Entwicklung der Dampflokomotive
Voraussetzungen und Folgen
Die ersten Schienenbahnen waren untergeordnete Industriebahnen, meist Anschlussbahnen
von Bergwerken an benachbarte Flüsse. Erst durch die Herausbildung der leistungsfähigen,
betriebssicheren Dampflokomotive erhielt die Eisenbahn im 19. Jahrhundert ihren
dominierenden Platz im Verkehrssystem; durch sie war es möglich, große Zuglasten mit
Geschwindigkeiten zu befördern, die zur Postkutschenzeit undenkbar waren. Die
Industrialisierung und die Lokomotiveisenbahn beeinflussten und förderten sich gegenseitig:
Die Dampfmaschine ermöglichte zwar theoretisch die Krafterzeugung und
Industrieansiedlung an jedem beliebigen Ort auch ohne Wind- und Wasserkraft, doch bedurfte
es eines leistungsfähigen Transportsystems, um die Kohle für die Krafterzeugung sowie die
Roh- und Fertigprodukte zu befördern. So benötigt z.B. eine Fabrik mit 500 PS
Maschinenleistung pro Tag ca. 5 t Kohle, also zahlreiche Pferdefuhrwerks-Ladungen -
dagegen würde hier ein Waggon mit Kohle für zwei Tage reichen!
Ganze Regionen mit wenig
schiffbaren Flüssen wie etwa Sachsen, Schlesien oder Württemberg blühten wirtschaftlich erst
nach der Einführung der Eisenbahnen auf. Auch im Personenverkehr eröffnete die
Lokomotiveisenbahn völlig neue Möglichkeiten: Tagelange, beschwerliche Reisen
schrumpften auf wenige Stunden zusammen, viele hundert Menschen konnten in einem Zug
transportiert werden, der Komfort stieg erheblich, und das Reisen wurde auch ärmeren
Schichten möglich. Umgekehrt entstand eine eigene Eisenbahnindustrie zur Deckung des
großen Bedarfs an Eisenbahnmaterial. Vor der Entwicklung des Eisenbahnwesens basierte das
Ingenieurwesen auf Erfahrungen, die kaum theoretisch untermauert waren. Durch die
Eisenbahn traten große Beanspruchungen auf Bauteile, Bauwerke und Werkstoffe auf, und
andererseits führte ein Zusammenstoß, Bruch oder Einsturz zu verheerenden Unfällen mit
großen Personen- und Sachschäden. Das förderte die Entwicklung der technischen
Wissenschaften auf dem Gebiet der Metallurgie, des Maschinenbaus, der technischen
Mechanik, der Statik, des Vermessungswesens und der Werkstoffkunde.
Nicht allein die Dampfmaschine auf Rädern hatte Bedeutung für die Eisenbahn. Das neue
Verkehrssystem benötigte auch ortsfeste zum Antrieb der Pumpen in Bahnwasserwerken, von
Werkzeugmaschinen, Förderanlagen und Generatoren für die elektrische Beleuchtung und
elektrische Bahnen. Stark belastete Drehscheiben und Schiebebühnen erhielten Dampfantrieb.
Bei starken Steigungen baute man unter dem Einfluss
Stephensons „geneigte Ebenen", auf
denen die Züge mit Winden hochgezogen wurden: in Deutschland Erkrath-Hochdahl (1841)
und Aachen-Ronheide (1843). Diese Betriebsweise bewährte sich jedoch nicht; sie wurde bei
Erkrath sehr bald durch Umlenkrollen und seit 1927 durch Schiebelokomotiven ersetzt.