Nürnberger Velocipedfabrik Hercules, Carl Marschütz & Co. A.-G.

Allgemeines

FirmennameNürnberger Velocipedfabrik Hercules, Carl Marschütz & Co. A.-G.
OrtssitzNürnberg
StraßeÄußere Fürther St. 53/54
Postleitzahl90429
Art des UnternehmensFahrradfabrik
Anmerkungen1887-1888 in der Bleichstr. Um 1895: "Nürnberger Velociped-Fabrik Carl Marschütz & Co." in der Fürther Str. 61 bzw. Muggenhof 53; T.-A.: Carl Marschütz Nürnberg. Firmierung um 1925/43: "Nürnberger Hercules-Werke Aktiengesellschaft"; später vmtl. "Hercules-Werke". 1995: Vom Eigentümer Mannesmann an die niederländ. Antag und Spaltung in "Hercules Fahrrad GmbH" und "Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik GmbH, Schweinfurt". Ab ca. 1963/66: Nopitschstraße. 1995 an Accell-Group (Niederlande). Seit 1999-2007: Sitz in Neuhof an der Zenn, dann Schweinfurt. 2006 Produktion in Ungarn (100 km hinter Budapest). Um 1943: Fürther Str. 191/193
Quellenangaben[Stuttgarter Zeitung 9.8.1995, S. 8, 12.08.2006, S. 2331.7.1996, S. 21; 03.05.1999, S. 8; 12.08.2006, S. 23; 03.07.2007, S. 17] [Rauch: DKW (1981) 242] [Handbuch Akt.-Ges. (1943) 4777]




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
1863 Geburt von Carl Marschütz in Burghaslach (Mittelfr.)
1880 Ein junger englischer Ingenieur fasziniert den jungen Nürnberger Karl Marschütz für die Verbreitung des Fahrrads
1882 Dank der Hartnäckigkeit von Marschütz kommen die ersten Velozipede auf den Markt
01.04.1886 Der 23jährige Carl Marschütz macht sich mit einer Velzipedfabrik selbständig; Gründung als "Nürnberger Velocipedfabrik Carl Marschütz & Co.".
15.02.1887 Gründung unter Übernahme der "Nürnberger Velocipedfabrik Carl Marschütz & Co.", Nürnberg, Bleichstraße, als "Nürnberger Velociped-Fabrik "Hercules" vormals Carl Marschütz & Co." mit einem Grundkapital von M 1.000.000,00.
1888 Die Veloziped-Fabrik muß aus Platzgründen von der Bleichstraße in die Fürther Straße 61 umziehen.
1894 Der Betrieb produziert 1.700 Fahrräder und zählt 170 Mitarbeiter.
1894 Bestellung/Lieferung einer Dampfmaschine durch Maschinenbau-AG Nürnberg
1895 Bezug einer neuen Fabrik in der Fürther Str. 191-193
1899 Marschütz eröffnet in der Nähe des späteren Schauspielhauses das "Hercules-Velodrom" zum Erlernen des Fahrradfahrens und auch mit Restaurant und als Saal für Konzerte und Tanzveranstaltungen. - Das Gebäude wird im Zweiten Weltkrieg zerstört.
18.06.1900 Änderung der Firma aus "Nürnberger Velociped-Fabrik "Hercules" vormals Carl Marschütz & Co." in "Nürnberger Hercules-Werke Aktiengesellschaft"
1904 Das erste Motorrad der Marke Hercules kommt auf den Markt
1908 Die Firma stellt diverse motorbetriebene Konstruktionen vor: ein elektrisches Auto
1908 Die Firma stellt diverse motorbetriebene Konstruktionen vor: eine Schuhputzmaschine
12.1918 Die Herstellung beschränkt sich nach Ende des 1. Weltkrieges auf Fahrräder
1924-1925 Beschluß, sich wieder im Motorradbau zu engagieren
1928 Eine neue "Hercules" erscheint
1929 Die Gesellschaft nimmt den Bau von Motorrädern wieder auf.
1930 Aufnahme des Baues von Motorfahrrädern mit "Fichtel & Sachs"-Einbaumotor.
08.03.1932 Die Hauptversammlung vom 8. März 1932 beschließt die Herabsetzung des Grundkapitals in erleichterter Form durch Einziehung von nom. RM 200.000,00 eigener Stammaktien auf Grund der Notverordnung vom 6. Oktober 1931. Der Buchgewinn in Höhe von RM 163.120,00 wird einem Reservefonds II zugeführt und zur Deckung des Verlustes aus 1930/31 verwendet.
28.03.1933 Die Hauptversammlung vom 28. März 1933 beschließt die Einziehung von 10 % des Stammaktienkapitals (Reichsmark 140.000,00). Der Buchgewinn wird auf einem Sonderkonto verbucht und nach Ablauf des Sperrjahres zur teilweisen Verlustdeckung verwendet.
05.01.1934 Laut Beschluß der Hauptversammlung vom 5. Januar 1934 wird das Stammaktienkapital von RM 1.260.000,00 auf RM 630.000,00, im Verhältnis von 2 : 1 herabgesetzt. Die gleiche Hauptversammlung beschließt, RM 30.000,00 zusammengelegte eigene Stammaktien einzuziehen.
12.01.1935 Laut Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 12. Januar 1935 wird das Stimmrecht der Vorzugsaktien in den bekannten drei Fällen von 10 auf 7 Stimmen je nom. RM 100,00 ermäßigt.
1938 Arisierung der Verwaltungsorgane wird durchgeführt. Konrad Schmidt leitet das Unternehmen. - Der jüdische Industrielle Carl Marschütz emigiert später in die USA.
01.01.1940 bis 01.05.1945 Der 2. Weltkrieg zerstört mehr als drei Viertel der Produktionsanlagen
1940 Veräußerung eines an der Adam-Klein-Straße gelegenen Grundstücks an die "Auto-Union A.-G."
19.06.1941 Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 19. Juni 1941 über die Verlegung des Geschäftsjahres auf das Kalenderjahr
19.06.1941 Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 19. Juni 1941 über die Erhöhung des Rückzahlungskaufes für die Vorzugsaktien von 110 auf 130 % und die Gleichstellung der Vorzugsaktien mit den Stammaktien hinsichtlich des 130 % übersteigenden Abwicklungserlöses.
Sommer 1941 Der jüdische Industrielle Carl Marschütz emigriert kurz vor Beginn der Juden-Deportationen in die Vernichtungslager in die USA. - In Los Angeles schreibt er seine Kindheits- und Lebenserinnerungen nieder.
1942 Bemerkungen zum Abschluß per 31. Dezember 1942: Das verflossene Kalenderjahr brachte einen kleinen Umsatzrückgang. Außer den in der Bilanz ausgewiesenen Hypotheken war der Grundbesitz mit Eigentümer-Grundschulden in Höhe von RM 150.000,00 belastet, die der Bankverbindung zur Sicherung ihrer Ansprüche zur Verfügung gestellt werden.
18.08.1943 Letzte ordentliche Hauptversammlung bis 1943/44
März 1944 Zerstörung des "Hercules-Velodrom" als Nürnbergs größter Saalbau
1946 Nach 1945 beschränken sich die wenigen Arbeiter auf Instandsetzungsarbeiten
1948 Wiederaufnahme der Motorradproduktion
1956 Hercules legt sich ein völlig neues Design zu
19.04.1957 Carl Marschütz stirbt, ohne seine Heimat wiedergesehen zu haben, in Los Angeles. Seine sterblichen Überreste werden nach Nürnberg überführt und an der Seite seiner bereits 1931 verstorbenen Ehefrau Adele auf dem Neuen Jüdischen Friedhof beigesetzt. - Kurz zuvor erhielt er eine Wiedegutmachung für seine Enteignung 1938.
1962 Schon 32 % aller in der Bundesrepublik verkauften Motorräder stammen aus dem Hause Hercules
1963 "Fichtel & Sachs" kauft die "Hercules-Werke"
1963 Nach der Übernahme durch Fichtel & Sachs: Umzug in die Nopitschstraße (vergl. 1966)
1966 Die Nachfrage übersteigt die Produktion bei weitem.
1966 Die hohe Nachfrage macht eine Erweiterung des Werks erforderlich
1966 Nach der Übernahme der Zweirad Union durch Fichtel & Sachs übersiedelt deren Tochterunternehmen, die Hercules-Werke, von der Fürther Straße in die geräumigeren und ausbaufähigeren Werksräume in der Nopitschstraße.
1973 Ein Mofa mit Elektroantrieb kommt heraus.
1974 Die W 2000 kommt als erstes mit Wankelmotor ausgeführtes Motorrad der Geschichte auf den Markt.
1985 Prototyp eines Pedelec mit Nabenmotor und in den Gepäckträger integrierter Batterie
1987 Der Mannesmann-Konzern übernimmt den Betrieb. (Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik GmbH)
1990-1994 Der Marktanteil von Rennrädern sackt 1990/94 von 20 auf 1 Prozent ab.
1995 Übernahme durch die niederländische Accell-Group, Europas führendem Fahrradkonzern
09.1995 Die Hercules-Werke spalten sich in zwei voneinander unabhängige Firmen: Das Fahrrad-Geschäft übernimmt die niederländische Atag-Gruppe (Ulft), es firmiert seither als "Hercules Fahrrad GmbH & Co. KG". Der motorisierte Bereich erhält den Namen "Sachs Fahrzeug und Motoren GmbH und verbleibt in der Fichtel-und-Sachs-Gruppe
01.09.1995 Die niederländische Atag übernimmt die Hercules-Fahrradproduktion.
Anfang Mai 1999 Die Firma beabsichtigt den Umzug von der Nürnberger Südstadt zu einem kleineren Standort in einer ehemaligen Fabrik in Neuhof an der Zenn.
Anfang Mai 1999 "Hercules" rühmt sich 1999, das älteste, ununterbrochen produzierende Zweiradwerk der Welt zu sein.
2004 Fahrräder der Marke "Hercules" werden seither im ungarischen Tószeg (Kleingebiet Szolnok) und in Asien gebaut
2005 Es werden pro Jahr 100.000 Fahrräder bei einem Umsatz von 30 Millionen Euro hergestellt (Anstieg in den letzten drei Jahren um 28 %)
07.2007 Verlagerung von Neuhof (Zenn) nach Schweinfurt. Das Lager soll in Neuhof bleiben.
2014 Die Zweirad-Einkaufsgenossenschaft (ZEG) erwirbt die Markenrechte




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Butterfässer und Geräte zur Butterherstellung 1945 Beginn bald nach dem 2. WK 1946 Beginn bald nach dem 2. WK  
elektrische Autos 1908 Beginn 1908 bekannt  
Lastwagen 1919 Beginn bald nach dem 1. WK 1919 Beginn bald nach dem 1. WK  
Motorräder 1904 Beginn 1976 bekannt bis Ende 1. WK und ab Mitte 20er Jahre und ab 50er Jahre
Schuhputzmaschinen 1908 Beginn 1908 bekannt  
Velozipede 1882 Beginn 1900 [Reichs-Adreßbuch (1900) 469]  




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine 1905 Vereinigte Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg, Werk Nürnberg
Dampfmaschine 1894 Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1887 10        
1889 70        
1890 85        
1891 110        
1892 135        
1893 146        
1894 170        
1895 190        
1896 250        
1897 340        
1898 260        
1899 220        
1900 190        
1901 195        
1902 200        
1903 240        
1904 220        
1905 255        
1906 270        
1907 276        
1908 220        
1945 142 110 32    
1946 219 184 35    
1947 270 227 43    
1948 331 278 53    
1949 394 330 64    
1950 400 328 72    
1951 435 352 83    
1952 524 435 89    
1953 590 493 97    
1954 653 539 114    
1955 648 534 114    
1995 380        
1999 130       auch 170 angegeben
2006 35       in Neuhof/Zenn




Allgemeines

ZEIT1943
THEMAOrgane und Kapital der Gesellschaft
TEXTVorstand: Hans Elblmaier, Fürth (Bay.); Friedrich Grohmann, Nürnberg. Aufsichtsrat: Hermann Soldan, Geschäftsführer der Dr. Carl Soldan G. m. b. H., Nürnberg, Fürth (Bay.), Vorsitzer; Hans Böhner, Direktor der Dresdner Bank, Filiale Nürnberg-Fürth, Nürnberg, stellv. Vorsitzer; Curt Soldan, Geschäftsführer der Dr. Carl Soldan G. m. b. H., Nürnberg, Nürnberg; Rechtsanwalt Dr. Karl Mayer, Nürnberg. Abschlußprüfer für das Geschäftsjahr 1943: Di:. Thomas Röder, Nürnberg. Geschäftsjahr: 1. Januar bis 31. Dezember (früher Oktober/ September; Zwischengeschäftsjahr vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1941). Hauptversammlung (Stimmrecht): Je nom. RM 100,00 Stammaktien 1 Stimme, je nom. RM 100,00 Vorzugsaktien 1 Stimme, in den bekannten drei Fällen jedoch 7 Stimmen. Reingewinn-Verwendung: Der Reingewinn, der sich nach Vornahme von Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rücklagen einschließlich der Einstellung in die gesetzliche Rücklage und des Gewinnvortrages auf neue Rechnung ergibt, wird wie folgt verteilt: 1. Zunächst sind die rückständigen Gewinnanteile auf die Vorzugsaktien nachzuzahlen; 2. von dem verbleibenden Reingewinn sind auf die Vorzugsaktien 6 % ihres Nennwertes zu verteilen; 3. sodann entfallen auf die Stammaktien bis zu 4 % des Nennwertes; 4. aus dem hiernach noch verbleibenden Reingewinn erhält der Aufsichtsrat unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 98 Abs. III Aktiengesetzes eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 7,5 %; 5. sodann entfallen auf die Stammaktien bis zu 2% des Nennwertes; 6. der Rest wird gleichmäßig an die Stamm-Aktien und Vorzugs-Aktien verteilt, soweit die Hauptversammlung keine andere Verwendung beschließt. Grundkapital: nom. RM 600.000,00 Stammaktien in 528 Stücken zu je RM 1.000,00 (Nr. 1-528), 720 Stücken zu je RM 100,00 (Nr. zw. 1001-1000), nom. RM 20.000,00 Vorzugsaktien in 20 Stücken zu je RM 1.000,00 (Nr. 1-20). RM 620.000,00 Großaktionär: Dr. Carl Soldan G. m. b. H., Nürnberg. Besondere Rechte: Die Vorzugsaktien sind mit 6% Vorzugsdividende, Nachzahlungsanspruch und siebenfachem Stimmrecht für je nom. RM 100,00 in den bekannten drei Fällen ausgestattet. Bei einer etwaigen Auflösung der Gesellschaft erhalten die Vorzugsaktien aus dem Liquidationserlös, bevor eine Ausschüttung an die Stammaktien erfolgt, einen Anteil von 130% ihres Nennbetrages, zuzüglich etwa rückständiger Vorzugsgewinnanteile, während sie an dem darüber hinaus sich ergebenden Liquidationserlös ebenso teilnehmen wie die Stammaktien.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 4777]


ZEIT1943
THEMAZweck und Gegenstand des Unternehmens
TEXTGegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugen aller Art und die Beteiligung an industriellen und kaufmännischen Unternehmungen, die zu dem Zweck der Gesellschaft in Beziehung stehen. Die Gesellschaft ist berechtigt, im In- und Ausland Zweigniederlassungen zu errichten. Erzeugnisse: Motorräder, Fahrräder, Motorfahrräder.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 4777]


ZEIT1943
THEMABesitzverhältnisse
TEXTBesitz- und Betriebsbeschreibung: Werke in Nürnberg. Betriebsanlagen: Maschinenhaus mit angebautem Kesselhaus, Shedbauten zur Unterbringung der Hauptwerkstätten, Werkstattgebäude mit Lagerräumen, Lackiergebäude mit Montagewerkstatt, Hauptmagazingebäude für Fahrradteile, Magazingebäude mit Büro und 2 Wohnungen, Bürogebäude mit Werkstatt, Halle mit Oberlicht und Seitenfenstern, mit separater Heizung, 6 Nebenräumen für Büro- und Magazinzwecke. Kraftanlagen: Dampfmaschinen, Drehstromgenerator, Flammrohrkessel, Elektromotoren, Anschluß an Großkraftwerk Franken. Sonstige Gebäude: 1 Wirtschaftsgebäude mit 5 Wohnungen.
QUELLE[Handbuch Akt.-Ges. (1943) 4777]