnenswert ist ferner der Einbau der Diffusion sowie die Erbauung der Elution (Kalk- und Spiritusverfahren) zur Erzielung einer hohen Zuckerausbeute. |
1870 |
Da einige Gesellschafter auch in der Gegend von Reichenbach landwirtschaftlichen Besitz erworben haben, wird eine Zweigfabrik in Faulbrück als Rohzuckerfabrik errichtet. |
1878 |
Tod von Ulrich Freiherr von Richthofen auf Barzdorf. Sein Anteil geht auf seine fünf Söhne über, von denen Siegfried Freiherr von Richthofen auf Gäbersdorf (seit über 50 Jahren Geschäftsführer) und Exzellenz Manfred Freiherr von Richthofen auf Bersdorf noch um 1933 am Leben sind. |
1883 |
Siegfried Freiherr von Richthofen-Gäbersdorf wird Geschäftsführer. |
1884 |
Das Stammkapital wird um 560.000 Mark auf 2.000.000 Mark erhöht. |
1884 |
Dr. Gundermann wird Direktor (bis 1901), der dritte Direktor der Fabrik |
1888 |
Ableben von Dr. jur, Dr. phil. h.c. Karl Freiherr von Richthofen, Professor der Rechte an der Universität Berlin. Sein Anteil geht auf seinen Sohn, Oberregierungsrat Karl Freiherr von Richthofen, Damsdorf-Kohlhöhe über. Er ist mehrere Jahre der erste Geschäftsführer. |
1888 |
Unter Dr. Gundermann als Direktor wird die Elution wieder aufgegeben, weil sie sich infolge der Einführung der Zuckersteuer anstelle der Rüben-Besteuerung nicht mehr lohnt und wegen der Kompliziertheit des Verfahrens, der Explosions– und Feuergefahr. Gundermanns besondere Fürsorge gilt der Raffinerie, in der er das Soxhlet-Verfahren einführt und nur Hutzucker und Raffinaden herstellt. |
1892 |
Umgebaut durch C. Heckmann |
1892 |
Erich Freiherr von Richthofen wird Geschäftsführer. - Nach dessen Tod wird Helmuth Freiherr von Richthofen auf Brechelshof Geschäftsführer |
1892 |
Ernst Freiherr von Richthofen-Brechelshof scheidet als Teilhaber aus. |
1894/98 |
Umgebaut durch C. Rudolph & Co. (1894-1898) |
10.03.1896 |
Abschluß eines neuen Gesellschaftsvertrags vor dem Notar Justizrat Berger in Breslau. Hierdurch wird die bisherige offene Handelsgesellschaft aufgelöst und eine neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Das Stammkapital wird auf 1.200.000 Mark festgesetzt. Als Stammkapital legt jeder der Gesellschafter seinen Anteil am Vermögen der offenen Handelsgesellschft ein, wie dieser nach der Bilanz vom 30. Juli 1895 festegestellt wird. |
1897 |
Helmuth Freiherr von Richthofen-Brechelsdorf tritt in den Verwaltungsrat / die Geschäftsführung ein. |
1899 |
W. Zimmermann ist als Disponent tätig. - Wegen der weiteren Ausdehnung des Zuckerabsatzes wird ihm später der Titel und die Stellung eines kaufmännischen Direktors verliehen. Während seiner langen Tätigkeit erwirbt er sich große Verdienste um das Unternehmen. |
1899 |
Bolko Freiherr von Richthofen-Groß-Rosen scheidet als Teilhaber aus. |
1901 |
Gotthard Freiherr von Richthofen auf Groß-Rosen wird nach dem Tode seines Vaters Bolko Freiherr von Richthofen auf Groß-Rosen Geschäftsführer. |
1901 |
Edmund Rümmler übernimmt die Leitung der Fabrik als Nachfolger von Dr. Gundermann. Mit ihm beginnt die Zeit eines raschen Aufschwunges, der Gutschdorf zu einer der bedeutendsten Zuckerfabriken Schlesiens, ja sogar ganz Deutschlands macht. Als er die Fabrik übernimmt, beträgt die tägliche Verarbeitungsmenge 11.000 Zentner Rüben, die sich in 31 Jahren bis zu seinem Weggange auf 40.000 Ztr. Verarbeitungskapazität steigert. |
1904 |
Lieferung einer Dampfmaschine durch Görlitzer Maschinenbauanstalt |
1904 |
Direktor Rümmler führt das Nachprodukt-Verfahren ein, bei dem im Gegensatz zu den meist üblichen die Füllmasse nicht mit Rührwerken gerührt, sondern mit Preßluft von einem Behälter zum anderen gedrückt wird. Dieses Verfahren bringt verhältnismäßig niedrige Melassequotienten und ist für diese Zeit ein Fortschritt, obwohl es sonst in keiner Fabrik eingeführt wird. |
1910 |
Gotthard Freiherr von Richthofen auf Groß-Rosen tritt als Geschäftsführer zurück, und sein jüngster Bruder Dr. jur. Karl Freiherr von Richthofen auf Kuhnern wird an seine Stelle gewählt. |
1914 |
Als Dr. jur. Karl Freiherr von Richthofen auf Kuhnern Soldat wird, wird sein Bruder Ernst Freiherr von Richthofen auf Mertschütz zu seinem Stellvertreter bestimmt. Er ist Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. |
1916 |
Oberregierungsrat Karl Freiherr von Richthofen, Damsdorf-Kohlhöhe scheidet aus der Geschäftsführung aus. |
1918 |
Dr. Günther Freiherr von Richthofen auf Damsdorf tritt nach dem Tode seines Vaters in die Mitarbeit der Fabrik ein. |
1918 |
In Gutschdorf, das immer unter Wassermangel leidet, werden (als vmtl. letzter Fabrik in Deutschland) Rübenschwemmen mit Spritzköpfen angelegt, die die Waggon-Entladung erhält eine Elfa-Anlage |
1919 |
Außerbetriebnahme der Rohzuckerfabrik in Faulbrück. Es erscheint günstiger, die gesamten zur Verfügung stehenden Rüben in Gutschdorf zu verarbeiten. |
05.01.1919 |
Großer Brand infolge Heißlaufens eines Lagers in der Würfelei. Dabei wird die ganze Rohzuckerfabrik und Raffinerie zerstört, und es werden alle technischen Unterlagen vernichtet. - Die Fabrik wird dann in allen Teilen modernisiert. |
1919/20 |
Wiederaufbau der Fabrik durch die Hallesche Maschinenfabrik |
um 1920 |
Gustav Hoffmann (*1870 in Mittel-Faulbrück b. Kreisau, +1946 in Kölleda) wird Maschinenmeister. - Er war vorher in der Filialfabrik Mittel-Faulbrück tätig. |
1920 |
Ernst Freiherr von Richthofen auf Mertschütz wird ständiger Geschäftsführer. |
1921 |
Durchschnittsertrag: 75,3 Ztr. Rüben je Morgen mit 20,5 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 351 mm, 1762 Sonnenscheinstunden |
09.02.1921 |
Einrichtung einer freiwilligen Fabrikfeuerwehr mit 14 aktiven und 25 Reservemannschaften. Sie ist dem Provinzial-Feuerwehrverband angeschlossen. |
1922 |
Durchschnittsertrag: 144 Ztr. Rüben je Morgen mit 17,35 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 386 mm, 1367 Sonnenscheinstunden |
1923 |
Durchschnittsertrag: 108 Ztr. Rüben je Morgen mit 19,78 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 297 mm, 1323 Sonnenscheinstunden |
1924 |
Richard von Richthofen auf Nieder-Faulbrück folgt seinem verstorbenen Bruder Helmuth Freiherr von Richthofen auf Berechelshof. |
1924 |
Durchschnittsertrag: 114 Ztr. Rüben je Morgen mit 20,24 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 284 mm, 1417 Sonnenscheinstunden |
1924 |
Helmuth Freiherr von Richthofen-Brechelsdorf tritt aus dem Verwaltungsrat / der Geschäftsführung aus. |
16.12.1924 |
Das Gesellschaftskapital wird während der Inflation mehrfach erhöht und beträgt schließlich 50.400.000 Papiermark. In der Gesellschafterversammlung vom 16. Dezember wird das Stammkapital im Verhältnis von 25 : 1 umgelegt auf 2.016.000 Goldmark. |
1925 |
Durchschnittsertrag: 145 Ztr. Rüben je Morgen mit 18,77 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 446 mm, 1430 Sonnenscheinstunden |
1926 |
Durchschnittsertrag: 120 Ztr. Rüben je Morgen mit 17,48 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 516 mm, 1266 Sonnenscheinstunden |
1927 |
W. Zimmermann scheidet aus Alters- und Gesundheitsrücksichten als kaufmännischer Direktor aus. Sein Nachfolger wird Direktor Kurt Busse. |
1927 |
Durchschnittsertrag: 141 Ztr. Rüben je Morgen mit 19,10 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 470 mm, 1423 Sonnenscheinstunden |
1928 |
Durchschnittsertrag: 105 Ztr. Rüben je Morgen mit 20,32 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 415 mm, 1444 Sonnenscheinstunden |
1929 |
Durchschnittsertrag: 120 Ztr. Rüben je Morgen mit 20,32 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 330 mm, 1402 Sonnenscheinstunden |
10.06.1929 |
Die schlesische Zuckerkonvention wird in Kraft gesetzt. In ihr sind die schlesischen Verbrauchszuckerfabrien und der schlesische Zuckergroßhandel zur Regelung der Marktverhältnisse in Schlesien und zur Erzielung des gesetzlichen Höchstpreises zusammengefaßt. Der Höchstpreis wird bei Erhöhung des Schtzzolles auf 16,00 RM, am 29.03.1930 auf 20,50 RM ohne Sack und Steuer herabgesetzt. |
1930 |
Richard von Richthofen auf Nieder-Faulbrück verkauft seine Anteile an die Mitgesellschafter, und an seine Stelle wird Ulrich Freiherr von Richthofen auf Ober-Faulbrück gewählt. Damit sind die Gesellschafter: 1. Dr. jur. Karl Freiherr von Richthofen auf Kuhnern, 2. Siegfried Freiherr von Richthofen auf Gäbersdorf, 3. Dr. Günther Freiherr von Richthofen auf Damsdorf und 4. Ulrich Freiherr von Richthofen auf Ober-Faulbrück (seit 1930) |
1930 |
Durchschnittsertrag: 128 Ztr. Rüben je Morgen mit 18,52 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 355 mm, 1312 Sonnenscheinstunden |
1931 |
Durchschnittsertrag: 126 Ztr. Rüben je Morgen mit 18,54 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 475 mm, 1298 Sonnenscheinstunden |
1932 |
Die Verarbeitungskapazität beträgt 40.000 Ztr. Rüben pro Tag. |
1932 |
Direktor Edmund Rümmler, der sich allgemeiner Beliebtheit erfreut, scheidet aus Gesundheitsrücksichten aus. |
1932 |
Direktor W. Plaul übernimmt für zwei Jahre die Nachfolge des in den Ruhestand gegangenen Direktos Rümmler. |
1932 |
Durchschnittsertrag: 131 Ztr. Rüben je Morgen mit 19,28 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 429 mm, 1313 Sonnenscheinstunden |
1933 |
Direktor W. Plaul wird nach zwei Jahren durch Direktor Karl Jörn abgelöst |
1933 |
Durchschnittsertrag: 92 Ztr. Rüben je Morgen mit 19,84 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 229 mm, 1330 Sonnenscheinstunden |
1933 |
Ernst Freiherr von Richthofen auf Mertschütz scheidet als ständiger Geschäftsführer aus. |
1934 |
Durchschnittsertrag: 141,5 Ztr. Rüben je Morgen mit 19,82 % Zuckergehalt. Regenmenge im Jahr: 289 mm, 1393 Sonnenscheinstunden |
1935 |
Die Verarbeitungskapazität beträgt 44.000 Ztr. Rüben pro Tag mit einer täglichen Weißzuckerherstellung von 9.600 Ztr. Gutschdorf steht somit in der ersten Reihe der Zuckerfabriken Deutschlands. |
um 1935 |
Der Jahresumsatz beträgt rund 30 Millionen Mark. An das Reich werden für Zucker-, Umsatz-, Körperschaftssteuern usw. rd. 11 Millionen Mark abgeführt. Die sozialen Lasten und Ausgaben für Wohlfahrtseinrichtungen beziffern sich auf 128.420 RM. |
1944/45 |
Kurz vor der letzten Kampagne 1944 muß die Fabrik auf Anordnung der NSDAP noch zahlreiche Arbeitskräfte zum "Unternehmen Barthold" abstellen, darunter auch zeitweilig den technischen Direktor und den zweiten Betriebsleiter. - Die Kampagne 1944/45 verläuft trotz allem glatt und die Zuckerlager sind bis oben gefüllt, als die Rote Armee Gutschdorf besetzt. |
1945 |
Bei den Kampfhandlungen brennt das große Weißzuckerlager nieder, sonst bleibt die Fabrik unzerstört. |
12.02.1945 |
Die Produktion wird nach Einzug der Roten Armee am Rosenmontag eingestellt. Das Inventar (Maschinen und Zucker) wird per Bahn abtransportiert. |
12.02.1945 |
In den frühen Morgenstunden wird vor und auf dem Gelände der Zuckerfabrik ein Zug für die dort zu evakuierende Bevölkerung zusammengestellt. Es sind einfache Güterwaggons, welche nur mit Planen bedeckt sind. Die Menschen aus Gutschdorf und den umliegenden Dörfern sind in Angst und Panik. Sie versuchen mit wenigen ihrer Habseligkeiten einen Platz in den schon überbesetzten Eisenbahnwaggons zu bekommen. Unbeschreibliche und entsetzliche Szenen spielen sich auf dem dortigen Gelände ab. Eine kleine Werkslokomotive der Zuckerfabrik versucht den Flüchtlingszug in Richtung Striegau in Bewegung zu setzen - vergebens: die kleine Betriebsbahn der Zuckerfabrik ist dafür zu schwach. Der Zug mit den vollbesetzten Waggons flüchtender Menschen wird zurück in die Zuckerfabrik rangiert. Am frühen Nachmittag verläßt der Zug mit einer größeren Lokomotive die Fabrik und fährt bis Weckersdorf b. Braunau (Sudetenland). |
ab 1945 |
Unter polnischer Verwaltung wird die Fabrik demontiert. - Um 1960 dienen zur Zeit der Kampagne die Rübenschwemmen noch als Vorratsbehälter für andere Zuckerfabriken. Die hochmodernen Apparate und Maschinen der Zuckersiederei werden z.T. verschrottet, z.T. in anderen Zuckerfabriken eingebaut, so einige Kochapparate in der Zuckerfabrik Groß–Neukirch/O.S. und die Diffusionsbatterie in der Zuckerfabrik Heidersdorf. |