Entwicklung der Dampflokomotive

Vorheriges | Folgendes Kapitel

Lokomotivwettbewerb von Rainhill

Beim Bau der ersten großen Fernbahn Manchester – Liverpool, wo George Stephenson seit 1826 als leitender Ingenieur wirkte, sollten die Möglichkeiten des Dampfbetriebs durch einen Wettbewerb geklärt werden, der am 6. Oktober 1829 auf einem schon fertigen Stück der Bahn bei Rainhill stattfand. Gefordert waren Lokomotiven, die leichter als 6 t waren und bei 16 km/h mindestens das Dreifache Ihres Eigengewichts ziehen konnten. Von fünf angemeldeten Lokomotiven nahmen drei an den Versuchsfahrten teil. Die „Sanspareil" (Abb.) (von Hackworth mit U-förmigem Flammrohr entsprach weitgehend seiner Triebwerkskonstruktion von 1827; sie vermochte 14,5 t mit 22,3 km/h bzw. 61 t mit 16,1 km/h zu befördern. Durch einen Zylinderschaden verlor sie viel Dampf und erwies sich dadurch als unwirtschaftlich; außerdem erlitt sie einen Pumpenschaden. Die zierliche „Novelty" (Abb.) von Braithwaite und Ericsson hatte einen senkrechten Zylinder und trieb über Winkelhebel und Treibstange den Radssatz bei der Feuerung an. Ihr Kessel bestand aus einem zylindrischen Stehkessel mit konzentrischer Feuerbüchse, und der Rauch wurde durch ein gewundenes Rauchrohr geführt, das in drei Zügen in einem Langkessel verlegt war. Zur Zuführung der Verbrennungsluft diente ein Gebläse. Ihre Leistungen waren: 8,1 t bei 24,1 km/h bzw. 28,9 t bei 12,9 km/h. Durch einen Kesselschaden schied sie aus, obwohl sie den geringsten Brennstoffverbrauch hatte. Die „Rocket" von Stephenson hatte den direkten Einachsantrieb mit geneigten Zylindern. Ihr Kessel bestand aus einem noch separaten Stehkessel und einem damit verbundenen Heizrohrkessel mit 25 kupfernen Heizrohren. Der Stehkessel – künftig Bestandteil aller konventionellen Lokomotiven – besteht aus einer im Grundriss meist rechteckigen, doppelwandigen Behälter – der innere ist die Feuerbüchse; darin ist die Feuerung, und zwischen den Wänden ist das zu verdampfende Wasser; Stehbolzen nehmen die Druckkräfte zwischen den parallelen Wandungen auf. Er ermöglicht eine hinreichend große Rostfläche und eine große Strahlungsheizfläche mit intensiver Verdampfung. Das vom Rauch durchströmte Rohrbündel im Langkessel (Heizrohrkessel) vergrößert die Berührungsfläche (Rohrheizfläche) zwischen den heißen Rauchgasen und dem Wasser, wodurch die Dampferzeugung gesteigert wird. Die „Rocket" hatte hierdurch zwar eine weit größere Heizfläche als die seiner Konkurrenten, trotzdem waren ihre Dampfleistung und Betriebsergebnisse (12,9 t Last bei 22,2 km/h, Leistung: 12 PS; später: 40,6 t bei 21,6 km/h bzw. 20 PS) kleiner als die der „Sanspareil" mit ihrem wirkungsvollen Blasrohr. Die „Rocket" erwies sich als am betriebssichersten und errang den Preis. Man kann Stephenson nicht als den Erfinder der Lokomotive ansehen. Vielmehr gelang es ihm, durch Kombination der vorteilhaften Konstruktionselemente anderer Erfinder (Hochdruckdampf, Blasrohr, glatte Spurkranzräder, seitliche Zylinder, Röhrenkessel, dieser vom Franzosen Marc Séguin 1828 erfunden) mit seinen eigenen Innovationen (Direktantrieb, Kuppelstangen, geneigte Zylinder, Feuerbüchse, brauchbare Steuerung) zu vereinigen. Der so entstandene Lokomotivtyp war für die weitere Entwicklung bestimmend, und keine andere Bauform – weder beim Kessel, noch beim Triebwerk - konnte sich bis zum Ende der Dampflok-Ära dagegen durchsetzen. – In den folgenden Jahren ging man dazu über, das Triebwerk in liegender Anordnung zwischen den Rahmenwangen anzuordnen. Hierdurch ließen sich die störenden Bewegungen durch die hin- und hergehenden Massen (Kolben, Kreuzkopf ...) verringern, man nahm dafür gekröpfte Treibachsen und ein schwer zugängliches Triebwerk in Kauf.

Vorheriges | Folgendes Kapitel