Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Actien-Gesellschaft, Friedenshütte


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Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Actien-Gesellschaft, Friedenshütte: Oberschles. Eisenbahn-Bedarf: Werk um 1850 Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Actien-Gesellschaft, Friedenshütte: Oberschles. Eisenbahn-Bedarf: Werk um 1910


Allgemeines

FirmennameOberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Actien-Gesellschaft, Friedenshütte
OrtssitzFriedenshütte (Oberschlesien)
Art des UnternehmensEisenwerk
AnmerkungenBis 1871 als "Schlesische Hütten-, Forst- und Bergbau-Gesellschaft Minerva". Auch als "Huldschinskywerke" bezeichnet. 1916: Mit sechs Hochöfen, großer Kokereianlage, ausgedehntem Thomas- und Siemens-Martin-Stahlwerk und groß angelegte Walzwerke zur Herstellung von Halbzeug, Formeisen bis zu den schwersten Profilen, Schienen und Kleineisen, Stab- und Universaleisen, sowie ein Hammerwerk zur Fabrikation von schweren Schmiedestücken und Wagenachsen, ferner die Steinkohlengrube "Friedensgrube" (s.d.) mit zwei Förderschächten. Auch in Gleiwitz (s.d.) und Walzwerk in Zawadzki (s.d.). Vor 1871 siehe unter "Friedenshütte".
Quellenangaben[Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 430] [Werbeblatt (1916) eBay] [Jahrbuch dt. Braunkohlen-...-Industrie (1913) 86]




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
1840 Zwei Kaufleute aus Beuthen (O.S.) errichten unter dem Namen "Friedenshütte" einen Hochofen in der damaligen primitiven Konstruktion
11.02.1871 Aus der "Schlesische Hütten-, Forst- und Bergbau-Gesellschaft Minerva" wird die "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Actien-Gesellschaft" mit einem Grundkapital von 7 1/2 Millionen Mark gegründet.
1871 Ein Hochofen wird neu zugestellt.
1872 Es wird beschlossen, die gesamte Hochofenanlage umzubauen und das Werk statt mit bisher 6 Öfen von 11 m Höhe, mit 4 16 m hohen Hochöfen auszustatten, welche zusammen 40.000 t Roheisen jährlich leisten sollen. - Der Ausbau vollzieht sich langsamer, wird aber fortgesetzt, um für bessere Zeiten gerüstet zu sein.
1872 Die Roheisenprodukton der Friedenshütte beträgt 15.400 t (5,3 % der Roheisenproduktion Oberschlesiens = 295.000 t)
1880 Die Kohlenwäsche und die Erweiterung der Koksaniage auf 120 Kammern sind fertiggestellt .
1880 Der Hochofen IV kommt in Betrieb
1880 Auf der Friedenshütte stehen drei neue, 16 m hohe Hochöfen. Die maschinellen Anlagen der Betriebe sind modernisiert und vergrößert worden. Gleichzeitig wurde der Hochofen Nr. IV auf eine jährliche Produktionsfahigkeit von 14.000 Tonnen umgebaut. Die Gichtgase werden teils unter Dampfkessel geleitet, um dort zur Erzeugung von Dampf verbrannt zu werden, teils dienen sie zur Erhitzung des Hochofenwindes in den Hosenröhrenapparaten.
1882 Die Roheisenprodukton der Friedenshütte beträgt 34.893 t (9,1 % der Roheisenproduktion Oberschlesiens = 383.000 t)
1883 Der Bau eines Stahl- und Walzwerks in Friedenshütte wird beschlossen
1884 Errichtung eines Teer- und Ammoniakwerks
17.11.1884 Inbetriebname des großen Stahlwerks
12.1885 Das neue Stahl- und Walzwerk kann in Betrieb gesetzt werden.
24./25.07.1887 In der Nacht von 24. zum 25. Juli erfolgt eine Explosion der gesamten Hochofen-Kesselanlage. 20 Oberkessel und 44 Unterkessel und eine große Anzahl von Gebäuden und Maschinen wird durch diese Explosion zerstört. 10 Tote und mehr als 50 Verletzte fallen der Katastrophe zum Opfer. Im unmittelbaren Anschluß an die Explosion gerät durch herabstürzende glühende Ziegel eine große Anzahl von Gebauden in Flammen: vier Arbeiterwohnhauser, zwei große Stallungen, zwei Magazine und das Gebläsemaschinenhaus werden total zerstört. Durch umherfliegende Kesselteile werden die Hochöfen Nr. II und IV, das Dach der Gießhalle, die Erzabladerampen, sämtliche Leitungen zwischen dem Kesselhaus und den Hochöfen, die Winderhitzer und die Gas- und Windleitungen sehr erheblich beschädigt.
1887 Der rastlosen Energie des Generaldirektors Eduard Meier gelingt es innerhalb weniger Monate nach der Kesselexplosion, die erforderlichen Neu- bzw. Umbauten durchzuführen und den vollen Betrieb wieder aufzunehmen.
1892 Die Roheisenprodukton der Friedenshütte beträgt 59.723 t (12,7 % der Roheisenproduktion Oberschlesiens = 471.000 t)
1902 Die Roheisenprodukton der Friedenshütte beträgt 161.495 t (23,6 % der Roheisenproduktion Oberschlesiens = 685.000 t)
1905 Die "Oberschlesische Eienbahn-Bedarfs-Actiengesellschaft" wird mit den "Huldschinskyschen Hüttenwerken Aktiengesellschaft", Gleiwitz, fusioniert
1912 Die Roheisenprodukton der Friedenshütte beträgt 250.050 t (23,8 % der Roheisenproduktion Oberschlesiens = 1.048.000 t)
1921 Der Firmensitz wird von Friedenshütte (Oberschlesien) nach Gleiwitz verlegt
06.1922 Überführung der unter polnische Staatsoberhoheit gekommenen Werksanlagen, Friedensgrube, Friedenshütte sowie der Dolomitförderung im Kreise Tarnowitz in eine besondere Aktiengesellschaft, der "Friedenshütte A.-G. Nowy-Bytom".
19.04.1927 Die Gewerkschaft Consolidation bleibt als eine Beteiligungsgesellschaft (Holding) im hundertprozentigen Ballestrem-Besitz erhalten. Die 22 Prozent der Anteile hält die "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs AG ("Oberbedarf"), an der Ballestrem ebenso maßgeblich beteiligt ist.
1928 Neuordnung und der Ausbau der "Friedenshütte", und zwar sowohl für Oberbedarf und Ballestrem, wie für die "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-AG" selbst. Bis dahin war das 20-Mill.-Goldzloty-Kapital zu 100 % im Oberbedarf-Besitz gewesen.
Anfang Juli 1931 Die "Friedenshütte, Schlesische Berg- und Hüttenwerke A.-G." bringt, um sich zu entlasten, ihre Steinkohlenbergwerke sowie das Kraftwerk Nikolaus in die neugegründete "Rudaer Steinkohlengewerkschaft", Kattowitz, ein, die gleichzeitig den gesamten polnischen Industriebesitz der Grafen von Ballestrem übernimmt. Die mit der Gründung dieser Gewerkschaft verbundenen Finanzmaßnahmen können die für die Friedenshütte notwendigen finanziellen Entlastungen nicht bringen.
Anfang Dez. 1931 Die "Friedenshütte" muß einen gesetzlichen Zahlungsaufschub beantragen. Zunächst wird ein Moratorium von drei Monaten gewährt und dann weiter dem Antrag auf Eröffnung des Verhütungsverfahrens zwecks Abwendung des Konkurses stattgegeben.
12.1932 Sanierung der "Friedenshütte" auf der Basis, daß das Grundkapital der "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-AG" von Zl. 70 Mill. auf Zl. 50 Mill. herabgesetzt wird.
1933-1934 Infolge Ausübung des Optionsrechtes auf nom. Zloty 13 Mill. im Besitz der "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-AG" befindlicher Aktien der "Friedenshütte" durch den polnischen Staat muß die Gesellschaft auf Grund einer bei Sanierung dieser Gesellschaft im Jahre 1932 eingegangenen Verpflichtung von deren Hauptbankgläubigern nom. Zloty 1.866.000,00 Aktien der Friedenshütte übernehmen. Als Gegenwert für den Kaufpreis der nom. Zloty 13 Mill. Aktien erhält die Gesellschaft Zloty 5.250.000,00 staatsgarantierte Verpflichtungsscheine der "Bank Gospodarstwa Krajowego", Warschau, die in Teilbeträgen innerhalb der nächsten Jahre bis 15. April 1939 zur Einlösung gelangen.
1933 Im Laufe des Jahres wird durch die "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-AG" die Sanierung der Friedenshütte durchgeführt. Dem polnischen Staat wird eine Option auf 52 % des Kapitals der "Friedenshütte" eingeräumt.
1938-1939 Austausch von 33 Kuxen der Gewerkschaft "Castellengo-Abwehr", Gleiwitz, gegen nom. Zl. 1.675.000,00 Aktien der "Friedenshütte" durch die "Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-AG".




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Eisenbahnachsen, Radreifen, Radscheiben 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Eisenbahnschienen 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Grauguß 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
nahtlose und geschweißte Rohre jeder Art 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Profileisen 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Roheisen 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Schmiedestücke aller Art 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  
Stahlguß 1871 Umfirmierung 1911 [Eb-Wesen d Gegenw (1911) II 431]  




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Walzenzug-Dampfmaschine 1889 Sächsische Maschinenfabrik vorm. Richard Hartmann AG
Dampfgebläsemaschine 1902 Breslauer Actien-Gesellschaft für Eisenbahn-Wagenbau und Maschinenbau-Anstalt Breslau




Maschinelle Ausstattung

Zeit Objekt Anz. Betriebsteil Hersteller Kennwert Wert [...] Beschreibung Verwendung
ab 1897 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung 12 PS Hochofengasmaschine normaler Bauart  
ab 1898 Gasmotoren 2   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 200 PS Hochofengasmaschine, verbunden mit Gleichstromgenerator  
ab 1899 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 300 PS Hochofengasmaschine, verbunden mit Drehstromgenerator  
ab 1900 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 300 PS Hochofengasmaschine, verbunden mit Drehstromgenerator  
ab 1903 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 200 PS Hochofengasmaschine, verbunden mit Gleichstromgenerator  
ab 1905 Gasmotor 1   Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, Werk Nürnberg Leistung 1500 PS doppeltwirkende Tandemmaschine  
ab 1907 Gasgebläsemaschine 1   Ehrhardt & Sehmer Windmenge 1000 cbm/min Luftpressung: 0,45 atm  
ab 1907 Gasgebläsemaschine 1   Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, Werk Nürnberg Windmenge 1000 cbm/min Luftpressung: 0,45 atm  
ab Anf. 1908 Gasmotor 1   Ehrhardt & Sehmer Leistung 2000 PS doppeltwirkende Zweizylinder-Tandemmaschine, d= 1150 mm, h= 1300 mm, n= 94 U/min, Drehstromgenerator 6000 V  
ab Frühj. 1905 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 120 PS Hochofengasmaschine, doppelt wirkende Zwillings-Viertaktmaschine, Drehstromgenerator  
ab März 1907 Gasmotor 1   Ehrhardt & Sehmer Leistung 2000 PS doppeltwirkende Zweizylinder-Tandemmaschine, d= 1150 mm, h= 1300 mm, n= 94 U/min, Drehstromgenerator 6000 V  
ab Mitte 1903 Gasmotor 1   Gasmotoren-Fabrik Deutz AG Leistung je 600 PS Hochofengasmaschine, doppelt wirkende Viertaktmaschine, Drehstromgenerator  




Betriebsanlagen

Zeit Betr.-Teil Fläche bebaut Gleis Whs Betr. in Kommentar
1911 gesamt 15407155         in den Kreisen: Beuthen, Gleiwitz, Kattowitz, Tarnowitz, Lublinizt, Groß-Strehhlitz, Zabrze, Rybnik, Plez und Czerna (Galizien)




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1911   15000      




Produktionszahlen

von bis Produkt im Jahr am Tag Einheit
1911   Roheisen 200000   t
1911   Kohlen 600000   t
1911   sbkk 220000   t




Firmen-Änderungen, Zusammenschüsse, Teilungen, Beteiligungen


Zeit = 1: Zeitpunkt unbekannt

Zeit Bezug Abfolge andere Firma Kommentar
1871 Umbenennung zuvor Friedenshütte  
1921 Nebenwerk zuvor Oberschlesische Eisenbahn-Bedarfs-Aktien-Gesellschaft  
1 Nebenwerk danach Friedensgrube  




Allgemeines

ZEIT1887
THEMAGutachten über die Kesselexplosion
TEXTWir kommen dem Ansuchen des Centralverbandes der preußischen Dampfkessel-Überwachungsvereine gern nach, wenn wir in Nachstehendem das Gutachten derselben über obige Explosion veröffentlichen. Bei der Wichtigkeit der Angelegenheit, und durch den Wunsch geleitet, daß dieser Unfall in seinen Ursachen möglichst ergründet werde, lassen wir das abweichende Gutachten des Eisenhüttenvereines (Stahl und Eisen, 1888 Nr. 3) ebenfalls folgen. Während der Kesselüberwachungsverein die Ursache vorwiegend in der Explosion der Hochofengase findet, vertritt der letztgenannte Verein die Ansicht, daß der Unfall nicht durch die Explosion der Gase, sondern in gewöhnlicher Weise durch die Gewalt des Dampfes erfolgt sei. Eine vermittelnde Anschauung, dahin gehend, daß den ersten Stoß eine Gasexplosion gegeben habe, und daß aus Veranlassung der dabei entstandenen Brüche nunmehr die Explosion des Dampfes stattgefunden habe, ist im Nachstehenden ebenfalls erwähnt. Um die Begründung der verschiedenen Anschauungen nicht zu schmälern, sind die betreffenden Berichte mit nur geringen Änderungen wiedergegeben: auf diese Weise wird der Leser am ersten in der Lage sein, sich ein Urteil der geschilderten Ereignisse zu bilden. Auf Antrag mehrerer Verbandsvereine tagte am 7. Februar d. J. der Zentralverband preußischer Dampfkesselüberwachungsvereine in Berlin. Der Hauptgegenstand seiner Tagesordnung war eine Erklärung und Besprechung der am 25. Juli 1887 zu Friedenshütte vorgekommenen Kesselexplosion. Nachdem sich die Meinungen über die Ursache dieser Katastrophe durch verschiedene Versammlungen von Dampfkesselrevisoren, Ingenieuren und Hüttenleuten einigermaßsen geklärt haben und wohl alles, was auf diesem Wege durch Diskussion, Erörterung der Tatsachen und Hypothesen nebst Kombinationen ermittelt und festgestellt werden kann, in technischen Zeitschriften veröffentlicht worden ist, schien es an der Zeit zu sein, daß der Zentralverband sich ebenfalls über den Unfall äußere. Zu diesem Zweck war die Versammlung einberufen worden, und es ergingen Einladungen dazu, außser an sämtliche Verbandsvereine, auch an verschiedene Behörden. Da in einer größeren Versammlung der Entwurf eines gemeinschaftlichen
Gutachtens nicht gut denkbar ist, so waren zwei vorher ausgearbeitete Gutachten zur Stelle, von denen eines von den Oberingenieuren der Vereine des östlichen Preußens, das andere von Oberingenieuren der rheinischen Überwachungsvereine entworfen war. Beide Gutachten stimmten im wesentlichen überein, und da es wünschenswert war, auch über die wenigen abweichenden Punkte ein Einvernehmen herbeizuführen, so wurde eine Kommission von 6 Oberingenieuren erwählt, um diese beiden Gutachten zu verarbeiten, zu verschmelzen und so ein einziges Gutachten zu verfassen, welches die einstimmige Ansicht der Oberingenieure aller preußischen Vereine zunächst den betreffenden Ministerien und anderen in der Frage interessierten Behörden überreicht und außerdem in technischen Zeitschriften und politischen Zeitungen veröffentlicht werden soll.
Gutachten an den Zentralverband der preußischen Dampfkesselüberwachungsvereine.
Auf Grund des in der Generalversammlung des Centralverbandes der preußischen Dampfkesselüberwachungsvereine am 7. Februar 1888 erhaltenen Mandates überreicht die Kommission (bestehend aus den Herren Böcking, Eckermann, Emundts, Munter, Vogt und Weinlig) das nachstehende Gutachten über die Explosion in Friedenshütte, welches dieselbe nach Maßgabe der Verhandlungen und auf Grund der bei der Versammlung vorgetragenen beiden Gutachten zusammengestellt hat. Der Unglücksfall in Friedenshütte steht in der Geschichte der Dampfkessel einzig da. Sieht man die deutsche, amerikanische und englische Statistik der Unfälle an Dampfkesselanlagen durch, so findet sich nichts, welches dem Unfälle in Friedenshütte an die Seite gestellt werden kann. Diese Tatsache
muß zu der Erkenntnis drängen, daß in diesem Falle sowohl alle unglückbringenden Bedingungen zusammengetroffen sein müssen als auch, daß es sich nicht um solche Ursachen und Veranlassungen handeln kann, welche aus dem gewöhnlichen Betriebe heraus zu kleinen und großen Unglücksfällen erfahrungsgemäß zu führen pflegen. Unserem Berichte legen wir das Material, wie es vom Schlesischen Verein in der Zeitschrift des Verbandes der Dampfkesselüberwachungsvereine vom September und Oktober 1887 (Nr. 9 und 10) geboten ist, und die Gutachten bezieh. Mitteilungen der Oberingenieure Herren Abel, Eckermann, Benemann und Haage, sowie die Mitteilungen, welche in der Kommissionssitzung am 28. Februar 1888 von den Ingenieuren des Schlesischen Vereines, Minssen, Wätzoldt und La Baume, gemacht sind und wesentlich zur Ergänzung des oben genannten Berichtes beitragen, zu Grunde. Bevor wir auf die Sache selbst eingehen, müssen wir erklären, daß wir hinsichtlich der Dampfkessel-Überwachung und hinsichtlich der Verwaltung des Betriebes, Mängel nicht erkennen können, und wir tun dies vorab, um
nicht einen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wenn wir nachher von Fehlern der Konstruktion und Einrichtung der Anlage sprechen. Die Fehler sind nämlich teils solche, welche erst in Folge des Unglücksfalles in Friedenshütte als wichtige Faktoren angesehen werden müssen, teils sind sie derart,
daß sie rasch auftreten und ihre Entstehung sich dem Auge des Revisors entziehen kann. Wenn schon die Beurteilung der Explosion eines einzelnen Kessels in ihren Details trotz der oft unzweifelhaften Ursache der ganzen Katastrophe außerordentliche Schwierigkeiten hervorruft, ja unmöglich ist, wie viel mehr ist dies bei der vorliegenden, einzig dastehenden Katastrophe der Fall, wo es noch nicht einmal gelungen ist, die einzelnen weggeschleuderten Kesselteile als dem einen oder anderen Kessel angehörig unzweifelhaft nachzuweisen, und wo von einzelnen Kesseln mehrere Teile gar nicht einmal aufgefunden
worden sind. Der Unglücksfall wird wohl niemals ganz aufgeklärt werden, und es erscheint wenigstens vorläufig unmöglich, eine vollgültige, nicht angreifbare Erklärung aufzustellen. Dies hält uns aber nicht ab, auf Grund der vorliegenden Ermittlungen eine Erklärung zu versuchen, welche den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und somit die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Wir
unterlassen es natürlich, bei der Ermittlung der Ursachen der Explosion nebensächliche Details zu ergründen und wir erkennen an, daß bei Annahme einer jeden Ursache der Katastrophe es unmöglich ist, jeden einzelnen Umstand zu erklären. Bei der großen Zahl der Faktoren, welche bei der Zerstörung auf der Friedenshütte zur Wirkung kamen, entzieht sich sowohl deren Reihenfolge im Auftreten, wie auch ihre absolute und gegenseitige Wirkung der nachträglichen Beurteilung. Das ganze Bild der Zerstörung muß deshalb die Basis zur Ermittlung der Explosion geben. Übersieht man nämlich das Bild der Zerstörung, welches der Breslauer Dampfkessel-Revisionsverein veröffentlicht hat, und liest man sorgfältig seine Schilderungen über den ungeheuren Trümmerhaufen, findet man ferner, daß irgendwelche unbedingt sichere Anzeichen für die Ursachen der Explosion nicht gefunden sind, so muß man gestehen, daß im vorliegenden Falle, die Beibringung sicherer Beweise für die eine oder andere Ursache der Explosion vielleicht unmöglich, sicherlich aber weit schwieriger ist, als in unzähligen anderen Fällen. Dann wird man es auch begreiflich finden müssen, daß man der Arbeitsweise der Kessel, der
Feuerung-, den Schwächen der Konstruktion und dem Betriebe der ganzen Anlage bis in Kleinigkeiten hinein nachforschen muß, um daraus Mittel und Wege zur Erklärung des Vorfalles zu finden. Diesen Weg haben wir beschritten und glauben im Interesse des Zentralverbandes zu handeln, wenn wir die Resultate gemeinsamer Berathungen in diesem Gutachten zusammenfassen. Die Dampfkesselanlage auf der Friedenshütte bestand aus 22 Dampfkesseln, welche nebeneinander in einem Kesselhause lagen. Der Konstruktion nach waren alle Kessel gleich, wie sie in der beigefügten Zeichnung angegeben ist. Jeder Kessel bestand aus 1 Oberkessel von 1570 mm Durchmesser und 12.550 mm Länge, mit 2 Unterkesseln 785 mm Weite und 11765 mm Länge, welche unter sich durch 1 Stutzen und mit dem Oberkessel durch 4 Stutzen
verbunden waren. Das Mantelblech des Oberkessels war 13 mm, das der Unterkessel 8 mm stark und in den Verbindungsstutzen 11 mm. Die Oberkessel waren in entsprechender Weise durch Pratzen (Tragarme) auf
dem Mauerwerk der Seitenwände gelagert, während die Unterkessel, der linke auf drei, der rechte wegen
des Übergangskanales nach dem Fuchs auf zwei gußeisernen Lagerböcken ruhte. Der festgesetzte höchste Dampfdruck betrug 5 at. An den Blechstärken und an den Sicherheitsvorrichtungen war kein Mangel zu
finden. Alle Dampfkessel hatten ein gemeinschaftliches Dampfrohr, von welchem sie durch Absperrventile von 156 mm lichter Weite abgeschlossen werden konnten. Das Dampfrohr lag über den Kesseln. Jeder derselben hatte vor dem Dampfrohre ein selbsttätiges Dampfrückschlagventil und zwei Sicherheitsventile von 85 mm lichter Weite. Die Speisung war bei allen Kesseln in gleicher Weise eingerichtet, die gemeinschaftlichen Speiserohrleitungen waren mit selbsttätigen Rückschlagventilen versehen. Die Führung der Heizgase war überall dieselbe und die bei solchen Kesseln übliche. Hinter den Kesseln
lag ein gemeinschaftlicher Fuchs, welcher die Feuergase von jedem Kessel aufnahm und in die beiden Schornsteine führte. In diesem Fuchse war eine Querwand, welche denselben so in 2 Teile trennte, daß der eine Schornstein den Zug für 9 Kessel, Nr. 22, 23 und 1 bis 7, der andere für 13 Kessel, Nr. 8 bis 20 zu liefern hatte. Geheizt wurden die Kessel durch Hochofen-Gichtgase, welche aus einem gemeinschaftlichen eisernen Rohr vor den Kesseln, den Kesselfeuerungen in gleicher Weise zugeführt wurden. Jeder Dampfkessel hatte zwischen Ober- und Unterkessel eine zweiteilige, gewöhnliche Plan-Rostfeuerung von etwa 3,5 qm Größe des ganzen Rostes, und über der Feuerung befanden sich die Einmündungen der Gasleitungsrohre. Zur stetigen Entzündung der Hochofengase wurden Feuer auf den Rosten unterhalten und dazu in 24 Stunden 300 bis 400 Zentner geringwertiger Steinkohle (Staubkohle) verfeuert, also für 1 Stunde und l qm etwa 10 bis 14 kg. Dieser geringe Verbrauch an Kohle hatte zur
Folge, daß zur Bedienung in jeder Schicht nur 2 Mann und 1 Arbeitsbursche vor den Kesseln beschäftigt zu werden brauchten. Für die Gebläsemaschinen und für die sonstigen Kraftmaschinen war die Dampfproduktion von 18 Dampfkesseln von je 95 qm Heizfläche ausreichend. Es konnten somit immer 4 Dampfkessel kalt liegen. Zur Zeit des Unfalles lagen leer die Kessel Nr. 1, 3, 16 und 20. Das Speisewasser war nicht als gut zu bezeichnen. Der Kesselstein sprang leicht ab und bildete deshalb bald einzelne Kesselsteinkuchen, welche in früherer Zeit zu geringen Ausbeulungen der unteren Bleche im Oberkessel führten. Die Analyse des Wassers ergibt folgende Bestandteile im Liter:
Kieselsäure 0,0300 g
Eisenoxyd 0,0160 g
Kalk 0,2624 g
Magnesiumoxyd 0,0540 g
Schwefelsäure 0,3698 g
Chlor 0,0139 g
Organische Substanzen 0,1200 g
Die Speisepumpen waren in hinreichender Größe und Güte vorhanden. Die Dampfkessel waren zum größten Teil, nämlich 20 Stück, im Jahre 1872 gefertigt, und das Material war Schweißeisen. Es ist bekannt, daß den Blechen aus jenen Jahren gerade die Ausdehnungsfähigkeit mangelte, auf welche bei Dampfkesseln großer Wert zu legen ist. Das Blech war spröde. Die mit den unteren Blechen der Oberkessel nach der Explosion angestellten Proben beweisen, daß zur Zeit die Qualität eine außerordentlich geringe war, doch geht aus den Proben nicht hervor, wie weit das Gefüge der Bleche durch den Betrieb gelitten hat. Wir halten es jedoch für vollständig erwiesen, daß der Umfang der Explosion und die Art der Zertrümmerung der Kessel ihren wesentlichen Grund in dem sehr geringwertigen Material hat. Nachdem der Betrieb der Anlage, 15 Jahre lang (bei Tag- und Nachtbetrieb) gedauert hatte, ereignete sich in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1887 zwischen 12 und 1 Uhr das Unglück, und zwar ohne daß den Aufsichtsbeamten vorher von irgend einer Schwierigkeit im Betriebe oder einem besonderen Vorkommnis etwas bekannt geworden ist. Der Werkmeister fand am Nachmittag 16.30 Uhr bei seiner Kontrolle des Kesselhauses alles in Ordnung. Sämtliche 22 Kessel, sowohl die 18 im Betriebe befindlichen als auch
die 4 leer stehenden, waren durch die Explosion zerstört und fortgeschleudert. Das Kesselhaus und die Umgebung war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Einzelne Häuser gingen, infolge der Entzündung der Dächer durch glühende Ziegel, in Flammen auf. Die 3 Heizer waren tot. Das Trümmerfeld war so groß, das Chaos von Steinen, Eisenstücken, Holz und Schutt so gewaltig, daß die genaueste Untersuchung keine unbestrittenen Anhaltspunkte für die Erklärung des Unglücks zu Tage fördern konnte. Wochenlang dauerten die Aufräumungsarbeiten, und es ist nicht gelungen, aus den Trümmern irgendwelche spezifische Kennzeichen für besondere Ursachen oder Erscheinungen zu ermitteln. Wir gehen nun zur Erforschung derjenigen Umstände über, welche zur Explosion geführt haben können und müssen dieselben in gemeinschaftlichen Einrichtungen der Kesselanlage suchen. Wassermangel, gleichzeitig bei einer Kesselanlage von 18 Dampfkesseln ist gar nicht denkbar. Die Gefährlichkeit aus Wassermangel erfordert zur Entstehung eine längere Zeit. Es ist geradezu unfaßlich, daß das Versagen der Speisepumpen, oder das Unterbleiben der Speisung, oder der Wasserverlust durch Undichtigkeiten und die Quantität der Verdampfung des Wassers bei einer großen Anzahl von Kesseln in einer Anlage, nahezu in gleicher Zeit hätte zusammentreffen können. Die blaue Anlauffarbe, welche bei den Kesseln 6, 7 und 12 konstatiert wurde, ist nur stellenweise an den Unterplatten der Oberkessel gefunden und erstreckte sich in keinem Falle über den Umfang einer ganzen Platte. Um die blaue Anlauffarbe auf der Außenseite zu finden, mußte der auf den Platten sitzende Zinkstaub entfernt werden, während die Innenseite ebenso wie die Bruchflächen nichts an blauer Anlauffarbe erkennen ließen. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß durch die vorhin erwähnte Bildung von Kesselsteinkuchen lokale Überhitzungen und dadurch blau angelaufene Stellen entstanden sind. Übrigens zeigt Kessel Nr. 7, welcher gerade die intensivste blaue Anlauffarbe hatte, aus den Flugbahnen seiner Teile, daß bei ihm eine selbständige Explosion ausgeschlossen ist, so daß selbst bei diesem Wassermangel oder lokale Überhitzung der Bleche als Ursache der Explosion nicht angesehen werden darf. Zu hohe Dampfspannung konnte bzw. mußte bei allen Kesseln entstehen, wenn die Dampfentnahme durch die Dampfmaschinen einige Zeit aufhörte, während die Heizung fortdauerte und die 36 Sicherheitsventile gänzlich versagten. Die Wirkung der Heizung durch Steinkohlenfeuer war, nach Maßgabe der angegebenen regelmäßigen Verbrauchsmengen von höchstens 400 Zentner für 24 Stunden, aber nur sehr schwach. Das Brennmaterial war geringwertige Steinkohle und es hätte ein gefährlich hoher Druck nur durch mehrstündiges Heizen erzielt werden können, wenn die Dampfentnahme wesentlich gegen diejenige des regelmäßigen Betriebes verringert war. Mit dem gänzlichen oder teilweisen Stillstand der Gebläsemaschinen war auch zugleich die Verkleinerung der Gaserzeugung verbunden und die Menge der Heizung durch Gichtgase im gleichen Maße vermindert. Die Entstehung eines gefährlich hohen Dampfdruckes in kurzer Zeit ist also nicht zu erklären und um lange Zeit gänzlichen Mangels an Beaufsichtigung bei verstärkter Heizung kann es sich hier gar nicht handeln. Wenn aber die Dampfmaschinen im Gange waren, dann war die Entstehung einer gefährlich hohen Dampfspannung erst recht nicht möglich, da sie den erzeugten Dampf vollständig verbrauchten und die Sicherheitsventile ebenfalls ihre Schuldigkeit tun mußten. Übrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß es sich um nicht unerheblichen Dampfdruck handeln müßte, welcher sicherlich weit höher als der bei periodischen Revisionen und größeren Reparaturen gesetzlich vorgeschriebene Probedruck von 10 at zu schätzen ist, wenn er die Kessel hätte zersprengen sollen. Nach Mafsgabe der Revisionsübersicht des Schlesischen Vereines haben im Laufe der Jahre 1886 und 1887 21 Kessel den Probedruck anstandslos ausgehalten, worunter sich diejenigen Kessel befanden, bei welchen (auf Veranlassung des Schlesischen Vereines) in Folge eines eigentümlichen Rundnahtbruches an dem einen Kessel, alle solche Platten, welche irgend wie zweifelhaft erschienen, herausgenommen und durch neue gute ersetzt wurden. Ein erheblich höherer Dampfdruck als 5 at hätte sich außerdem durch brausendes Ausströmen aus den Sicherheitsventilen und aller Wahrscheinlichkeit nach durch Herausplatzen von Verdichtungsmaterial aus den Flanschverschraubungen usw. bemerkbar gemacht, und hiervon ist nichts beobachtet. Aus diesen beiden Umständen, welche alle Kessel gemeinschaftlich in Mitleidenschaft ziehen mußten, kann das Unglück nicht entstanden sein. Es ist aber dabei noch die Frage zu erörtern, ob die Zerstörung nicht hätte erfolgen können oder müssen, wenn durch irgend eine Ursache 1 oder 2 Kessel explodiert wären. Dabei wäre unzweifelhaft ein heftiger Stoß und eine Zertrümmerung des gemeinschaftlichen weiten Dampfrohres erfolgt, und es liegt nahe, zu glauben, daß dadurch eine plötzliche Druckentlastung in den übrigen Kesseln und eine Lockerung etwaiger schwacher Teile der Blechverbindungen des einen oder anderen Kessels entstehen konnte, welche eine Explosion der übrigen Kessel zur Folge hatte. Dem ist aber nicht so. (?) Jeder Kessel stand nämlich mit diesem gemeinschaftlichen weiten Dampfrohre nur durch ein enges (?) Rohr von 156 mm Weite in Verbindung, in welches ein gleich großes Durchgangsventil eingeschaltet war. Gegen die Explosion der Kessel infolge der Zerstörung der gemeinschaftlichen Dampfleitung spricht sowohl der Umstand, daß erfahrungsgemäß ein plötzliches Freiwerden einer Öffnung, welche in so kleinem Verhältnis zum Wasser- und Dampfinhalte des Kessels sowie zur Verdampfungsoberfläche steht, wie im vorliegenden Falle der maßgebende Querschnitt des Verbindungsrohres, nicht genügt, eine plötzliche Druckausgleichung zu ermöglichen und sicherlich nicht im vorliegenden Fall, wo bei sämtlichen im Betriebe befindlichen Kesseln Dampf und Wasser nicht im Ruhezustande waren, vielmehr eine ununterbrochene reichliche Dampfentnahme stattfand. Ferner muß beachtet werden, daß die Oberkessel in ganz anderer Richtung geflogen sind als sie bei plötzlichem Druckausgleich durch die Reaktion hätten fliegen müssen. Es muß ferner als ausgeschlossen betrachtet werden, daß die Explosion von einem oder zwei Kesseln eine solche seitliche Stoßwirkung nach links und rechts auf die Nachbarkessel ausgeübt hätte, daß sie der Reihe nach ebenfalls explodierten. Die Flugbahn der Kessel müßte dann eine ganz andere sein, und die Kesselteile müßten mehr durch und übereinander geworfen sein. Das Trümmerfeld hätte ein anderes Bild der Zerstörung ergeben müssen, jedenfalls würde die fächerförmige nach vorn gerichtete Flugbahn dann durchaus nicht zu erklären sein. Die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Vorganges findet übrigens auch Beleg in der Statistik der Dampfkesselexplosionen des Deutschen Reiches. Nach dieser ist bei einer großen Anzahl von Explosionen der explodierte Kessel allein aus einer Kesselanlage von mehreren Kesseln herausgeflogen und gewaltig zertrümmert, ohne daß die Nachbarkessel erheblich beschädigt sind und ohne daß die Explosionswirkung sich in verheerender Weise auf die anderen erstreckt hätte. Nach Maßgabe der amtlichen deutschen Explosionsstatistik von 1877 bis 1886, also während 10 Jahren, sind 155 Explosionsfälle verzeichnet, von denen etwas mehr als die Hälfte Kesselanlagen mit mehreren Kesseln betrafen. Es ergibt sich daraus folgendes:
A. Bei Kesseln gleicher Konstruktion wie auf Friedenshütte: Bei 57 Explosionen explodierten 18 aus der Mitte von anderen heraus, nämlich:
a. in einem Falle 1 von 10 Kesseln
b. in einem Falle 1 von 8 Kesseln
c. in vier Fällen 1 von 6 Kesseln
d. in drei Fällen 1 von 3 Kesseln
e. in neun Fällen 1 von 2 Kesseln
nur in einem Falle, wo drei Kessel neben einander lagen, zertrümmerte der eine Kessel den linken Nachbarkessel und ließ den rechten unbeschädigt.
B. Bei Flammrohrkesseln kamen 23 Fälle vor:
a. in einem Falle 1 von 10 Kesseln
b. in einem Falle 1 von 8 Kesseln
c. in einem Falle 1 von 7 Kesseln
d. in drei Fällen 1 von 6 Kesseln
e. in zwei Fällen 1 von 4 Kesseln
f. in drei Fällen 1 von 3 Kesseln
g. in zwölf Fällen 1 von 2 Kesseln
Ferner erwähnen wir:
C. Auf dem Hochofenwerk Salzgitter explodierte 1873 ein Kessel von fünf ohne weitere Folgen auf die anderen Kessel zu äußern, obgleich die Konstruktion ungewöhnlich (25 m Länge der Siederohre), das Blech sehr schlecht, der Zustand der Kessel mangelhaft war.
D. In Güstrow brach das Dampfrohr von 6 Kesseln , welche im Betriebe waren, an zwei Stellen durch. Die Kessel blieben unverletzt.
E. In zahlreichen Fällen der oben angeführten Explosionen brachen die gemeinschaftlichen Dampfrohre ohne weitere Folgen für die im Betriebe befindlichen Kessel. Aber auch abgesehen davon, so ist ein solcher Vorgang bei 22 Kesseln nicht denkbar ohne eine längere Zeit in Anspruch zu nehmen, ohne den zertrümmerten Teilen verschiedene Richtungen in den Flugbahnen zu geben und ohne das Geräusch einer gewaltigen Kanonade hervorzurufen. Eine spezifische Erscheinung der Friedenshütter Explosion bildet die fächerförmige Flugbahn der Kessel, welche ausgehend von einem zwischen den Schornsteinen liegenden Mittelpunkte sich nach Norden und Süden hin erstreckt. Die mittleren Kessel sind ausschließlich nach vorn (westlich), die nördlich liegenden in nördlicher, die südlich liegenden in südlicher Richtung geflogen, mit Ausnahme einiger weniger Kessel, welche die größten Zerstörungen erlitten haben und ihre Trümmer nach den verschiedensten Richtungen entsandten. Aus der fächerförmigen Flugbahn läßt sich unzweifelhaft erkennen, daß der Anfang der Explosion in den mittleren Kesseln zu suchen ist. Diese Annahme wird durch die Eigenartigkeit der Zerstörung des Fuchses zwischen den Schornsteinen und hinter den mittleren Kesseln unterstützt, welche ein wesentlich anderes Bild als das der zerstörten Seitenflügel des Fuchses zeigt. Wir können nach dem Obengesagten nur annehmen, daß die Katastrophe
durch eine Wirkung von außen her eingeleitet wurde. Die Veranlassung zum Unglücksfall wurde aus der gemeinschaftlichen Heizung mit Gasen gegeben, wobei wir vorläufig dahingestellt sein lassen wollen, ob die Hochofengase es allein gewesen sind oder ob noch andere Gase aus der Steinkohlenfeuerung mitgewirkt haben. Die Gasheizung ist das einzige, allen Kesseln gemeinschaftliche Element, aus welcher von außen her eine Wirkung entstehen konnte, wie sie das beigegebene Bild der Flugbahnen und der zerstörten Kessel ergibt. Wir würden der Wirkung der plötzlich sich entzündenden Hochofengase nicht von vorn herein eine so hervorragende Bedeutung beilegen, wenn wir nicht Überzeugung hätten, daß die Konstruktion der Dampfkessel und das Material, aus welchem sie gefertigt waren, mit Mängeln behaftet gewesen sind, so daß unter Zusammentreffen aller ungünstigen Faktoren die Kesselwandungen den Erschütterungen nicht widerstehen konnten. Im gewöhnlichen, normalen Betrieb würden, dessen sind wir sicher, diese Mängel nur zu größeren oder kleineren Undichtigkeiten, Rissen und Reparaturen
Veranlassung gegeben haben, derart, wie sie ja auch vorgekommen sind. Die aufgetretenen Mängel in den Rundnähten, in der Querfaser des Eisens, sowie die Auswechselungen mangelhaft gewordener Feuerplatten, bilden den Beleg dafür, daß beim Betriebe außergewöhnliche Spannungen und Ausdehnungen erfolgt sind. Bei Gasfeuerungen kann man bekanntlich von "Feuerplatten", wie der technische Sprachgebrauch diejenigen Blechplatten bezeichnet, welche die erste strahlende Hitze des Feuers auszuhalten haben, kaum sprechen. Namentlich dann nicht, wenn das Gas wie im vorliegenden Falle immerhin schwer brennbar ist. Das Gas brennt im allgemeinen durch die ganze Länge der Züge, es brennt oftmals im Fuchs und aus der Schornsteinöffnung heraus, je nachdem durch den Rost und durch die Undichtigkeiten der Züge usw. Luft eingesogen und ein zur Verbrennung günstiges Mischungsverhältnis entstanden ist. Dadurch wechseln die Lagen der Hauptverbrennungszonen und in Folge dessen diejenigen Orte, wo die größten Temperaturdifferenzen unnatürliche Spannungen und Ausdehnungen hervorrufen. Dies ist sehr zu beachten und bei allen mit Gas geheizten Kesseln dieser Größe und Konstruktion sind deshalb Mängel in den Rundnähten (Querfaserrichtung) häufiger. Das Schlimmste aber ist, daß diese Mängel infolge der
vorhin genannten wechselnden Hauptverbrennungsorte, rasch und unbemerkt entstehen, sich als Risse im Betriebe entwickeln und plötzlich zu Tage treten können. Im kalten Zustande sind sie in der Regel sichtbar, sofern die Risse vom Nietloch zur Blechkante gehen, aber, wenn sie sich von Nietloch zu Nietloch erstrecken, nur in den seltensten Fällen. Ist das Blech an sich von geringer Güte, also spröde wie bei den Kesseln der Friedenshütte, so wird die Möglichkeit der Bildung solcher Risse leichter zur Tatsache. Aus der deutschen Explosionsstatistik ist der Einfluß des geringwertigen
Materiales etwas bemerkbar. Von den 155 in den Jahren 1877 bis 1886 explodierten Kesseln sind 30 Fälle nachgewiesen, bei welchen das Blech aus den Jahren 1871 bis 1874 stammt. Nimmt man nach der Zusammenstellung der Dampfkessel und Dampfmaschinen vom Geheimrat Dr. Engel die Zahl der in den Jahren 1871 bis 1874 beschafften Kessel zu 9263 an, so kommt hier (im Gegensatz zu der Durchschnittszahl von 3900 Kesseln) auf 3120 Kessel eine Explosion. Dieser Unterschied ist jedoch nicht so bedeutend, daß allgemeine Vorsichtsmaßregeln gegen Kessel aus solchem Material gerechtfertigt wären, weil über die Strukturveränderungen des Eisens durch den Betrieb zuverlässige Beweise noch nicht vorliegen und namentlich auch deshalb, weil die Betriebsweise der Kessel hierbei die größte Rolle spielt. Wir verweisen auf die englische und deutsche Statistik der Explosionen, aus welchen sich deutlich ergibt, daß Explosionen von Kesseln ähnlicher Konstruktion in der Regel auch große Zertrümmerung der Kesselkörper und sehr weite Flugbahnen der einzelnen Teile hervorrufen. Die Schwäche der Konstruktion der Friedenshütter Kessel findet auch einen Beleg durch die deutsche Explosionstatistik. Wir erwähnten schon vorhin, daß von 155 Explosionen in den Jahren 1877 bis 1886 57 an Kesseln ähnlicher und nahezu gleicher Konstruktion vorgekommen sind, während das Verhältnis (nach der amtlichen Statistik von 1877) der Gesamtzahl der Kessel zu derjenigen der vorliegenden Konstruktion wie 49.511 zu 15.500 ist. Bemerkenswert ist nach unseren Erfahrungen, daß die Anwendung des genannten Systemes tatsächlich in Abnahme begriffen ist. Die fächerförmige Flugbahn der Kesselteile, welche in ihrer ganz eigenartigen Form den sichersten Anhalt für die Einleitung der ganzen Katastrophe gibt, bezieht sich ausschließlich auf die Oberkessel, während der größte Teil der Unterkessel in großer Anzahl in den Rundnähten gebrochen und wiederum in eigentümlicher Art nur nach vorn geschoben ist. Fast alle sind sie aber
doch im Kesselhause liegen geblieben. Nur einzelne Ringe (6 Stück mit etwa 10 Trommeln) sind in entgegengesetzter Richtung fortgeschleudert worden. Die Tragestühle dieser Unterkessel - mit Ausnahme der Kessel 22 und 23, welche noch unversehrt und theils noch aufrecht standen - waren unter dem
Schutt begraben. Das Mauerwerk der Kessel ist bis auf die Sohle der Unterzüge zertrümmert, und der Fuchs zwischen beiden Schornsteinen mit großer Gewalt eingedrückt, während links und rechts die Verlängerung mehr oder weniger unverletzt geblieben ist. Die Decke des Fuchses war hier abgehoben und die Vorderwand an die Hinterwand gedrückt. Alle diese eigenartigen Erscheinungen sind nur zu erklären, wenn man annimmt, daß eine von außen wirkende Kraft, deren Ausgangspunkt bei den Kesseln zwischen den Schornsteinen liegt, am hinteren Ende der Kessel wirkend, die Katastrophe eingeleitet hat. Wir wollen damit keinesfalls ausschließen, dafs nicht links und rechts auch noch ein oder mehrere Kessel in Mitleidenschaft gezogen sind , so daß die Katastrophe ihre Einleitung eventuell bei einer großen Anzahl von Kesseln gefunden hat. Hierfür fehlt uns aber der Beweis, und so nehmen wir es nur für die Mittelpartie an, weil dies aus der Art der Zerstörung überzeugend hervorgeht. Diese Kraft ist nur in den Stoßwirkungen der plötzlich sich entzündenden Gase zu finden, welche sich dort in explosibelem Gemisch angesammelt hatten. Es kann sich dabei nur um Gase der Steinkohlenfeuerung und um Gichtgase handeln. Bestand das Gemisch, wie wohl anzunehmen ist, aus Gichtgasen und Steinkohlengasen, so ist die Intensität der Wirkung, welche zum Bruch der Kessel führte, unzweifelhaft. Hierfür bedarf es keiner
weiteren Beweise. Wir wollen aber auch im Nachstehenden nachzuweisen versuchen, daß Hochofengichtgase unter Zusammenwirkung aller wichtigen Umstände schon allein eine grofse Wirkung ausüben können. Es handelt sich im vorliegenden Falle um "Hochofen-Koks-Gase" (Gichtgase). Die Zusammensetzung solcher Gase ist bekanntlich sehr schwankend, sie hängt vom Orte der Entnahme aus den Hochöfen und vom Gange des Ofens selbst ab. Wir kennen die zufällige Beschaffenheit der Gase vor der Explosionszeit nicht, nehmen also an, daß sie dem Gewichte nach bestehen aus:
64,8 % Stickstoff = 63,7 Volumen-Prozente
33,8 % Kohlenoxyd = 34,3 Volumen-Prozente
1,3 % Kohlensäure = 0,6 Volumen-Prozente
0,1 % Wasserstoff = 1,4 Volumen-Prozente,
wie sie in Knapp's chemischer Technologie als durchschnittliche Ergebnisse der Untersuchungen von Hochofengasen durch Bunsen, Ebelmen, Scheerer usw. angegeben sind. Wir fügen hinzu, daß Knapp besonders dabei betont, daß der Hauptbestandteil der Brenngase Kohlenoxyd ist, daß Kohlenwasserstoffe spärlich sind, aber wohl allen gemein wären und daß es mehr an der Analyse als an der Wirklichkeit läge, wenn sie nicht gefunden wären. Bei obigen Analysen sind die Gase in 2/3 der Höhe des Hochofens entnommen. Je höher die Entnahme erfolgt, desto unreiner und von geringerer Heizkraft sind sie. In der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1884 S. 970, sagt Jung von "Burbacher-Hütte", die Hochofengase seien folgendermafsen zusammengesetzt:
im Mittel 50 bis 60 % Stickstoff und wechselnde Mengen Wasserdampf,
im Mittel 24 % Kohlenoxyd,
im Mittel 12 % Kohlensäure,
im Mittel 4 % Kohlenwasserstoff.
Je mehr Kohlenoxyd die Gase enthalten, um so größer ihr Brennwert. Je kälter die Gase entweichen, um so mehr wird ihr Feuchtigkeitsgehalt durch Kondensation abnehmen, um so vorzüglicher müssen sie werden. Die Gase entweichen mit einer Temperatur von 40 bis 400°. Herr W. Lürmann in Osnabrück nennt in der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1886 S. 526, die Hochofengase "schwer brennbare Gase" und sagt S. 527, daß es niemals rätlich sei, Kohle und Gase unter einem Kessel zu verbrennen. Beide, Jung und Lürmann, geben zu, daß bei unregelmäßigem Gang der Hochöfen, die Zusammensetzung der Gase wesentlich andere werden könne. Nach Äußerung vieler Hochofentechniker wechselt diese fortwährend in kurzen Zeitabschnitten. Nach Bremme in der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure (Vortrag in der Versammlung des Ingenieur-Vereins am 19. Oktober 1887 zu Kattowitz) bestehen die Koksgase der oberschlesischen Hochöfen im Mittel aus:
60 % Stickstoff
9 % Kohlensäure
8 % Wasserdampf
23 % Kohlenoxyd
dem Gewichte nach. Die Hochöfen der Friedenshütte blasen graues Bessemer-Roheisen, die Gase sind nach uns gewordenen Mitteilungen besonders reich an Kohlenoxyd und arm an Kohlensäure. In dem Journal "Gewerbehygienie" spricht Dr. Eulenburg S. 352 und 354 unbedenklich die Explosibilität der Hochofengase aus. Die Explosibilität der Gase leugnet niemand, und stützen wir uns auf die Tatsache, daß an allen Orten, wo Hochöfen betrieben und Gase zum Heizen der Dampfkessel benutzt werden, in den eisernen Gasleitungen stets eine grofse Zahl von Sicherheitsklappen angebracht sind. Diese sind deshalb eingesetzt, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß die Gasexplosionen in den Leitungen nichts Seltenes sind. Die Klappen fliegen auf und machen die Wirkung unschädlich. Nur in seltenen Fällen bei
schlechten Anlagen führen solche Explosionen in den Gasleitungen zu deren Zerstörungen. Auch in den Gasleitungen auf der Friedenshütte waren eine große Zahl solcher Sicherheitsklappen angebracht, aber nur bis zu den Dampfkesseln hin, wie es überall Gebrauch ist. Wenn unzweifelhaft in den Gasleitungen die Mischung von Gichtgasen mit Luft und in Folge dessen deren Explosion wiederholt seit Jahren nachgewiesen ist, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß eine gleiche explosible Mischung sich auch bilden kann, wenn Gichtgase unverbrannt in die Kesselzüge treten, in welche Luft mit eingesogen ist und daß sie dort explodieren können. Es sind auch in der Praxis heftige Explosionen in den Kesselzügen (ähnlich wie bei Stubenöfen) vorgekommen, aber nur mit verhältnismäßig geringem Effekt. In der Nähe von Siegen ist bei einer gröfseren Kesselanlage vor einigen Jahren durch Explosion der Gase das ganze vordere Mauerwerk zertrümmert. Die Gase sind eben vorn am Kessel explodiert und ihre Quantität war gering. Wenn durch irgend einen Umstand, z.B. bei Stillständen, beim gleichzeitigen Abstellen der Gebläsemaschinen, beim Abstiche der Hochöfen, durch Verstopfungen, durch gleichzeitiges Ziehen der Gichtglocken, durch Gasexplosionen im Zuleitungsrohre usw. der Strom der Gichtgase abgerissen oder
die Flamme in Folge des ausgebrannten oder durch zu dicke, unsinnige Beschickung fast erstickten Rostfeuers ausgegangen ist, so tritt beim Wiederkehren des Gasstromes unverbranntes Gas in die Kesselzüge. Durch den Rost, durch alle Fugen und Ritzen des Mauerwerkes, wird Luft eingesogen, sie
mischt sich an zahllosen Stellen mit der äußeren Schicht der Gase, an den Ecken und Biegungen erfolgt ihre innige Mischung. Die Art der Einmauerung gibt hierzu reichliche Veranlassung. Wir bemerken, daß bei dem Mauerwerk für die Oberkessel allemal zwischen zwei Kesseln ein erheblicher Spielraum lag, so daß große Oberflächen des Außenmauerwerkes Gelegenheit zum Einsaugen von Luft gaben. Wenn alle Bedingungen günstig zusammentreffen, so kann aus der Entzündung des Gemisches eine Explosion entstehen. Die Entzündung kann ebenso wohl aus dem Aufgeben frischer glühender Kohle, als auch durch
die glühenden Mauersteine erfolgen. Die Entzündungstemperatur der Gase kann man im gewöhnlichen Zustand zu etwa 600 bis 700° C. annehmen. Diese Temperatur ist sicherlich im Mauerwerk vorhanden gewesen, denn die umhergeschleuderten Ziegelsteine haben die benachbarten Gebäude sogar in Brand gesteckt. Da dies erwiesen ist, so müssen sie eine hohe Temperatur gehabt haben, welche sicherlich zur Entzündung eines explosiblen Gemisches ausreichte, wenn es auch nur etwa 25 % Kohlenoxyd enthielt. Da das Gas oft an verschiedenen Stellen brennt, und bei seiner Verbrennung, zuzüglich der Temperatur aus der Steinkohlen-Rostfeuerung, im normalen Betriebe sicher 800 bis 1000 °C erzeugt, und zwar bei etwa 1,5facher Luftzufuhr, so kann und wird zu Zeiten das Mauerwerk selbst in den Zügen der Unterkessel sicher etwa 700 °C Temperatur annehmen. Der Wassergehalt der Gichtgase kann bei der großen Länge der Leitungen nur sehr gering gewesen, ebenso wird die Temperatur der Gase beim Eintritt unter die Kessel nicht mehr hoch gewesen sein. Die Luftzufuhr zu den Gasen nehmen wir als die gewöhnliche an, und dann ergibt die Rechnung, daß eine Ausdehnung der Gase leicht entstehen konnte, welche l at Druck gleichkam. Dies würde einer mittleren Temperaturerhöhung von etwa 400 °C entsprechen. Der Druck würde wesentlich höher sein, wenn die Entzündung des Gas- und Luftgemisches an mehreren Stellen zugleich erfolgt sein würde. Wir nehmen auf Grund des früher Gesagten letzteres an, wollen aber nur die
Entstehung eines Druckes von l at zugeben, welche reichlich genügt, um durch die Stoßwirkung die Kessel gewaltsam zu erschüttern und hierdurch Brüche hervorzurufen. Wir wollen nur durch eine oberflächliche Betrachtung erläutern, wie groß die Kraftäußerung sein müßte. Das Eigengewicht jedes Kessels berechnet sich zu etwa 13.537 kg.
Die Wasserfüllung des Oberkessels zu 22.600 kg
Die Füllung der 2 Unterkessel zu 12.500 kg
Das auf dem Kessel ruhende Mauerwerk zu 9.000 kg
Sonstige Widerstände zu 8.363 kg
Summe: 66.000 kg.
Der Oberkessel erhielt den Druck von unten auf eine Fläche von etwa 19 qm = 190.000 qcm. Um der angegebenen Last von 66.000 kg das Gleichgewicht zu halten, genügte also ein Druck von 66.000 / 190.000 = 1/3 at. Selbst wenn wir den Widerstand zu 0,5 at annehmen, so genügt also ein Gegendruck bis zu l at vollständig, um das ganze System zu verschieben und zum Bruche zu bringen. Es handelt sich bei diesen und später erörterten Gasexplosionen natürlich nicht um statischen Druck, sondern um die Stoßwirkung, welche diejenige plötzliche Ausdehnung hervorrief, welche dem berechneten Druck gleichkommt. Wir kommen nun zur Erörterung der Explosion eines Gemisches von Hochofen-Gichtgasen und Gasen der Steinkohlenfeuerungen, durch welche der Vorfall am leichtesten erklärt wird. Unter den mehrfach erwähnten Kesseln der Mittelpartie ist durch irgendeine Ungehörigkeit, oder Nachlässigkeit in der Bedienung der Feuer, die Gasexplosion verursacht worden, so daß es nicht einmal der Annahme bedarf, daß bei allen Kesseln gleichzeitig die Explosion der Gase eingetreten ist, weil die Wirkung der Explosion eines solchen Gasgemisches unzweifelhaft bedeutend größer ist, wie bei Vorhandensein reiner Hochofengichtgase. Hierbei wollen wir wiederholen, was wir vorhin gesagt haben, daß wir außerdem nicht ausschließen wollen und können, daß unter einzelnen anderen Kesseln links und rechts ebenfalls Gasexplosionen erfolgt sein mögen. In der Stunde von 12 bis 1 Uhr ist es bei Nachtschicht ebenso wie bei Tagschicht allgemein üblich, daß die Arbeiter ihr Essen einnehmen. Die Erzielung einer längeren Ruhepause gab die Veranlassung zu einer sehr starken Beschickung der Feuer, und damit war der Grund zu einem Erlöschen der Hochofengase bei einem oder mehreren Feuern gegeben. Die zur Verwendung gekommene Kohle war nur Staubkohle, welche wahrscheinlich auch naß verfeuert werden mufste, wobei ein vollständiges Abdecken sehr leicht eintritt, wie dies die Erfahrung schon oft ergeben hat. Die Luftzufuhr wird alsdann verhindert oder so gering, daß die Feuer ersticken und die Kohlen schwelen. Nach und nach gehen nun dabei infolge mangelnden Sauerstoffes die Flammen aus. Strömten nun während der Zeit dieses Totliegens bei den derartig abgedeckten Feuern die Hochofengichtgase weiter in den Herdraum ein, was als selbstverständlich angenommen werden muß, so konnten sich diese vorn nicht mehr entzünden, zumal diese tatsächlich durch die lange Leitung stark abgekühlt waren, sie mischten sich mit den Destillationsprodukten der auf dem Rost schwelenden Kohle und bildeten so in den Zügen ein leicht explodierbares Gasgemisch. Wie die Entzündung dieses Gemisches nun stattgefunden, ob vom Rost, vom Mauerwerk, oder vom Fuchse aus, wollen wir nicht entscheiden, da mehrere Fälle möglich sind. In beiden angenommenen Fällen der Gasexplosion war die Wirkung auf die Kessel die gleiche. Der Stoß, welchem die Oberkessel in der unteren Hälfte bei der Explosion ausgesetzt waren, riß die Oberkessel an den hinteren Verbindungsstutzen, welche noch von altem, geringwertigem Blech waren, von ihren Unterkesseln, der hierdurch gebildete freie Ausströmungsquerschnitt bedingte einen schnellen Druckausgleich, in Folge dessen die Oberkessel und auch die Unterkessel in der Richtung nach vorn geschleudert wurden. Selbstverständlich mußten die Oberkessel als die mehr freiliegenden und weil in
ihnen das Quantum der aufgespeicherten, also auch frei werdenden Wärme, wesentlich größer war als in den Unterkesseln, auf weit größere Entfernungen geworfen werden als diese, die zudem noch in den Unterzügen lagen und einem Wegschleudern somit größeren Widerstand entgegensetzten. Bei den Unterkesseln trat außerdem die Stoßwirkung nicht in dem Maße auf, weil bei ihnen diese von allen Seiten erfolgte. Aus den von uns geschilderten Vorgängen könnte gefolgert werden, daß Gasexplosionen leichter eintreten könnten als dies tatsächlich der Fall ist. Zu einer Gasexplosion mit dem Maximum der Kraft, bzw. mit einer namhaft größeren Wirkung, gehört das Zusammenwirken aller für diese günstigsten Umstände. Wäre dem nicht so, so müßte die Statistik schon wiederholt derartige Unglücksfälle zu verzeichnen haben, was tatsächlich nicht der Fall ist. Wir können uns auf die Erläuterungen der günstigen Umstände nicht einlassen, weil das bei der Verschiedenartigkeit der Gase zu weit führen würde. So viel steht aber fest, daß selbst an sich harmlose Gase, wie Hochofengichtgase, unter Umständen weit heftigere Wirkungen bei der Explosion zeigen als dies bei den so oft im Betriebe vorkommenden Verpuffungen der Fall ist. Es liegt indessen kein Grund vor, in Folge der Friedenshütter Explosion die Verwendung der Hochofengichtgase irgend wie zu erschweren, um so mehr als es bewährte Einrichtungen gibt, welche die stete Entzündung der Gase gewährleisten.
Wir fassen unsere Betrachtungen zum Schlüsse wie folgt zusammen:
Durch ein unglückliches Zusammentreffen ist eine explosible Mischung von Gasen und Luft in den Kesselzügen entstanden und plötzlich entzündet. Die Wirkung der Explosion der Gase hat eine örtliche Trennung der Kesselteile veranlaßt, welches bei der großen Länge der Kessel, bei ihrer Konstruktion und bei der geringen Qualität des Materiales verhältnismäßig leicht erfolgen konnte. Die Explosion der Gase bildete den Anlaß zur Erschütterung und zum Reißen der Kessel, in Folge dessen diese explodierten.
Berlin, den 28. Februar 1888.
Der Central-Verband der preußischen Dampfkessel-Überwachungsvereine.
Im Auftrage: Die Commission.
Böcking. Eckermann. Emundt. Munter. Vogt. Weinlig.
Zuletzt beschloß die Versammlung einstimmig, bei der Wichtigkeit der bei dieser Gelegenheit aufgetauchten Fragen über Explosionsfähigkeit und Explosionswirkung von Hochofengasen und anderen brennbaren Gasen, eine Reihe von Experimenten anzustellen, zu welcher hervorragende Eisenhüttenleute,
Hochofentechniker, Ingenieure und Gelehrte eingeladen werden sollen. Ein genauer Plan über die Ausführung der Versuche, die Wahl der Experimentatoren, sowie ein Überschlag der mutmaßlich erwachsenden Unkosten wird sofort aufgestellt und dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe überreicht werden, mit der Bitte, zu den Kosten dieser Untersuchung einen Beitrag zu bewilligen und Kommissarien zur Teilnahme an dieser abzuordnen. Außerdem ist zu hoffen, daß die Hauptinteressenten der Hochofenindustrie sowohl mit Geldmitteln als auch durch persönliche Unterstützung sich beteiligen werden. Der im Auftrage der Kommission erstattete Bericht des Herrn Brunhuber lautet nach [Stahl und Eisen (1888) Nr. 3, S. 167] wie folgt:
Die Dampfkesselexplosion auf Friedenshütte, über welche [Stahl und Eisen (1887) Nr. 10 und 11] berichtete, hat in den verschiedensten Kreisen eine etwas erregte Stimmung hervorgerufen, weil nach umlaufenden Gerüchten der Hochofenindustrie seitens der konzessionierenden Behörden erschwerende Auflagen gemacht werden sollten; ja, es wurde sogar behauptet, der Friedenshütte wäre die Genehmigung für die Beheizung ihrer neu projektierten Dampfkesselanlage mit Hochofengichtgasen verweigert worden.
Wenngleich nun Ihr Vorstand diesen Gerüchten eine Berechtigung nicht zuerkannte, so glaubte er doch wegen der Wichtigkeit der ganzen Angelegenheit Stellung zur Sache nehmen und eine Kommission zusammenberufen zu sollen, um die Auffassungen der bis jetzt beteiligten Kreise kennen zulernen
und zu prüfen. Dieselbe bestand aus den Herren: A. Boecking, Düsseldorf, W. Briigmann, Aplerbeck, J. Brunhuber, Essen, G. Bilgenstock, Hoerde, Th. Jung, Burbach, A. Kiel, Duisburg, W. Landgraf,
Dortmund, Fritz W. Lürmann, Osnabrück, H. Spamer, Peine, A. Spannagel, Ruhrort, Ferdinand Staub, Neunkirchen, Storp, Düsseldorf, W. Tiemann, Duisburg-Hochfeld, Alb. Vahlkampf, Oberhausen, E. Schrödter, Düsseldorf. Die vorgenannte Kommission ist am 19. November, 10. Dezember und 30. Januar zusammengetreten. Zunächst hat sich dort betreffs der wirtschaftlichen Seite ergeben, daß die königliche Behörde, wie übrigens nicht anders zu erwarten war, nach wie vor die Genehmigung zu Hochofengasfeuerungen erteilen wird, wenn, wie auch bisher stets durchgeführt, die Entzündung und Verbrennung der Gase durch die getroffenen Einrichtungen gewährleistet wird. Über das Wie scheinen die Auffassungen im Augenblick noch etwas auseinander zu gehen, indessen dürften Schwierigkeiten leicht auszuschließen sein, wenn die Erörterungen über diesen Punkt nicht einseitig, sondern von den beteiligten Kreisen, das sind die Hochofen- und Dampfkessel-Ingenieure, gemeinschaftlich gepflogen werden. Dieser Standpunkt muß bei allen einschlägigen Fragen weitgehender Bedeutung festgehalten werden, weil anderenfalls leicht eine einseitige Behandlung der Materie Platz greift, wie sich, um gleich ein Beispiel anzuführen, leider bis jetzt in der Stellungnahme zur technischen Seite der Friedenshütter Explosion gezeigt hat. Während der schlesische Dampfkessel-Revisionsverein den ersten Anlaß zu dem Unglück in dem Defektwerden eines oder mehrerer Kessel und sich hieran anschließenden Gasexplosionen erblickt, glauben die Ingenieure einiger anderen Revisionsvereine die anfängliche Ursache in einer unter sämtlichen Kesseln fast gleichzeitig stattfindenden Gasexplosion suchen zu sollen; in wieder anderen Kreisen ist die Anschauung vertreten, dafs Wassermangel den ersten Anlaß zur Katastrophe gegeben habe, und endlich tritt die Materialqualität als Faktor bei der Beurteilung des vorliegenden Unfalles auf. In diesen vier Annahmen sind die Grundlagen zur Erörterung der einleitenden Momente für das Zustandekommen des Unfalles gegeben. Wesentlich in dem Bericht des schlesischen Dampfkessel-Revisionsvereines ist die Annahme, daß die anfängliche Ursache der stattgehabten Explosion im Schadhaftwerden eines oder mehrerer Dampfkessel zu suchen sei, ohne Halt dagegen die Begründung der Art und Weise, wie die angenommene Gasexplosion bei jenen Kesseln eingeleitet worden sein soll, und nicht ausgesprochen, wie bei den übrigen Kesseln die Entstehung der Gasexplosion gedacht worden ist. Ein Zweifel kann darüber nicht herrschen, daß der schlesische Verein trotz der Annahme des Defektwerdens einiger Kessel den Hauptanstoß in einer größeren Gasexplosion gesucht hat, und wird deshalb seine Ansicht durch die Erklärung der Oberingenieure verschiedener Dampfkessel-Revisionsvereine gedeckt, welche, wie schon angeführt, eine unter sämtlichen Dampfkesseln gleichzeitig stattgefundene Gasexplosion annehmen. Während des regelmäßigen Betriebes ist eine Gasexplosion von einiger Wirkung unmöglich; um eine Erklärung zu versuchen, muß zu Annahmen gegriffen werden, und zwar ist vorauszusetzen, daß entweder das für sich brennende Gas erlosch oder ausblieb und sich später wieder entzündete. Der erste Fall dürfte bei der hohen Entzündungstemperatur und der verhältnismäßig geringen Verbrennungstemperatur bei dem einen oder anderen Kessel zeitweilig für Momente nicht fraglich sein, spricht doch auch die in Friedenshütte für notwendig erachtete Unterhaltung eines Rostfeuers dafür, dagegen muß es als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden, daß das Erlöschen der Gase in sämtlichen Feuerungen gleichzeitig oder fast gleichzeitig eintreten konnte, wenn nicht zu der ferneren Annahme geschritten wird, daß das vorher brennbare Gas nun auf einmal unter den obwaltenden Zuständen unverbrennlich wurde, sei es durch verminderte Dichte, sei es durch unpassende Zusammensetzung. Bei einem Betriebe mit drei Hochöfen und reichlicher Maschineukraft ist beides nicht wohl anzunehmen und wird aus gleichem Grunde auch die Annahme unwahrscheinlich, daß das Gas ausgeblieben sei. Wird nun trotz der vielen entgegenstehenden Gründe doch die Annahme des Ausbleibens der Gichtgase aufrecht erhalten, wobei gleichzeitig dem Erlöschen der Mischung von Gichtgas und Luft Rechnung getragen wird, so kann hieraus eine Explosion von der Intensität, wie sie zur Herbeiführung der Verwüstung auf Friedenshütte notwendig erscheint, noch nicht gefolgert werden.
Wird berücksichtigt, dafs nur dann die Verbrennung eines Gasgemisches einen explosionsartigen Charakter annimmt, wenn sie eine plötzliche oder wenigstens sehr rasche ist, so kann unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Dampfkesselfeuerungen mit Hochofengichtgasen nicht die Rede davon sein, weil die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung der vorhandenen Gase eine zu geringe ist, außerdem aber auch die Verbrennungen nicht im abgeschlossenen Räume erfolgen. Die auf Friedenshütte zur Heizung der Dampfkessel verfügbaren Gichtgase werden im Kubikmeter nachstehende Zusammensetzung gehabt haben:
N: 0,592 cbm
C02: 0,057 cbm
H2: 0,123 cbm
CO: 0,228 cbm
und bedurften an theoretischer Verbrennungsluft 0,543 cbm = 0,114 O + 0,429 cbm N
Nun hat Bansen bei Verbrennung von CO mit im Verhältnis von 2 : 1 gefunden, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung dieses Kohlenoxydknallgases bei gewöhnlicher Temperatur nur etwa 1 m/s beträgt, und es darf deshalb angenommen werden, daß die Verbrennung der wahrscheinlich immer mit einem Mehrfachen der theoretisch nöthigen atmosphärischen Luft gemischten Gichtgase wegen des großen Überschusses an indifferenten Gasen noch bedeutend langsamer ausfallen muß. Soll die Verbrennung eine raschere werden, so ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zu steigern. Hierüber belehren Untersuchungen, welche von Prof. E. Mallard angestellt worden sind und welche sich in die Relation zusammenfassen lassen, daß V= a * sqrt[s / p) * (T - t) / (t - tau) ist, wenn
V = Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung,
T = Verbrennungstemperatur,
t — Entzündungstemperatur,
tau = Temperatur des Gasgemisches,
p = den Umfang des Heizkanales,
s = den Querschnitt des Heizkanales,
a = Koeffizient, abhängig von den Wärmeverlusten, bedeuten.
Um zur Beurtheilung der Verbrennungserscheinungen weitere Anhaltspunkte zu gewinnen, sind die calorimetrischen und pyrometrischen Eigenschaften der Friedenshütter Gase näher zu ermitteln. Ohne Berücksichtigung der mitgebrachten Wärme liefert 1 cbm Gasgemisch, d.h. Gichtgas und Luft, wenn die Luft in theoretischer Menge beigemischt ist, 444 Kal., bei doppeltem Luftquantum 329 Kal. und bei dreifachem 261 Kal. Werden 300 Kal. angenommen, entsprechend etwa gleichen Volumen Gas und Luft, so würden, weil die spezifische Wärme dieser Mischungen bei konstantem Druck 0,31 und bei konstantem Volumen 0,22 beträgt, die Verbrennungstemperaturen sich bei konstantem Druck zu 970 °C und bei konstantem Volumen zu 1360 °C berechnen. Letztere Temperatur ist der Explosivität des Gasgemisches
zu Grunde zu legen, und diese ermittelt sich daraus zu ungefähr 4,55 at Überdruck. Zu der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zurückkehrend, sind nun, wenn noch die Entzündungstemperatur nach den Angaben des Herrn La Baume zu 785 °C angenommen wird, die ausschlaggebenden Daten zur Berechnung der Geschwindigkeit gegeben, sofern zur Beurteilung der Temperatureinflüsse angenommen wird, daß das Produkct a * sqrt (s / p) = konstant ist. Diese Annahme erscheint zulässig, indem dadurch nur größere Geschwindigkeiten bei höheren Temperaturen erzielt werden als tatsächlich vorhanden sind, weil sich mit zunehmender Temperatur die Wärmeverluste durch die absorbierende Umgebung steigern. Unter den stattgehabten Zusammensetzungen der Gasgemische wird eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit von höchstens 0,5 m der Wirklichkeit entsprochen haben; auch wird eine Anfangstemperatur jener von etwa 40 °C anzunehmen sein. Aus diesen Zahlen leitet sich nun die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung her zu
V = 0,60 * (T - t) / (t - tau)
Auf Grund dieser Formel fallen die Geschwindigkeiten bei
tau = 100 °C zu 0,59 m/s
tau = 200 °C zu 0,79 m/s
tau = 300 °C zu 1,06 m/s
tau = 400 °C zu 1,52 m/s
tau = 500 °C zu 2,27 m/s
tau = 600 °C zu 3,81 m/s
tau = 700 °C zu 9,00 m/s
tau = 725 °C zu 13,00 m/s
tau = 750 °C zu 22.71 m/s
tau = 775 °C zu 81.00 m/s aus.
Es ist ersichtlich, dafs die Erwärmung der Friedenshütter Gasgemische sehr weit getrieben werden muß, um zu einer nur einigermaßen beachtenswerten Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung zu gelangen. Für den gewöhnlichen Betrieb wurde die Verbrennungstemperatur zu 970 °C festgestellt, also um nur 185° höher als die Entzündungstemperatur, und ist hierdurch die Grenze gesteckt, welche in der Erwärmung des Mauerkörpers erreicht werden könnte, wenn keine Abkühlung der Verbrennungsprodukte an den Kesselwänden stattfände. Diese Mauerwerkstemperatur kann indessen nie eintreffen, denn trotz der Bedeckung der Heizflächen mit Gichtstaub werden bedeutende Wärmemengen transmittiert werden und muß deshalb die Herabminderung der Mauerwerkstemperatur notwendigerweise folgen. Über das Maß der Abkühlung in der besprochenen Richtung liegen keine Anhaltspunkte vor, dagegen kann für die Oberflächenabkühlung des Mauerwerkes, wenn keine Flamme mehr vorhanden ist und nur unverbranntes Gasgemisch die Kanäle durchstreicht, aus der Oberflächenbeschaffenheit geschlossen werden, daß die Temperaturerniedrigung rasch eintreten muß. Die Bedeckung der Wände mit Gichtstaub ist nämlich eine lockere; es ist somit wenig Masse vorhanden, welche bedeutendere Wärmequantitäten aufgenommen hat, und da außerdem die spezifische Wärme des Gichtstaubes unter der der Gase liegt, so reicht schon eine geringe Zeitdauer hin, die Temperatur bedeutend zu erniedrigen. In neuester Zeit angestellte Untersuchungen auf der Ilseder Hütte ergaben bei einer in der Beheizung mit der Friedenshütter Kesselanlage vergleichbaren Anlage, daß bei normalem Betriebe die Temperatur des Gasstromes in 1,8 m
Entfernung von den Gasdüsen 745 °C und in 17,l m Entfernung 470 °C betrug. Wurde der Gasschieber geschlossen, nachdem vorher das vorhandene Koksfeuer vollständig gedeckt worden war, und wurde die Feuertüre geschlossen gehalten, so zeigte sich in der 5. bis 11. Minute nach dem normalen Betriebe
die Temperatur vorn zu 329 °C, hinten zu 266 °C, in der 16. bis 22. Minute vorn zu 331 °C, hinten zu 229 °C und in der 27. bis 33. Minute vorn zu 270 °C, hinten zu 229 °C. In einer zweiten Versuchsreihe, bei welcher das Koksfeuer nach seinem Durchbrennen aufs neue gedeckt, also die Feuertüre geöffnet wurde, fanden nachstehende Verhältnisse statt: Bei Gaszutritt war in 5 m ,5 Entfernung von der Gasdüse die Temperatur 727 °C und in 17,1 m Abstand 469 °C. Nachdem der Gasschieber geschlossen worden
war, und nun nur Luft und Verbrennungsprodukte der Koksfeuerung abstrichen, fand während der 5. bis 11. Minute nach dem normalen Betrieb vorn eine Temperatur der Luft von 130 °C und hinten von 215 °C statt und während der 16. bis 22. Minute vorn 146 °C, hinten 198 °C. Hiernach erscheint es fraglich, ob für einige Zeit erloschenes oder ausgebliebenes Gas nach seinem Wiedererscheinen bei der Kesselheizung der Friedenshütte sich auf seinem Wege zum Fuchse wieder entzünden konnte, und wäre nur dann eine Möglichkeit hierzu vorhanden gewesen, wenn entweder das Brenngas sich in seiner Zusammensetzung geändert hätte oder durch Flugfeuer die zur Entzündung erforderliche Temperatur geboten worden wäre oder sich endlich Oxydationen unter Feuererscheinungen vollzogen hätten. Der letzte Fall kann wohl hier, wenngleich er sich bei Staubkästen eingestellt hat, vernachlässigt werden, dagegen liegt die Möglichkeit der ersten Fälle vor. Wäre nämlich das Rostfeuer mittels des Schürhakens aufgebrochen worden, so hätten sich je nach dem Stadium der Entgasung mehr oder weniger Kohlenwasserstoff haltige Destillationsproducte entwickeln können, auch ist bei einigermaßen starkem Zuge die Fortführung von hellglühendem Brennmaterial nicht abzuleugnen; faßt man jedoch die hierbei obwaltenden Verhältnisse ins Auge, so müssen Entzündungserscheinungen, wie sie zu Explosionsvorgängen erforderlich sind, als ausgeschlossen bezeichnet werden. Vor allen Dingen bleibt zu beachten, daß zur Herbeiführung veränderter Verhältnisse die Feuertür zu öffnen war und das auf dem Roste befindliche Brennmaterial noch glühend sein mußte. Hier konnte, wenn eine Entzündung angenommen wird, nur im
vorderen Teil des oberen Zuges eine Verbrennung vor sich gehen, weil durch die Wiederbelebung des Rostfeuers von dieser Stelle die Entzündung ausgehen mußte; eine Entzündung und explosionsartige Verbrennung an anderer Stelle, sei es durch Flugfeuer oder heiße Wände, muß stark bezweifelt werden, weil durch das Öffnen der Tür eine bedeutende Abkühlung der Heizgase eintrat und ferner durch übermäßige Luftzufuhr die Verbrennungstemperatur der Entzündungstemperatur näher gerückt wurde und deshalb in doppelter Weise die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer etwa möglichen Entzündung sehr gering ausfiel. Die vorhin gegebenen Zahlen bieten zur Beurtheilung der auftretenden Verhältnisse einen Anhalt. Die Behandlung eines Feuers würde selbstverständlich von gar keinem Einfluß auf die übrigen Roste gewesen sein. Alle bei Kesselanlagen mit Hochofengasfeuerung bisher vorgekommenen Unregelmäßigkeiten in der Feuerungsanlage haben sich durch nur sehr geringe Wirkungen gekennzeichnet; es spricht dies dafür, daß in allen bekannt gewordenen Fällen entweder nur ein mäßiges Expandieren, oder sogar Entweichen der Verbrennungsprodukte möglich, daß also mit anderen Worten die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Entzündung, selbst bei der ungeeignetsten Kanalführung, stets eine verhältnismäßig geringe war. Wäre dem anders, so könnten zwar größere Wirkungen, als wie bislang beobachtet, erzielt werden, indessen müßten auch hier für die Erklärung des Friedenshütter Explosionsfalles weitgehende und geschraubte Annahmen gemacht werden. Es wurde eingangs die Explosivität zu 4,55 at angegeben. Selbstverständlich kann solcher Druck niemals in einer Kesselfeuerungsanlage auftreten, weil, wie vorhin ausgeführt, die Entzündungsgeschwindigkeiten nie übermäßige sein können, dann aber auch die Verbrennungen nicht vollständig oder bei konstantem Volumen stattfinden, sei es dadurch, dafs die Gase in den Kanälen expandieren oder abgesaugt werden, oder durch geöffnete Türen oder abgedrücktes Kesselmauerwerk entweichen. Außergewöhnliche Verbrennungen in Kesselfeuerungen oder Zügen haben, so viel bis heute bei Verwendung von Hochofengichtgasen bekannt geworden ist, nie einen heftigen Charakter geäußert, sondern sind mit geringer Druckentfaltung als Verpuffung verlaufen, und wenn man auch vorgekommenen Zerstörungen bedeutende Kräfte unterzulegen geneigt war, so zeigte doch ein näheres Eingehen auf den Verlauf, daß nur unwesentliche Druckäußerungen stattgefunden hatten. Ganz anders müssen die Kräfte gedacht werden, welche Verwüstungen, wie solche sich bei der Friedenshütte gezeigt haben, hervorbringen konnten. Aus dem Umstände, dafs die Unterkessel fast sämtlich ihren Lageplatz nicht verlassen haben, wird gefolgert, die Gasexplosion müsse zwischen den Ober- und Unterkesseln, also im ersten Zuge, ihren Sitz gehabt haben. Wird dies angenommen, so mußte die zerstörende Kraft, da mit Berücksichtigung des Auftriebes des Oberkessels dessen zu bewältigendes Gewicht bei 4,5 at = — 12.124 kg und die Kraft zur Trennung der Verbindungsstutzen bei nur 10 k Festigkeit der Konstuktion 719.510 kg betrug, mindestens 707.386 kg sein, was, wenn der Angriff auf der ganzen Länge des Oberkessels erfolgt wäre, einem Drucke von 3,75 kg entspräche. Weder diese Angriffsfläche noch dieser Druck können aus verschiedenen Gründen erreicht worden sein, und es bleibt deshalb zunächst die Annahme übrig, daß bei der angenommenen Explosion das Gewölbe der Sieder Widerstand geleistet hat und der Oberkessel mit den Siedern gehoben
worden ist. Das Gewicht des ganzen Kessels betrug 12.885 kg und das seines Wasserinhaltes 30.825 kg, so daß in diesem Falle, abgesehen vom Mauerwerk, 43.710 kg zu heben gewesen wären. Würde auch hier der Angriff auf der ganzen Kessellänge stattgefunden haben, so hätte zum Heben des Kessels eine Kraft von etwa 0,22 kg für l qcm genügt und vielleicht etwa 0,3 kg für die Gesamtkonstruktion. Es wurde bereits angeführt, daß zur Erzeugung explosionsartiger Verbrennungserscheinungen hohe Vorwärmung der Gichtgasgemische erforderlich ist, und es darf angenommen werden, daß mindestens 600 °C bis 700 °C, wenn nicht noch mehr bei der hohen Entzündungstemperatur vorhanden sein müssen, um einen nur einigermaßen bemerkbaren Effekt bei nicht abgeschlossenen Räumen in Art des ersten Kesselzuges hervorzurufen. Da nun der Inhalt des ersten Zuges 16,8 cbm beträgt, so berechnet sich das auf 0° reduzierte Gasgemisch zu 5,2 bis 4,7 cbm und dessen aufgespeicherte Wärme zu 2530 bis 2430 Kal., welche sich aus der latenten und der durch Erhitzung aufgenommenen Wärmemenge zusammensetzen. Trotzdem hier in einer Weise Voraussetzungen herangezogen worden sind, welche in der Wirklichkeit niemals beobachtet werden können, läßt sich aus jener Wärmemenge eine Arbeit von nur 1.073.000 bis 1.030.000 mkg herleiten, und da diese nur zu einem geringen Teil zur Ausführung gelangen konnten, so ist die Annahme ausgeschlossen, daß infolge der angenommenen Gasexplosion die Kessel zu den beobachteten Entfernungen fortgeschleudert worden sind. Es bleibt, um die Einleitung der Katastrophe durch Gasexplosion zu erklären, nur übrig, anzunehmen, daß infolge einer stattgehabten Explosion die Kessel etwas gehoben worden seien und dann beim Niederfallen zertrümmerten. Dies wäre, wenn die vorhin gemachten Voraussetzungen stattgefunden hätten, immerhin möglich gewesen und fände dann auch der weitere Verlauf des Unfalles in der sekundären Kesselexplosion seine teilweise Erklärung, indessen muß auch solche Kraftäußerung einer Gasexplosion nach den Erfahrungen der Hochofeningenieure in Abrede gestellt werden, weil gerade die Voraussetzungen mangeln, welche Explosionen von der erforderlichen
Heftigkeit bedingen könnten. Diese Erfahrung scheint in dem Befunde der Trümmerstätte insofern einen
Beleg zu erhalten, als viele Anzeichen dafür sprechen, daß die Abwicklung des Vorganges in oben angedeutetem Sinne ausgeschlossen erscheinen muß. Nach den Ermittlungen hat sich betreffs der Sieder ergeben, daß nur wenige Rundnahtbrüche bei diesen vorgekommen sind und die Trümmer kein Platzen nach außen oder Aufbeulungen zeigten. Wären, wie vorher angenommen, die Oberkessel mit ihren Siedern zunächst gehoben worden und dann mit voller Wucht beim Niederfallen auf die Sieder gestoßen, so darf
wohl als unzweifelhaft hingestellt werden, daß dann die Sieder nicht allein an den Stutzen- und Auflagerstellen eingedrückt, sondern auch vielfach zerrissen und auseinander gesprengt worden wären und hätten viele in anderer Weise ihren Platz verlassen müssen als wie geschehen. Der Verlauf, welcher sich bei den Siedern vollzogen hat, findet nur dann eine genügende Erklärung, wenn der Ausgang ausschließlich in die Oberkessel gelegt wird; auch die sonstigen Erscheinungen reihen sich dann ohne Zwang ein. Ohne die sämtlichen Kombinationen, welche von den Anhängern der Gastheorie hervorgeholt werden dürften, auch nur annähernd erschöpfen zu wollen, sei endlich noch der Annahme gedacht, daß in den Kesselzügen stattgehabte Verpuffungen die Kessel so erschüttert hätten, daß Brüche erfolgt wären. Über die sich bei Verpuffungen oder Explosionen von Gasen herausbildenden Erschütterungen liegen Beobachtungen nicht vor, und es kann nur behauptet werden, daß bis zur heutigen Stunde in Folge vorgekommener Verpuffungen von Gemischen aus Gichtgas und Luft Kessel nie geschädigt worden sind. Letzterer Umstand dürfte auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß die Verpuffungen nicht stoßartig verlaufen, sondern durch fortschreitende Druckerhöhung in meßbaren Zeiten ihre Wirkung ausüben, wie auch aus den eingangs erörterten Verbrennungserscheinungen zu entnehmen ist, und daß deshalb die
bei Kesselanlagen möglichen Drücke eine sehr geringe Intensität besitzen. Die Annahme, daß das Gas ausgeblieben sei, hat zwar viel Bestechendes, weil die Gleichzeitigkeit der aufgetretenen Erscheinungen darin ihre Hauptstütze zu finden glaubt; fragt man indessen, ob nicht weitere Umstände zu verzeichnen sind, welche gleichzeitige Zerstörungen hervorrufen konnten, so kann man darüber nicht im Zweifel sein. Wird die Einleitung zur Katastrophe in ähnlicher Weise gedacht, wie der schlesische Dampfkessel-Revisionsverein annimmt, also in dem Defektwerden eines Kessels und einer sich anschließenden Dampfkesselexplosion, und wird der Ausgangspunkt in die Kessel 6 oder 7 gelegt, so folgert sich aus der Flugbahn der Trümmer beider Kessel, daß die Hauptdampfleitung oberhalb jener Kessel zerstört werden mußte. Bei dem großen Durchmesser jener Leitung kamen durch den beiderseitig ausströmenden Dampf so bedeutende Reaktionswirkungen zum Ausbruch, daß die noch liegen gebliebenen Äste der durchbrochenen Leitung fortgeschleudert wurden und nun die Dampfräume sämtlicher noch vorhandenen Kessel sich gleichzeitig durch Öffnungen von mindestens 0,16 m Durchmesser entlasten mußten. Bei 4,5 at Überdruck konnten in der Sekunde 6,5 kg Dampf oder 2,77 cbm entweichen, das ist mehr als der halbe Inhalt des Dampfraumes. Sollten nun durch den bei jedem Kessel, und zwar gleichzeitig, eingetretenen Stoß und die jetzt aus der ganzen Wassermasse hervorbrechende Verdampfung Erschütterungen nicht die notwendige Folge gewesen sein, stark genug, die ohnedies durch Materialveränderung und Dampfdruck übermäßig beanspruchten Wände brechen zu lassen? Diese Frage muß bejaht werden, weil die Statistik Zerstörungen von Kesseln nach erfolgter Entlastung durch Dampfentziehung mehrfach aufweist, wenn auch diese Fälle meist unter anderen Ursachen, z.B. örtliche Schwächung, mangelhafte Konstruktion usw., aufgeführt worden sind. Wie sehr übrigens Dampfkessel bei Abweichungen von der üblichen Dampfentnahme zu Explosionen hinneigen, mag nach Ermittelungen bei in England vorgekommenen Dampfkesselexplosionen in den Jahren 1863 bis inclusive 1866 daraus zu entnehmen sein, daß die Wahrscheinlichkeit zur Explosion während des Ruhens oder zu Beginn des Maschinenbetriebes mindestens 3,5 mal größer ist als während des normalen Betriebes. Auch die Statistik der Dampfkesselexplosionen des Deutschen Reiches während der Jahre 1877 bis 1886 weist dieselbe Zahl auf, indem von 155 Explosionen 40 auf Zeiten fielen, welche keinen Maschinenbetrieb hatten. Zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeitsziffer und zu deren Vergleich mit der in England gefundenen ist hier wie dort angenommen, daß während 10 % der Zeit, in welcher die Kessel unter Dampf
standen, kein Maschinenbetrieb stattfand. Von obigen 40 Explosionen dürfen 11 auf plötzliche Dampfentnahme zurückgeführt werden. Um noch einen Begriff von der durch den Bruch der Dampfabführungsröhre herbeigeführten Verdampfung zu geben, möge mitgeteilt werden, daß diese einer stündlichen von 23.400 kg für 1 Kessel entsprechen würde, d.i. 235 k für l qm oder etwa das Sechzehnfache der gewöhnlich stattgefundenen Verdampfung. Waren aber die Kessel gerissen, so konnten oder mußten durch eintretende Kesselexplosionen oder durch das ausströmende Wasser die Effekte erreicht werden, welche sich in dem Bild der Zersörung gezeigt haben. Diese Behandlung des ganzen Vorganges ist eine natürliche, ungezwungene und kann es ganz freigestellt bleiben, ob bei dem Ausgangskessel die anfängliche Ursache der Kesselexplosion in Wassermangel, einem Kesselbruch oder in einer, wenn auch unmöglichen Gasexplosion von erforderlicher Intensität gesucht wird; sie legt das Zentrum ausschließlich in den Kessel Nr. 7, erklärt die Entfernung der Kessel von ihren Lagern durch das Freiwerden ungeheurer Wärmemengen (1.510.000 Kal. entsprechend 640.000.000 mkg für 1 Kessel) und
die verschiedenen seitlichen Richtungen der Flugbahnen wesentlich aus dem Stoß, der durch die nach entgegengesetzten Seiten fortgeschleuderte Hauptdampfleitung auf die Oberkessel ausgeübt wurde und findet den Hauptangriff der wirkenden Kräfte am hinteren Teile der Oberkessel natürlich, weil beim
Bruch der Stutzen hier die gröfsten Wassermassen zum Austritt gelangen mußten, auch an dieser Stelle der Oberkessel den größten Auftrieb hatte. Ob der sekundäre Vorgang bei sämtlichen Kesseln der gleiche war, oder sich bei einigen dadurch in seinem Verlauf änderte, daß irgend ein oder mehrere Kessel, welche zur Explosion kamen, die Nebenkessel hierdurch beeinflußten, mag dahingestellt werden, jedenfalls war bei jeder Annahme die Möglichkeit unmittelbar auf einander folgender oder gleichzeitiger Explosionen gegeben, wie auch durch die Explosionsstatistik bestätigt wird. Um einen der Friedenshütter Explosion ähnlichen Fall vorzuführen, sei an die gleichzeitige Explosion von 5 an gemeinschaftlicher Dampfleitung hängenden Kesseln am 8. April 1863 morgens 2 Uhr auf dem Walzwerk Mossend bei Glasgow erinnert, wobei Gasexplosionen ganz sicher ausgeschlossen waren. Bei Beurteilung dieser Explosion wurde von deutscher Seite die Gleichzeitigkeit der Druckentlastung zugeschrieben.
Der von dem englischen Oberingenieur Fletscher seinerzeit veröffentlichte Bericht enthält so viel Interessantes und so viel Erfahrung, dafs hier einige Stellen daraus wohl Platz finden dürfen. Fletscher sagt, und zwar darf dies auch für äußere Gasexplosionen gelten:
"Das Vorkommen einer so eigentümlichen Explosion, welche so viele Dampfkessel zugleich betraf und jeden derselben in ein vollständiges Wrack verwandelte, sowie die umliegenden Gebäude ganz bedeutend beschädigte, erregte natürlich bedeutendes Interesse, und wurden verschiedene Vermutungen über
die Ursache gemacht. Es herrschte die feste Meinung, sie entweder der Wirkung explodierender Gase oder der plötzlichen Dampferzeugung durch rothglühende Platten zuzuschreiben, weil man glaubte, daß Dampf der gewöhnlichen Betriebsspannung unfähig sei, Wirkungen wie die vorliegenden hervorzubringen. Diese Ansichten wiederholen sich bei dem Vorkommen einer jeden bedeutenden Explosion, und obgleich ohne jeden Halt, haben dieselben doch dadurch eine wenn auch sehr unglückliche Bedeutung, daß sie die Aufmerksamkeit von der einfachen Ursache des Unglückes ableiten und einen Schleier des Geheimnisses
über die Sache werfen, welcher zugleich jede ernstliche Untersuchung abbricht und dadurch die Aussicht zerstört, durch eine Explosion die Mittel zu erhalten, um das Vorkommen anderer zu verhindern." Ferner: "Alle Quernähte von äußerlich geheizten Kesseln mit halbkugeligen Böden, welche unmittelbar über der Feuerung liegen, sind unerwarteten Brüchen ausgesetzt, und wurde in früheren Berichten häufig empfohlen, auf deren unzuverlässige Eigenschaft acht zu geben." Endlich: "Der Grund der gleichzeitigen Explosion scheint folgender gewesen zu sein. Ein einziger Kessel äußerlich geheizt und mit halbkugeligen Enden, z.B. Nr. 3, riß an einer der Quernähte über der Feuerung zuerst. Das Entweichen von Dampf und Wasser vom Boden des Kessels hob die übrigen in die Höhe und schleuderte diese mehrere Fuß hoch in die Luft, zugleich das Mauerwerk niederreißend, so daß die Kessel, wieder herabkommend, auf eine lose und unregelmäfsige Unterlage fielen, und so alle derart gedrückt wurden, daß sie explodierten. Daß die durchschlagende Kraft des Dampfes genügte, dies zu tun, erklärt sich durch die Tatsache, daß eine der gußeisernen Walzen des Walzwerkes von der Dampfkraft zur Zeit der Explosion einige Fuß hoch gehoben wurde." Die Erfahrungen Fletschers erhalten nicht allein durch die bei den Kesseln der Friedenshütte ausgeführten Oberkesselreparaturen, den im J. 1886 bei einem der Kessel plötzlich aufgetretenen Doppelbruch und die Untersuchungsresultate der Bleche Bestätigung, sondern auch durch die Beobachtungen und Untersuchungen, welche an anderen, gleichartig betriebenen Kesseln angestellt worden sind, deren Konstruktion verschieden war und von derjenigen der Friedenshütter Dampfkessel wesentlich abwich. In diesen Fällen ist stets an gewissen Platten eine nachteilige Veränderung des Bleches in der Längenachse zu konstatieren gewesen und war dieselbe nur insofern von der Anfangsqualität des Materiales abhängig, daß bei besserem Material bedeutendere Beulenbildung als bei dem weniger guten voraufging. Die Beulen hatten sämtlich langgestreckte Formen, und ihre kurzen Achsen lagen in der Richtung der Kesselachse. Aus diesem Grunde sowie wegen ihrer überall sich gleichbleibenden Formbildung können bei der angeführten Art der Beheizung jene Beulen Überhitzungen der Bleche während des normalen Betriebes nicht zugeschrieben und nur in Abkühlungseinflüssen gesucht werden und wird es deshalb Sache der Betriebsleitung der Kessel sein müssen, die Außerbetriebsetzungen so zu bewirken, daß der Kesselumfang stets möglichst gleichmäßig temperiert bleibt, damit schädliche Beeinflussungen der Bleche durch heißes Mauerwerk in Folge zu rascher Entleerung oder durch Ansammlung von kaltem Wasser im unteren Teile der Kessel infolge Abkühlung vermieden werden. Wenngleich die Kommission bei Erledigung der ihr gestellten Aufgabe alle Fragen in erster Linie vom hüttenmännischen Standpunkte aus untersucht hat, so lag es doch nahe, sich auch über die mutmaßliche Ursache der in
den Kessel Nr. 7 gelegten Explosion zu unterhalten, und neigte man der Auffassung zu, daß trotz der Erklärung des schlesischen Vereines Wassermangel den Grund abgegeben haben könne. Nicht nur die mehr als bei den Kesseln Nr. 6 und 12 ausgesprochene blaue Anlauffarbe veranlaßte diese Ansicht, sondern auch frühere Vorkommnisse an diesen Kesseln unter gleichen Verhältnissen. Im Jahre 1882 erlitt nämlich Kessel Nr. 19 einen Bruch des Ablaßhahnes, und die Folge war, daß der Kessel sich entleerte und somit in den Zustand von Wassermangel versetzt wurde. Bei späterer Besichtigung zeigten sich Risse in Blechen des Ober- und eines Unterkessels, auch waren Nähte undicht geworden. Während diese Schädigung des Kessels bei abgesperrtem Gasschieber nur durch Spannungseinflüsse im Materiale, hervorgerufen durch den relativ geringen Wärmevorrat im Mauerwerk, vollzogen wurde, konnte oder mußte bei nicht unterbrochener Heizung beim Kessel Nr. 7 der Effekt ein viel bedeutenderer werden und eine Explosion einleiten. Ausgeschlossen ist zwar nicht, daß auch ohne Wassermangel der Bruch in Folge Verminderung der Blechqualität eingetreten sein könnte, indessen ist doch die blaue Anlauffarbe charakteristisch und wenn sie nach dem Dafürhalten der untersuchenden Ingenieure nicht vollständig befriedigte, um Wassermangel durch sie annehmen zu lassen, so mögen Umstände vorgelegen haben, welche ihre vollständige Entwicklung nicht gestatteten oder ihre Intensität nachträglich verminderten. Ob der Wassermangel in Folge vernachlässigter Speisung oder Leckage entstanden ist, wird wohl nicht zu ermitteln sein, dagegen darf wohl als sicher hingestellt werden, daß bei nicht unterbrochener Heizung eine abwechselnde Erhitzung und Abkühlung der Bleche, wie bei Kessel Nr. 7 unter Annahme von Wassermangel möglich war, in sehr nachteiliger Weise hätte wirken und schließlich den Bruch von Kesselplatten herbeiführen müssen. Dieser Verlauf scheint durch die Resultate der Blechproben Nr. 4 und 6, welche beide dem Kessel Nr. 7 angehören, seine Bestätigung zu finden, namentlich ist Probe
Nr. 6 bezeichnend, indem hierbei das Blech in der Lang- und Querrichtung bedeutend entwertet ist. Bei solchen Blechen braucht übrigens nicht, wie vom schlesischen Dampfkessel-Revisionsverein angenommen wird, ein Beulen stattzufinden, sondern es kann ebenso gut ein Reißen oder Springen ohne Beulung eintreten. Die Kommission erachtete eine breitere Behandlung der Sache vorläufig als nicht notwendig und hielt den Austausch der bisherigen Ansichten und Erfahrungen für hinreichend, um ihrem Vorstande den nachstehenden Beschluß zu unterbreiten:
Mit Bezug auf den am 24. und 25. Juli 1887 auf Friedenshütte stattgehabten Unfall, dessen Ursache mit Explosion von Hochofengasen in Verbindung gebracht worden ist, beschließt Versammlung: "Der Verein deutscher Eisenhüttenleute hält die Entstehung des Unfalles durch eine Explosion von Gichtgasen auf Grund der Erfahrungen seiner Mitglieder für ausgeschlossen." Bei der sich diesem Vortrage schließenden Besprechung schlug der Fachschul-Direktor Haedicke-Remscheid vor, an der beantragten Resolution eine Abänderung vorzunehmen. Der Antrag des Hrn. Haedicke lautet: "Der Verein deutscher Eisenhüttenleute hält die Mitwirkung von Gasexplosionen nicht für unwahrscheinlich, wennschon der Wirkung des Dampfes die größte Rolle wird zugesprochen werden müssen." Der Antrag wurde indes abgelehnt und der Kommissionsantrag sozusagen einstimmig angenommen.
QUELLE[Dingler's polytechn. Journal 82 (1888) 255+323+505+554]