Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei

Allgemeines

FirmennameNorddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei
OrtssitzDelmenhorst (Oldb)
StraßeNordwollestr.
Postleitzahl27749
Art des UnternehmensKammgarnspinnerei
AnmerkungenNach Zusammenbruch: 1932: "Norddeutsche Woll- und Kammgarnindustrie AG" (s.d.); nach Werksschließung: div. Kleinindustrie, VHS, Stadtmuseum und Industriemuseum (s.d.) Siehe auch Werk in Eisenach
Quellenangaben[Kaldewei: Ansichten der Nordwolle (1996)] [Nordwolle, Rundgang] [Mythos Dampf - Technik- u. Kulturgeschichte (1998)] [VDI-N, 06.09.1996, S 46]
HinweiseDie Maschinenhäuser des Unternehmens werden für museale Zwecke genutzt: Das alte ist mit Einbauten versehen und enthält die stadtgeschichtliche Sammlung. Im Maschinenhaus von 1900 ist die letzte technische Ausstattung mit zwei Dampfturbinen noch original erhalten und bildet den Kern des Delmenhorster Industriemuseums. Auch wenn ein großer Teil des Firmengeländes geräumt und umgenutzt wurde, umfaßt der südliche Bereich (zur Bahn hin) noch zahlreichen qualitätsvolle Gebäude der Industriearchitektur. Deren Besichtigung zusammen mit dem Besuch der Museen ist sehr lohnend. Tel.: 04221/992469




Unternehmensgeschichte

Zeit Ereignis
1855 Christan Lahusen übernimmt das Geschäft seines Vaters. Er hatte gute Handelsbeziehungen nach Übersee aufgebaut. Durch den Kauf von Länderlosen von Staaten in Lateinamerika besaßen die Lahusens große Besitztümer auch in Argeninien, wo Schafzucht betrieben wurde und Lahusen die Wollproduktion kennenlernt.
1873 Der Bremer Kaufmann Martin Christian Leberecht Fürchtegott Lahusen erwirbt eine Wollkämmerei und Spinnerei in Neudek (Böhmen)
1884 Der Bremer Kaufmann Martin Christian Leberecht Fürchtegott Lahusen gründet seine Spinnerei in Delmenhorst, da Bremen bis 1888 nicht dem deutschen Zollverein angehört. Standortvorteil ist die seit 1867 existierende Bahnlinie Bremen - Oldenburg.
1884-1910 Die Fabrik wird von 1888 bis 1910 hinter dem Bahn an einer Flußschlinge der Delme auf einer Fläche von ca. 24 ha durch die Bremer Werksarchitekten Wilhelm Weyhe und Heinrich Deetjen errichtet.
1885 Die ersten Werkswohnungen werden an der späteren Nordwollestraße gebaut
1885 Bau eines Hallenschwimmbades für die Beschäftigten (das erste in Delmenhorst) samt Wannenbädern, Waschhaus und Bademeister-Wohnung.
1886 Es entsteht eine Kinderspielschule für 2 1/2- bis 6jährige Kinder, der ein Hort für ältere Kinder angegliedert ist.
1888 Carl Lahusen, Sohn Christian Lahusens, übernimmt die alleinige Leitung des Werks. Sein Bruder Gustav war nach Argentinien verzogen, um dort den Landbesitz der Lahusens zu verwalten.
1890 Bau eines Betriebskrankenhauses an der Stedinger Straße (später: Gaststätte)
1896 Bau einer neuen chemischen Fabrik zur Verwertung des Wollschweißwassers, da die alte "Fettfabrik" auf dem Nordwolle-Gelände zu diesem Zweck nicht mehr ausreicht.
1897 Spontaner Streik, weil die Löhne gekürzt werden
1897 Der Nordwolle wird die Bahrenfelder Kammgarnspinnerei und Färberei in Hamburg angegliedert
1898 Das Mädchenwohnheim für 150 Mädchen wird errichtet.
1898 Es erfolgt die Fusion der Nordwolle mit einer Kammgarnspinnerei in Glücksbrunn
1898 Der Nordwolle wird eine Wollkämmerei und -wäscherei in Fulda angegliedert
1898 Der Nordwolle wird eine Wollkämmerei und -wäscherei in Mühlhausen (Thür) angegliedert
1900 Baubeginn einer großen Werkskolonie
1902 Bau des zweiten Maschinenhauses, später "Turbinenhaus" genannt
1902 Bau des alten Kesselhauses mit 19 kohlebeheizten Kesseln.
1905 Errichtung des Wöchnerinnenasyls
1905 Einführung der elektrischen Beleuchtung
1907 Durch Übernahme der Feinseifen- und Parfümeriefabrik Hoepner & Sohn wird die chemische Abteilung der Nordwolle zu einer selbständigen Fabrik innerhalb des Konzerns erklärt.
1910 Bau des Wasserturms
1914 Bau einer Trafostation zum Bezug von Fremdstrom aus Farge
1921 Calr Lahusen stirbt, und sein Sohn G. Carl Lahusen, ein typischer Vertreter der jungen Nachkriegsgeneration der Großkapitalisten, übernimmt den Konzern
1923 G. Carl Lahusen nimmt seinen Bruder Heinz in den Vorstand des Konzerns mit auf, und der langjährige Mitarbeiter seines Vaters, Hermann Rodewald, muß seinen Platz räumen.
1926 Eigentlich hätte im Geschäftsjahr 1926 ein Verlust ausgewiesen werden müssen.
1927 Der Nordwolle wird die "Nowa" Strumpffabrik in Chemnitz, die "Alrowa" Deutsche Stickerei, Chemnitz, und die "Toga" Vereinigte Webereien AG angegliedert.
1928-1930 G. Carl Lahusen errichtet 1928/30 sein Herrenhaus Hohehorst bei Bremen. Das schloßartige Gebäude hat 107 Zimmer und 12 Badezimmer; allein für den Park sind 80 bis 90 Arbeiter eingestellt. Es ist für 3.600.000 Mark (auch gegen "Aufruhrschäden") versichert. es wird später als Therapiestätte genutzt
1928 Bau von zwei eigenen Tiefbrunnen
01.06.1928 bis 31.01.1930 Die Aktienkurse fallen von 226 % im Juni 1928 auf 89 % im Januar 1930
1929 Friedel Lahusen tritt dem Vorstand bei
1929 Der Lagerbestand ist um 90% höher als der Auftragsbestand, der Preisverfall hält weiter an.
1929 Ausbau der 2500-PS-Dampfmaschine aus dem neuen Maschinenhaus
1930 Die Aktienkurse fallen von von 89 % im Januar 1930 auf 45,25 % am 31.12.1930. Viele Banken kündigen der Nordwolle ihre Kredite
17.07.1931 G. Carl Lahusen und sein Bruder Heinz werden wegen Vergehens gegen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches sowie Betrugs durch Führung von Geheimkonten, falsche Buchungen und der Einstellung fingierter Forderungen verhaftet
21.07.1931 Die NW&K stellt den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Die Verluste werden auf 240 Millionen Reichsmark geschätzt
14.07.1932 Die Gläubigerversammlung beschließt die Gründung von zwei Nachfolgegesellschaften. die eine umfaßt die Betriebe in Leipzig und Altona-Bahrenfeld und die andere die in Delmenhorst, Fulda und Mühlhausen sowie der Delespa. Das Aktienkapital der letzten beträgt 7.500.000 Reichsmark, die Aktien werden zum Kurs von 115% ausgegeben.
1933 G. Carl Lahusen wird von der Strafkammer des Landgerichts Bremen rechtskräftig zu 5 Jahren Gefängnis und 50.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Heinz Lahusen erhält eine Strafe von 2 Jahren Gefängnis und 20.000 Mark Geldstrafe.
1935 Inbetriebnahme eines AEG-Turbogenerators im neuen Maschinenhaus; die Turbine stammt vom Zweigwerk Mühlhausen, der Generator aus Hamburg
2. Weltkrieg Im Krieg werden große Teile des Fabrikgeländes zerbombt. Zwei Spinnsäle mit 75% der Spindeln und das Rohwollelager sind hauptsächlich betroffen
20.04.1945 Der Betrieb muß stillgelegt werden.
05.1945 Im Mai beginnen die Aufräumungsarbeiten
06.1945 Die Wollkämmerei kann wieder produzieren. Sie stellt zunächst Papiergarn für die Juteindustrie her, aus dem Säcke gemacht werden.
1948 Man bezieht wieder Wolle von Ãœbersee
1950 Die Nordwolle erhält durch Satzungsänderung eine andere Firmenbezeichnung und nennt sich "Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei Aktiengesellschaft"
1952 Bau des neuen Kesselhauses mit Gasfeuerung
1955 Inbetriebnahme einer AEG-Gegendruck-Anzapfturbine im neuen Maschinenhaus. Druck: 42 bar, Leistung: 1350 kW
1965 Das Mädchenwohnheim von 1898 wird zu einem Wohnheim für ausländische Arbeiter umgebaut
1970 Fusion der Nordwolle Delmenhorst mit der Kammgarnspinnerei Düsseldorf (KSD). Aus beiden Firmen wird die Vereinigte Kammgarnspinnerei Aktiengesellschaft (VKS) mit Sitz in Bremen. Hauptaktionäre sind die Dresdner Bank und der Bremer Kaufmann Henry S. Thomas.
1979 Die Abteilung Wollkämmerei wird geschlossen. 200 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz
10.1980 Der Vorstand der VKS stellt im Oktober den Antrag auf Eröffnung des Liquidationsvergleichsverfahrens
31.03.1981 Rund 850 Mitarbeitern wird gekündigt. - Danach wird erkannt, daß es sich bei der Anlage um ein Industriedenkmal europäischen Ranges handelt. Nach den Plänen des Architektenbüros Stracke & Partner werden die Hallen bis auf die denkmalgeschützten Umfassungsmauern abgerissen, und an das Mauerwerk werden Einfamilienhäuser gebaut. Wohn- und Funktionsbauten werden restauriert und für eine neue Nutzung umgebaut. Volkshochschule, Technologiezentrum, Fabrik- und Stadtmuseum finden ein Domizil.
1996 Die "Nordwolle" wird als erster dezentraler Standort der Expo 2000 (Expo-Leitthema: "Mensch, Natur, Technik") anerkannt. Es sollen zwei Modellprojekte, die die Fragen des Lebens im 21. Jahrhundert aufgreifen, durchgeführt werden.




Produkte

Produkt ab Bem. bis Bem. Kommentar
Kammgarn 1884 Beginn (Gründung) 1981 Ende (Kündigung der Mitarbeiter)  




Betriebene Dampfmaschinen

Bezeichnung Bauzeit Hersteller
Dampfmaschine um 1907 Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Ph. Swiderski
Dampfmaschine 1902 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG
Dampfmaschine 1887 Maschinenfabrik Augsburg AG
Dampfmaschine nach 1887 Gebr. Sulzer AG




Personal

Zeit gesamt Arbeiter Angest. Lehrl. Kommentar
1885 100       Im Gesamtkonzern: 900
1887 900       Im Gesamtklonzern 1885: 900
1891 1600        
1907 2500       Im Geamtkonzern 1910: 10.000
1911 3000        
1930 4500       im Gesamtkonzern: 22.300
  405        




Firmen-Änderungen, Zusammenschüsse, Teilungen, Beteiligungen


Zeit = 1: Zeitpunkt unbekannt

Zeit Bezug Abfolge andere Firma Kommentar
1907 Anschluß (Namensverlust) zuvor Hoepner & Sohn GmbH Hoepner zur Nordwolle
1 Zusammenschluß, neuer Name danach Norddeutsche Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei, Werk Eisenach Zweigwerk Eisenach