Wasser- und Elektrizitätswerk St. Lazarus

Allgemeines

FirmennameWasser- und Elektrizitätswerk St. Lazarus
OrtssitzSankt Lazarus (Posen)
Art des UnternehmensWasser- und Elektrizitätswerk
AnmerkungenErbaut von der "Actien-Gesellschaft 'Helios'" in Köln-Ehrenfeld.
Quellenangaben[Zeitschr. Elektrochn. (1896) 15: Elektrische Beleuchtung in Verbindung mit Wasserwerken]




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
1893 Baubeginn
15.03.1894 Inbetriebnahme




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Elektrizität 1894 Beginn (Inbetriebnahme am 15.03.)      
Trinkwasser 1894 Beginn (Inbetriebnahme am 15.03.)      




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine 1893/94 unbekannt




Allgemeines

ZEIT1896
THEMABeschreibung
TEXTIn kleineren Städten und selbstständigen Gemeinden hat man besonders in den letzten Jahren der Frage nach einer guten Beleuchtung und Wasserversorgung mehr Gewicht beigelegt, als dies früher der Fall war, da ja besonders auch von Seiten der Regierung in dieser Beziehung günstig eingewirkt wurde. Gerade in solchen kleineren Städten nun, wo die Beleuchtung der öffentlichen Straßen und Plätze größtentheils noch durch Petroleum bewerkstelligt wird, macht sich diese Frage immer mehr geltend, und ist es wohl als selbstverständlich anzunehmen, daß bei Einrichtung eines
Wasserwerkes gleich mit auf die Beleuchtungsfrage Rücksicht genommen wird. Eine solche kombinierte Anlage finden wir im Elektrizitäts- und Wasserwerk zu St. Lazarus bei Posen, ausgeführt von der Actien-Gesellschaft "Helios" in Köln-Ehrenfeld. Die Vorstadtgemeinde St. Lazarus bei Posen ließ von vorstehend genannter Firma ein derartiges Werk bauen, um für die Einwohner von 3000 Seelen eine gute Beleuchtung und ein gutes Trinkwasser zu schaffen. Die Stadt Posen selbst ist nun nach beendigter Erbauung des Werkes nicht in der Lage, ihren Einwohnern das zu bieten, was ihre Vorstadtgemeinde zu liefern im Stande ist, nämlich ein in gesundheitlicher Beziehung vollkommen einwandfreies Trinkwasser und eine billige elektrische Beleuchtung. St. Lazarus hat sich infolge dieser Vorzüge rasch und gesund entwickelt, ein Umstand, welcher vom dortigen Gemeindevorstand schon vor der Entschließung zum Bau eines derartigen Werkes in richtige Erwägung gezogen wurde. Seit Inbetriebsetzung des Elektrizitäts- und Wasserwerkes vor circa
einem Jahr ist die Bautätigkeit in St. Lazarus außerordentlich rege geworden und für die große Beliebtheit, welcher sich die neue Beleuchtung dort erfreut, legt die vollkommene Ausnutzung der elektrischen Maschinen Zeugnis ab. Herr Brunnentechniker Beyer in Berlin, welcher durch die Schneidemühler Affaire bekannt geworden ist, stellte auf einem der Gemeinde gehörigen Grundstücke Bohrungen an, welche ein vorzügliches Trinkwasser in ausreichender Menge ergaben. Auf Grund dieses günstigen Resultates wurde die Erbauung des Werkes beschlossen und mit der Ausführung desselben im Herbste des Jahres 1893 begonnen. Die Pumpe mußte in einem 6,5 [?] m tiefen Schachte aufgestellt werden, da das der Gemeinde gehörige Grundstück auf einem der höchsten Punkte der ganzen Umgebung liegt. Kesselhaus, Maschinenhaus, Pumpenschacht und Akkumulatorenraum bilden die gesammte Anlage. Im ersteren sind zwei Cornwall-Dampfkessel von je 57,8 qm Heizfläche aufgestellt; die Flammrohre enthalten je sechs Stück Galloway-Rohre und beträgt der Arbeitsdruck sechs Atmosphären. Ein Kessel genügt für den Betrieb der elektrischen Maschinen- und Pumpenanlage, während der zweite Kessel zur Reserve dient. Ein 35 m hoher Kamin gestattet noch, einen weiteren Kessel für die in diesem Frühjahr erfolgte Vergrösserung, aufzustellen. Ein Vorwärmer von 2 qm Inhalt ist im Kesselhause aufgestellt,
welcher durch den Abdampf von Pumpe und Dampfmaschine das Speisewasser entsprechend vorwärmt. Zur Reserve ist ein Injektor angebracht, jedoch geschieht die Speisung in der Regel durch eine Worthington-Pumpe. Der 6,5 m tiefe Pumpenschacht befindet sich in einer Ecke des großen Maschinenraumes, und hat ersterer einen Durchmesser von 5,5 m. Auf dem Boden des Schachtes befinden sich zwei Pumpen für eine Leistung von je 30 cbm pro Stunde. Die eine ist eine Compound-Dampfpumpe, während der Antrieb der anderen durch einen Elektromotor mit Zahnradübersetzung erfolgt. Zwei grosse Windkessel von 9 [?] m Höhe und 1,5 m Durchmesser, "Reservatoren" genannt, stehen in dem Schachte. Dieselben verbilligen die Anlage, indem sie einen kostspieligen Druckturm ersetzen. Im Maschinenhause ist eine 50pferdige Dampfmaschine untergebracht, welche eine Dynamomaschine von entsprechender Stärke vermittelst Riemen direkt vom Schwungrad antreibt. Die Dampfmaschine ist eine liegende Einzylindermaschine ohne Kondensation und leistet bei günstigem Dampfverrbrauch 50 eff. Pferdestärken bei 190 Umdrehungen pro Minute. Die Maschine ist mit allen Verbesserungen der Neuzeit versehen und auf absolut zuverlässige und selbsttätige Schmierung aller Teile ist besonders Wert gelegt. Ein äußerst empfindlicher Regulator regelt den Dampfeintritt und hält gleichzeitig die Umlaufsgeschwindigkeit bei den verschiedensten Belastungen konstant. Die Dynamomaschine ist für erhöhbare Spannung zum Laden von Akumulatoren eingerichtet. Die besondere Konstruktion der Dynamomaschine und hauptsächlich die des Ankers gewährleistet eine fast absolute Betriebssicherheit, so daß vorläufig von der Aufstellung eines Reserve-Maschinensatzes Abstand genommen wird, tatsächlich ist auch seit der Inbetriebsetzung, dem 15. März 1894, noch nicht die geringste Störung an der Maschinenanlage vorgekommen. An der Wand des Maschinenhauses ist die Schalttafel angebracht, welche die wenigen für die Bedienung der ganzen Anlage erforderlichen Apparate in übersichtlicher Anordnung, auf weißem Mormor montiert, enthält. Neben der Schalttafel ist in die in die Straßen der Gemeinde führende Verteilungsleitung ein Elektrizitätszähler eingeschaltet, welcher den gesamten in den Außenleitungen zur Verwendung kommenden Strom registriert. Neben diesem Zähler befindet sich ein kleineres Schaltbrett, von welchem fünf Stromkreise für die Straßenbeleuchtung abzweigen. Ein automatischer Regulator, welcher die Stromspannung an dem ungefähr in der Mitte der Gemeinde gelegenen Speisepunkt selbsttätig konstant hält, ist
ebenfalls vorgesehen und auf der linken Seite der Schalttafel sichtbar. Zu beiden Seiten des Einganges zum Pumpenschacht sind zwei Luftkompressoren, Patent Burckhardt & Weiss, mit elektrischem Antrieb aufgestellt. Diese Kompressoren dienen dazu, um den Luftdruck in den Reservatoren nach Bedarf steigern zu können. Der höchste Betriebsdruck für die Wasserleitung beträgt 5 Atmosphären, und zwar nur bei eintretendem Feuer. Für gewöhnlich wird nur mit einem Drei-Atmosphärendruck gearbeitet. Neben dem Maschinenraum liegt der Akumulatorenraum, welcher eine
Batterie von 136 Zellen enthält. Dieselbe ist imstande, 200 Glühlampen von 16 NK während sieben Stunden zu speisen und kann bei einem etwa nachts ausbrechenden Brande auch den Betrieb der Elektromotorenpumpe, sowie den der Kompressoren übernehmen. Von der Zentrale führt eine Speiseleitung zur Mitte des Verteilungsnetzes, welches im Dreileitersystem ausgeführt ist. Die Bogenlampen für die Straßenbeleuchtung haben separate Stromkreise, welche von der Zentrale aus- und eingeschaltet werden. Sämtliche Leitungen sind oberirdisch an 8 m hohen imprägnierten Holzstangen auf Porzellanisolatoren geführt. An dem Gestänge befindet sich auch eine Telephonleitung, welche das Maschinenhaus mit dem Büro des Gemeindevorstandes verbindet; ferner eine Signalleitung, durch welche bei ausbrechendem Brande von einer in der Hauptstraße angebrachten Feuer-Meldeeinrichtung der Maschinenwärter, welcher
in der Zentrale schläft, benachrichtigt werden kann. Die 18 Bogenlampen für die Straßenbeleuchtung sind an 10 m hohen verzierten Holzmasten aufgehängt. Ein gußeiserner Ausleger trägt die Lampe, welche gegen Schwankungen, die bei heftigem Winde auftreten könnten, durch eine einfache Vorrichtung geschützt sind. Das Herablassen der Lampen zum Einsetzen neuer Kohlenstifte geschieht vermittelst einer verschließbaren Winde. Der Betrieb in der Zentrale gestaltet sich folgendermaßen: Tagsüber, wo der Wasserconsum verhältnismäßig groß ist, werden die Akkumulatoren geladen, und der Wasserbedarf wird durch die Dampfpumpe gedeckt. Falls morgens vor dem Anheizen ein größerer Wasserbedarf eintreten sollte, wird der Betrieb mit der Elektromotorpumpe unter Zuhilfenahme der Akkumulatorenbatterie geführt, dasselbe geschieht nach dem Laden der Akkumulatorenbatterie. Die Dynamomaschinen allein übernehmen bei eintretender Dämmerung die Lichtlieferung und wird abends um 11 Uhr, nachdem die zur Straßenbeleuchtung dienenden Bogenlampen ausgeschaltet sind, der Maschinenbetrieb eingestellt und die Akumulatorenbatterie übernimmt alsdann allein die Stromlieferung. Bei etwa Nacht ausbrechendem Feuer wird der Maschinist durch die Signalglocke geweckt. Derselbe setzt die Elektromotorpumpe sowie einen Kompressor in Tätigkeit. Diese Einrichtung ist von großer Wichtigkeit, und die Gemeinde hatte schon mehreremal Gelegenheit, sich bei in frühester Morgenstunde ausgebrochenen Bränden vom guten Funktionieren der Gesamtanlage zu überzeugen. Durch die Verwendung von automatischen Einrichtungen für die Stromregulierung, durch die automatisch und ökonomisch wirkenden Schmierapparate für sämtliche beweglichen Teile an der Dampfmaschine, durch die Anwendung von mit selbsttätiger Ringschmierung versehenen Dynamomaschinen und Elektromotoren wird die Bedienung der ganzen Anlage auf ein Minimum beschränkt, so daß der Betrieb der Centrale in bequemster Weise durch nur einen Maschinisten und einen Heizer erfolgt. Die ganze Disposition der Anlage gestaltet den Betrieb so vorteilhaft, daß bei einem Strompreise von 3 Pfg. pro 100 Wattstunden und bei einem Wasserpreise von 16 Pfg. für das Kubikmeter die Gemeinde sehr gut auf die Kosten kommt. Tatsächlich deckt die Einnahme aus dem Verkauf des Wassers, nachdem der Güterbahnhof Posen für die Speisung der Lokomotiven an das Wasserleitungsnetz angeschlossen ist, die gesamten Unkosten, so daß als Reinverdienst noch die Einnahmen aus der Lichtlieferung übrig bleiben. Die Gemeinde wird diesen Preis in Zukunft noch etwas ermäßigen, da sie nicht die Absicht hat, an dem Werk viel zu verdienen, sondern dasselbe nur geschaffen hat, um die Entwicklung der Gemeinde zu fördern. Durch die in St. Lazarus gemachten Erfahrungen sind sowohl die technischen wie wirthschaftlichen Vorteile eines kombinierten Betriebes außer allen Zweifel gestellt und hat sich die nahegelegene Vorstadtgemeinde Wilda, durch die in St. Lazarus erzielten günstigen Resultate, entschlossen, ebenfalls ein derartiges Werk zu errichten. Dasselbe wird einen doppelten Umfang wie dasjenige in St. Lazarus erhalten und ist die Ausführung desselben bereits der Firma "Helios" übertragen worden. Dieses Werk wird sich von jenem in St. Lazarus nur dadurch unterscheiden, daß die Lage des Grundwasserspiegels es gestattet, die Pumpen unter Vermeidung eines besonderen Schachtes zur Aufstellung zu bringen und dadurch das Wasser zur Kondensation für die Dampfmaschine bequem
zu beschaffen ist. Es werden daher in Wilda noch günstigere Betriebsresultate zu erwarten sein. Es mag hier noch hervorgehoben werden, dass in neuerer Zeit eine große Anzahl von kleineren Gemeinden der Frage der Licht- und Wasserversorgung nach der vorstehend beschriebenen Anordnung nähertritt.
QUELLE[Zeitschr. Elektrochn. (1896), 15: Elektrische Beleuchtung in Verbindung mit Wasserwerken]