Arsenik-, Berg- und Hüttenwerk "Reicher Trost", H. Güttler

Allgemeines

FirmennameArsenik-, Berg- und Hüttenwerk "Reicher Trost", H. Güttler
OrtssitzReichenstein (Schles)
Art des UnternehmensBergwerk und chemische Fabrik
AnmerkungenBergwerk in Maifritzdorf. Kommerzienrat Herm. Güttler forcierte den Bau der "Kleinbahn Kamenz?Reichenstein" (seit dem 01.06.1938: "Reichensteiner Bahn"); deren Weiterbau nach Maifritzdorf wurde 1915 eingestellt. In Maifritzdorf ist auch eine Munitions- und Zündschnurfabrik (seit 1695) bekannt; diese aber um 1900 als "W. Güttler" ("H. Güttler" nur als Berg- und Hüttenwerk sowie als "Reichensteiner Handelsgesellschaft für Eisenbahn-Material H. Güttler"). Hermann Güttler verstarb vor 1910. Ab 1925 siehe "Güttler & Co. GmbH", Hamburg-Wilhelmsburg. Besitzt um 1885 eine eigene Privat-Gasanstalt (unsicher, ob für Arsen- oder Pulverfabrik) [Stat. Mitt. Gaswerke (1885) 618]. Man versuchte um 1893 auch wieder, die Goldgewinnung auf elektrolytischem Wege zu betreiben. 1 t Hüttenabbrand enthält 33 g Gold.
Quellenangaben[Sammel-Ausstellg. chem Ind Paris (1900) 66] [Reichs-Adreßbuch (1900) 2898] [Salwach/Tichanowicz: Kronika Zlotego Stoku (Internet)] [Dinglers polytechn. Journal Bd. 290, S. 161]
Hinweise[Führer durch die Ausstellung der chemischen Industrie Deutschlands (1893) 33]




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
ca. 6. Jh. Begründung als Goldbergwerk vmtl. im 6. Jh. und wird jahrhundertelang als solches betrieben
1500-1599 Im 16. Jh. werden besonders reiche Golderträge erzielt
1618-1648 Während des Dreißigjährigen Krieges gerät der Goldbergbau in Verfall und kann später trotz vielfacher Anstrengungen nicht mehr zur Blüte gebracht werden.
1699 Es wird mit der fabrikmäßigen Gewinnung von Arsenik begonnen
1850-1861 Die Entgoldung der Abbrände wird durch Kommerzienrat Wilh. Güttler nach Plattners Verfahren betrieben
bis 1861 Seit 1850 werden aus 2326 t Arsenabbränden 67 kg reines Gold (29 g Gold/t) gewonnen.
1874 Nach dem Tod von Wilhelm Güttler übernimmt sein Sohn Hermann die Pulverfabrik.
1883 Das Arsen-Bergwerk mit Hütte und Erzanreicherungsanlage an der Chaussee nach Paczków wird von Güttler gekauft und nach den Erfordernissen der Neuzeit umgestaltet und in regelmäßigen Gang gebracht. Es hat ein Pochwerk mit 33 Stempeln, zwei Wasserräder und drei Erzwäschen.
1893 Auf der Columbischen Weltausstellung werden ein Modell des Werks "Reicher Trost", rohe Erze der Grube und Fabrikate (Arsenikalkies, Arsenmehlsublimat, doppelt raffiniertes Arsenikglas in Stücken, gelben Arsenik, roten Arsenik, grauen Metallarsenik. Arsenikalkiesabbrände und einen Oktaeder Gold, 1 t Abbrand entsprechend) ausgestellt.
1895 Die Ausbeutung der Arsenik-Vorkommen erfolgt seit 1895 nach dem sogenannten Chlorationsverfahren von Hermann Güttler.
1896 Die Gewinnung des Goldes wird seit 1896 nach einem von H. Güttler und dem Chemiker Dr. Rupprecht ausgebideten Verfahren betrieben. Jährliche Produktion (1900): 50 kg.
1897 Hermann Güttler kauft die niederliegende Porzellanfabrik und beginnt in ihr die Produktion von Schamotte und später von Trockenfarben auf der Grundlage von Eisenoxyd, ferner von Kalk- und keramischen Farben.
1897 Hermann Güttler erhält ein Patent auf den rauchlosen Sprengstoff "Plastomenit".
bis Mitte Juni 1897 Seit Dezember 1895 werden im Monat durchschnittlich 2 - 3 kg (im ganzen: 67,233 kg) Gold mit einem Feingehalt von 99,5 % im Werte von 181.530 Mark produziert.
1898 Hermann Güttler erhält die Konzession zum Bau der privaten Eisenbahnstrecke von Kamieniec nach Reichenstein und Maifritzdorf.
1900 Die Produktion beträgt rund 54 kg Gold im Werte von ca. 150.000 Mark
03.11.1900 Hermann Güttler stellt den Bau Eisenbahnstrecke von Kamenz nach Reichenstein (12,1 km) fertig. Offizielle Eröffnung am 3. November. Zwei Lokomotiven, vier Personenwagen, elf Güterwagen und zwei Gepäckwagen bedienen die Linie. Die Baukosten betragen 2 Millionen Mark.
1902 Die Produktion beträgt rund 46 kg Gold im Werte von ca. 128.000 Mark
1904 Die Produktion beträgt rund 48 kg Gold im Werte von ca. 134.000 Mark
1906 Lieferung einer Dampfmaschine durch A. Borsig
1906 Fertigstellung des Baues der neuen Fabrik von Hermann Güttler. Die Anlagen zur Erzanreicherung und das Betriebs-Elektrizitätswerk werden modernisiert.
1909 Aufstellung einer 220-PS-Dampfmaschine auf der Grube "Reicher Trost" [unsicher, ob identisch mit der 270-PS-Maschine von Borsig, Baujahr vom Hersteller mit 1906 angegeben]
19.02.1909 In vielen Häusern und auf den Straßen leuchten zum ersten Mal elektrische Glühlampen auf. Die Stadt erhält den Strom von Güttlers Elektrizitätswerk.
1910 Es werden 2.400 t Arsen produziert, das sind 20% der europäischen Produktion.
1910 Aufstellung einer weiteren 220-PS-Dampfmaschine auf der Grube "Reicher Trost" [vergl. die 270-PS-Maschine von Borsig (deren Baujahr vom Hersteller mit 1906 angegeben) und die von 1909]. Sie wird als Fördermaschine für die Förderung von Erz im Schacht "Reden" eingesetzt.
12.12.1910 Explosion in der Pulverfabrik Maifritzdorf, bei der zwei Arbeier sterben. Die Ursache ist unbekannt.
08.04.1911 Explosion in der Pulverfabrik Maifritzdorf, Abteilung 7. Zwei Arbeier sterben.
1912 Im Bergwerk wird die elektrische Energie eingeführt.
1912 Neben dem Schacht "Reden" wird ein elektrisch betriebener Erzbrecher errichtet.
1912 Im Güttler'schen Elektrizitätswerk werden ein neuer Turbogenerator mit 565 kVA und zwei Generatoren mit 175 und 75 kVA installiert.
1913 Beginn des Vortriebs für den Stollen "Gertrude". Er ist vor allem vorgesehen für den unterirdischen Transport von Fördergut der Grube "Reicher Trost" zu Aufbereitungsbetrieb und Hütte.
1917 Ausbau der Erzanreicherungsanlage und der elektrischen Leistung des Elektrizitätswerks
1917 Das Bergwerk fördert 36.779 t Erz und produziert 2.500 t Arsen
20.12.1918 Der Gertruden-Stollen erreicht die Grube "Reicher Trost" auf der 3. Sohle. Er hat 1.200 m Länge.
1920 Im Gertruden-Stollen beginnt der Erztransport mittels elektrischer Eisenbahn. Damit endet der Transport zur Hütte mit Pferdewagen. Es ist eine der ersten unterirdischen elektrischen Eisenbahnen in Europa.
1920 Im Werk entsteht eine neue Versuchsabteilung, in welchem Pflanzenschutzmittel auf der Grundlage von Arsenverbindungen hergestellt werden.
1920 Diebe stehlen die Blitzableiter von allen Pulvermagazinen, was eine große Bedrohung der Stadt bei Gewittern bedeutet.
1921 Wilhelm Güttler eröffnet ein Verkaufsbüro in Hamburg
1921 Am Ausgang des Gertruden-Stollens werden ein Erzbrecher, ein Büro- und Sozialgebäude, eine Schmiede und eine Komressorenstation in Betrieb genommen.
1921 Die Gesellschaft "Lignose" kauft von Wilhem Güttler seine Pulber- und Zündschnurfabrik in Maifritzdorf und Reichenstein.
1922 Wilhem Güttler baut in Hamburg-Wilhelmsburg eine Pflanzenschutzmittelfabrik unter dem Namen "Chemische Fabrik
Wilhelmsburg". Sie nutzt die von Dr. E. Schärfe erarbeitete Technologie aus und verwendet Arsen und Arsenverbindungen aus Reichenstein.
1925 Gründung der "W. Güttler Aktiengesellschaft". In dieses werden alle Betriebe von Wilhem Güttler in Reichenstein eingebracht.
1929 Inbetriebnahme einer neuen Fabrik zur Herstellung von Bleimennige und Bleiglätte
1930 Nach der Modernisierung der Erzanreicherungsanlage produziert man Konzentrate, die 45 - 50 % Arsen enthalten und die Abfälle nur 1,5 bis 2,5 % (früher 2,0 - 2,7 %). Ferner jedoch geraten 25 % des im abgebauten Erz des Bergwerks gefundenen Arsens in die Abfälle. (früher sogar 40 %). Man beginnt Versuche zur Erzanreicherung durch Flotation.
1937 Bau einer Erzaufbereitungsanlage durch Flotation. Sie erlaubt reiche Konzentrate als Schlämmen und Abfällen nach der Erzanreicherung auf Rütteltischen, die früher in Absetzteiche geworfen wurden.
1961 Die Arsenikgewinnung wird eingestellt.




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Arsenik 1699 Beginn 1900 [Sammel-Ausstellg. chem Ind Paris (1900) 67] Arsenik = AsO2. Anfangs nicht lohnend
Gold 500 Beginn vmtl. im 6. Jh. 1900 [Sammel-Ausstellg. chem Ind Paris (1900) 67] Seit 1850: Entgoldung der Abbrände bei der Arsenik-Gewinnung




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine 1906 August Borsig




Maschinelle Ausstattung

Zeit Objekt Anz. Betriebsteil Hersteller Kennwert Wert [...] Beschreibung Verwendung
1893 Dampf- und Gasmotoren     unbekannt Gesamtleistung 154 PS    
1893 Dampfkessel 3   unbekannt          




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1893 182 175 6   1 Inhaber, 1 Chemiker, 5 Beamte und 175 Arbeiter
1897 350       Produktionswert: 700.000 Mark
1900 414 400 14   vmtl. einschl. der Grube in Maifritzdorf




Firmen-Änderungen, Zusammenschüsse, Teilungen, Beteiligungen


Zeit = 1: Zeitpunkt unbekannt

Zeit Bezug Abfolge andere Firma Kommentar
1925 Umbenennung danach Güttler & Co. GmbH  




Allgemeines

ZEIT1893
THEMABeschreibung
TEXTDie Firma betreibt in Maifritzdorf und Reichenstein die ausschließliche Fabrikation von Arsenpräparaten im Produktionswert von jährlich etwa 300.000 Mark. Aus Erzen eigener Förderung werden hergestellt: Arsenige Säure in Mehl- und Stückenform, gelbes und rotes Schwefelarsen, Arsenmetall. Es sind im Betriebe 175 Arbeiter tätig,
während demselben 5 höhere Angestellte und ein Chemiker vorstehen. Es sind 3 Dampfkessel, Dampf- und Gasmotoren von zusammen 154 PS in Verwendung. Es wird hervorgehoben, dass das Arsenik-Berg- und Hüttenwerk "Reicher Trost" in seiner Art das bedeutendste Etablissement der Welt ist und eine sehr alte und merkwürdige Geschichte besitzt. Es
ist ursprünglich und zwar vermuthlich schon im sechsten Jahrhundert als Goldbergwerk begründet und Jahrhunderte lang als solches betrieben worden. Besonders reiche Erträge wurden im 16. Jahrhundert erzielt. Während des 30jährigen Krieges geriet der Goldbergbau in Verfall und konnte später trotz vielfacher Anstrengungen nicht wieder zur Blüte gebracht werden. 1699 wurde die fabrikmäßige Gewinnung von Arsenik begonnen, welche indessen nicht lohnend blieb, bis 1883 das Werk von seinem jetzigen Besitzer erworben, nach den Erfordernissen der Neuzeit umgestaltet und in
regelmäßigen Gang gebracht wurde. Die Gewinnung des in den Erzen enthaltenen Goldes wird zur Zeit versuchsweise und mit guten Aussichten auf elektrolytischem Wege betrieben. Die Menge des in den Hüttenabbränden enthaltenen Goldes beträgt 33 Gramm pro Tonne.
QUELLE[Führer durch die Ausstellung der chemischen Industrie Deutschlands (1893) 33]


ZEIT1893
THEMAAuf der Weltausstellung Chicago ausgestellte Produkte
TEXT1. Bergwerksmodell von der Grube "Reicher Trost" bei Reichenstein.
2. Rohe Erze, Vorkommen der Grube "Reicher Trost".
3, Produkte des Werkes: Gewaschener Arsenikalkies, weiss sublimiertes Arsenmehl, doppelt raffiniertes Arsenikglas in Stücken, gelb Arsenik in Stücken und gemahlen, roth Arsenik in Stücken und gemahlen, grau Metall-Arsenik in Krystallstücken und gemahlen, Arsenikalkies-Abbrände; ein Oktaeder Gold, repräsentiert den Goldgehalt einer Tonne Abbrände.
QUELLE[Führer durch die Ausstellung der chemischen Industrie Deutschlands (1893) 33]